Verkehrskarten, Satellitenaufnahmen, ein wenig Navigation und Routenplanung sowie die Anzeige von Wegpunkten und Infrastruktur wie Restaurants, Aussichtspunkten, touristischen Highlights, Shops und Übernachtungsmöglichkeiten: Kartendienste sind längst Alltagsanwendungen und entlocken Nutzern kaum noch das Staunen, das Google 2005 mit Maps und Earth auslöste. Als Apple im September 2012 nachlegte und mit Apple Maps einen eigenen Kartendienst ins Leben rief, hielt sich die Freude eher in Grenzen – zumal Apple Maps anfangs vor allem durch mangelhaftes Kartenmaterial „glänzte“.
Apple Maps war anfangs so schlecht, dass der nach dem Tode Steve Jobs gerade als Apple-CEO berufene Tim Cook sich offiziell bei den Usern für die Mängel des Apple-Kartendienstes entschuldigte und auf die Anwendungen der Mitbewerber hinwies. Seither hat Apple viel getan, um Maps besser zu machen – doch kann es den fast doppelt so alten Platzhirsch von Google heute schlagen?
Wie Apple Maps zehn Jahre danach aussieht
Der heutige Blick auf das aktuelle Apple Maps zeigt vor allem einen Kartendienst, der nativ in macOS und iOS/iPadOS eingebunden ist. Er zeigt Satellitenbilder und Verkehrskarten ordentlich an und besitzt mit Flyover ein hübsches 3D-Feature. Beim direkten Vergleich mit Google Maps sticht vor allem die aufgeräumte Oberfläche ins Auge: Apple Maps ist ausgesprochen übersichtlich, während die Google Maps-App für iOS ein einziges Informationschaos darstellt: Hier zeigt sich, wer in Sachen GUI-Design definitiv die Nase vorn hat, denn Google versucht, möglichst viele Informationen auf den kleinen iPhone-Bildschirm zu quetschen. Das geht leider schief, während bei Apple alle Funktionen maximal zwei Taps entfernt sind.


Die Krux mit der Datenbasis
Doch ein Kartendienst ist eben mehr als die Oberfläche einer App. Hier geht es vor allem um drei Dinge: Gutes Kartenmaterial, aktuelle Informationen und zuverlässige Navigation. Leider zeigt sich schnell, dass an dieser Stelle nach wie vor Google die Nase vorn hat. Gründe sind die deutlich größere Datenbasis durch die schiere Menge an Android-Smartphones und Google-Dienste-Nutzern anderer Plattformen, Googles intelligenten Suchalgorithmen sowie Googles Community-Funktionen mit Zusatzdiensten wie Google Business.
Der Suchmaschinenkonzern macht seinem entspannten Verhältnis zur Datensammlung alle Ehren – und liefert in vielen Fällen deutlich präzisere Informationen: Wer unterwegs spontan einen Imbiss, eine Übernachtungsmöglichkeit oder auch nur einen Geldautomaten sucht, wird mit Google mit hoher Wahrscheinlichkeit finden, was er sucht. Und zwar nicht nur Einträge, die es bei Apple Maps schlicht nicht gibt – sondern auch Öffnungszeiten, möglicherweise Preise und Bewertungen, mit denen Apple bestenfalls über Drittdienste wie Trip-Advisor zugreift.
Problematisch für die Datenbasis ist zudem, dass Apple außerhalb der Apple-Blase bestenfalls als iPhone- und iPad-Lieferant wahrgenommen wird. Viele User installieren ganz pragmatisch, was sie gewohnt sind – und das ist eben die Google-Maps-App. Zum Schaden von Apples Karten-App, die dadurch noch weniger Unterstützung durch Unter-Interaktion erhält. Findet sich ein fehlender oder falscher Eintrag zur Meldung bei Apple, wird dieser zudem aufwändig geprüft – es dauert oft Tage, bis eine Rückmeldung erfolgt. Google greift hier hingegen einfach auf die eigene riesige Datenbasis zurück und ist meist recht schnell bei der Anpassung von Öffnungszeiten und ähnlichen nicht ganz unwichtigen Informationen.
Navigation nicht immer nachvollziehbar
Auch in Sachen Navigation sind Apple Maps und Google Maps in vielen Fällen nicht deckungsgleich. Die Verbreitung der Endgeräte und Anteil der App-Nutzung ist hier ebenfalls der entscheidende Faktor: Staus und zäh fließender Verkehr werden zum Beispiel unter anderem auf Basis der aktiven Smartphones gemessen. Hier steht Apple mangels Daten oft schlechter da. Zumal natürlich auch Google Maps mit CarPlay zusammenarbeitet – und dementsprechend Googles statt Apples Map-App Daten an den Anbieter meldet. Die Zahl der im jeweiligen Stau aktiven User hat schließlich direkten Einfluss auf die Qualität der Navigationsdaten.


Versuchen wir es mit einem Wochenende am Meer in Domburg in den Niederladen. Von Köln aus sind das rund 300 Kilometer, diverse Ballungszentren liegen auf der Strecke. Beide Karten-Apps erlauben inzwischen die Auswahl der Fahrtzeit für die Routenplanung. Beide Apps greifen auch auf Erfahrungswerte zurück. Während Apple allerdings einen „festen“ Zeitrahmen für die Strecke setzt und alternative, teils deutlich längere Strecken, vorschlägt, meldet Google die optimale Strecke mit der ehrlichen Angabe, dass der Fahrer je nach Verkehrslage ein Zeitfenster von drei bis vier Stunden für die Fahrt brauchen wird, ohne sich konkret festzulegen. Beide Apps aktualisieren zwar während der Navigation laufend die Ankunftszeit anhand der Fahrtgeschwindigkeit, Verkehrssituation und absolvierten Pausen, allerdings macht Google hier in der Praxis oft realistischere Angaben.
Hinzu kommt bei Apple Maps noch die eher lästige Angewohnheit, Sekunden sparen zu wollen: Das Tool wählt oft wegen einer nur geringfügig kürzeren Fahrtzeit eine unnötig komplexe Streckenführung abseits der Hauptstrecke. Das hat den Effekt hat, dass Apple-Maps-Navigierte häufiger die Straße wechseln müssen, möglicherweise von der Autobahn herunter und anschließend wieder hinauf geführt werden. Dazwischen liegen manchmal Landstraßen oder gar enge Nebenstrecken.
Anwender, die mit sperrigen Fahrzeugen wie LKW, Wohnmobil oder gar Wohnwagen unterwegs sind, dürften diese “Ersparnis” bereits ausgiebig verflucht haben. Zur Ehrenrettung muss allerdings ergänzt werden, dass auch Google keine Möglichkeit bietet, ein “dickes” Fahrzeug wie einen LKW oder Anhänger mit Geschwindigkeitsbegrenzung zu hinterlegen: Ist man mit einem solchen Fahrzeug unterwegs, sind Routenplanung und Ankunftszeit Glücksspiel und viel zu optimistisch. Google kann aber zumindest den Motortyp in die Berechnung der Route einplanen – bei Apple gibt es keine Wahl zwischen Benziner, Diesel oder Elektrofahrzeug.
Für Radfahrer und ÖPNV schneidet Apple schlecht ab
Auch für Anwender, die nicht mit dem Auto unterwegs sind, ist Apple Maps im Zweifel die schlechtere Wahl: Wer sich mit Bus und Bahn durch die Stadt bewegt, wird feststellen, dass Google hier bei verschachtelten Strecken oft zuverlässigere Angaben macht. Das hängt auch damit zusammen, dass es hierzulande oft doppelte ÖPNV-Stationen gibt: Zwei Stationen sich kreuzender Linien, die nur wenige Meter voneinander entfernt sind: Hier tut sich Apple mit der Routenplanung deutlich schwerer als Google, das auch erkennt, wenn ein entsprechender Anschluss in Laufweite verfügbar ist. Apple hingegen versucht oft, die entsprechende Transit-Station ebenfalls per ÖPNV zu erreichen, was zu teilweise absurden Ergebnissen führt.


Das Problem gibt es sowohl auf Kurz-, als auch auf Langstrecke im ÖPNV. Dafür schlägt Apple immerhin auch Alternativen wie den eScooter-Verleih vor. Zu Fuß sieht es ähnlich aus: Wer wandern will oder eine Radtour plant, ist mit Apple Maps in vielen Fällen auch nicht gut beraten: Während Google Maps hier oft gute Ergebnisse liefert, versagt Apple Maps für Fußgänger oft schon bei Innenstadtlagen und schlägt nicht selten kuriose Strecken vor. Für Radfahrer kann Apple Maps sogar komplett nutzlos sein: Während Google anscheinend weiß, dass reguläre Straßen ebenso wie Wald- und Wanderwege für Fahrräder geeignet sind, spuckt Apple Maps oft einfach keine oder sehr umständliche Ergebnisse aus.


Wer hat die aktuelleren Satellitenbilder?
Das Satellitenmaterial von Apple ist bei Stichproben hier und da aktueller als das von Google. So hat Apple nach der Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 bereits aktualisiertes Satellitenbildmaterial eingepflegt, das den Status Quo nach der Flut zeigt. Google hingegen verwendet hier noch altes Material. Apples Vorgehensweise ist an dieser Stelle nicht nur aus Gründen der Pietät gegenüber den Flutopfern sinnvoll, sondern auch für Auswärtige, die das Ahrtal besuchen möchten: Große Teile der Infrastruktur wurden hier zerstört, doch wer nicht aus der Gegend kommt, wird die (aktuelle) Streckenführung nicht mit den alten Satellitenbildern von Google in Einklang bringen können.
Stichproben mit weniger katastrophalem Hintergrund zeigen aber, dass sich die Dienste in Sachen Aktualiät nicht viel schenken: Mal ist Google bei den Satellitenbildern näher am Status Quo, mal Apple. So steht das DW-Funkhaus am Raderberggürtel in Köln bei Apple Maps noch in voller Pracht und sogar in 3D, während Google hier bereits die seit 2019 aktive Abriss-Großbaustelle zeigt. Beide Dienste aktualisieren ihr Satellitenmaterial regelmäßig, aber eben nicht immer komplett und auch an unterschiedlichen Stellen. Für User beider Dienste bedeutet das vor allem, dass sie sich bei keinem der Dienste auf das Satellitenbild-Material verlassen sollten: Es kann veraltet sein.


Mangelhafte Interoperabilität nervt
Apple macht es seinen Nutzern aber auch an anderer Stelle nicht leicht: So kann Apple Maps nichts mit Google Maps-Links anfangen – und umgekehrt. Das ist lästig, weil Google Maps nun einmal der Quasi-Standard ist. Bei der Absprache von Treffpunkten mit Google-Maps-Usern nervt das gewaltig: Wer den Google-Link klickt, muss Google-Karten im Browser oder als App öffnen. Umgekehrt muss der Apple-Standort-Empfänger das schmalspurige Browser-Interface von Apple Maps verwenden, denn eine Apple-Maps-App für Android-Geräte gibt es, wie so oft bei Apple, nicht. Wer in Apples Map-Web-Interface auf „Route“ klickt, wird nicht etwa im Browser von Apple zum Treffpunkt geleitet – sondern auf Google Maps weitergeleitet. Das mag pragmatische Gründe haben, wirkt aber letztlich unausgegoren – warum gibt Apple nicht einfach eine Maps-App für Android heraus?
Inzwischen viel Licht – aber auch viel Schatten
Und so bleibt dabei: Trotz aller Updates und hübscher Features wie der 3D-Ansicht und Flyover ist Apple Maps auch nach zehn Jahren Googles Kartendienst nicht gewachsen. Apple Maps ist zwar inzwischen zu einer brauchbaren und vor allem optisch attraktiveren Alternative zu Google Maps herangereift, die an vielen Stellen detailliertere Satellitenbilder und 3D-Ansichten bietet. Im funktionalen Kern der Kartenanwendung allerdings – Funktion, Präzision und Verlässlichkeit – ist Apple Maps dem Google-Platzhirsch nach wie vor nicht gewachsen. Apple Maps ist an vielen Stellen schlicht nicht so „smart“ wie das Produkt von Google!
Trotzdem gibt es durchaus gute Gründe, trotzdem auf Apple Maps zu setzen: Der Kartendienst samt Navigation reicht in vielen Fällen inzwischen für den Alltagsgebrauch in gewohnter Umgebung aus. Und Bedienung und Datenschutz sind auf dem gewohnt hohen Apple-Niveau.