Ab iOS 16.2 (alle Neuerungen im Überblick) soll Freeform Einzug in das Apple-Universum halten. Was Mac-User mit diesem Bonbon des kreativen Schaffens erwartet, haben wir bereits in einem ausführlichen Artikel besprochen. Dass Tablets prädestiniert für die Ausarbeitung von Mindmaps oder ein unkompliziertes Brainstorming sind, haben die Entwickler von Miro schon vor vielen Jahren erkannt. Seit 2011 wird das Online-Whiteboard kontinuierlich erweitert und verbessert – es steht für alle erdenklichen Apple, Android und Windows-Plattformen zur Verfügung.
Bevor wir detailliert auf den gebotenen Funktionsumfang von Miro eingehen, möchten wir auf zwei ganz offensichtliche Vorteile hinweisen: Zum einen ist Miro nicht auf Apple-Geräte beschränkt. Konzeptionell sind Miro als auch Freeform Tools, die auch größeren Teams ermöglichen sollen, gemeinsam an Ideen und Projekten zu arbeiten. Der großzügige kreative Freiraum wird von Freeform bisher durch die auf Apple-Geräte beschränkte Nutzbarkeit eingeschränkt. Mit Miro können Nutzer unterschiedlicher Systeme gemeinsam arbeiten – ein durchaus nennenswerter Vorteil.

Andreas Müller
Zahlreiche Vorlagen laden dazu ein, kreative Ideen zu verwirklichen
Zum anderen sind ein weiterer Vorzug von Miro die vielen verfügbaren Vorlagen. In Freeform beginnt alles mit einem leeren weißen Hintergrund. Hier ist ab der ersten Sekunde mehr Fantasie und Kreativität gefragt, als dem Nutzer lieb ist. Ganz anders bei Miro – die zahlreichen Vorlagen sind in Kategorien wie „Meetings und Workshops“, „Brainstorming und Ideenfindung“ oder „Strategie und Planung“ eingeteilt.
Der Clou dabei ist, dass jede der teils sehr komplexen Vorlagen detailliert erläutert wird. Ausführliche Beschreibungstexte erklären das Konzept hinter jeder Auswahlmöglichkeit. Wurde eine passende Vorlage gefunden, kann diese wahlweise leer oder mit Beispielinhalten übernommen werden. Auf diese Weise vermittelt Miro unterschiedliche Ansätze, wie sich Konzepte, Strategien und Ideen sinnvoll ausarbeiten lassen. Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten und inspiriert dazu, auf vielfältige und innovative Weise kreativ zu werden.

Andreas Müller
Vier Preispläne und hohe Kosten für uneingeschränkte Funktionalität
Bevor es losgeht, muss man sich noch für einen von vier Preisplänen entscheiden. Bedenkt man, dass Freeform schon bald als kostenloses Tool für Apple-Nutzer bereitsteht, steigen die Erwartungen an die kostenlose Miro-Variante. Hier ist man auf drei editierbare Whiteboards und die vorgefertigten Vorlagen beschränkt. Möchte man beispielsweise eigene Vorlagen für die regelmäßige Bearbeitung im Team entwickeln und über unbegrenzte Whiteboards verfügen, werden mindestens Kosten in Höhe von 8 US-Dollar pro Mitglied und Monat fällig. Für viele dürfte sich das dennoch lohnen.
Steigt man in die Bearbeitung des Whiteboards ein, muss man sich zunächst mit der Bedienung vertraut machen. Die Plattformunabhängigkeit wird natürlich dadurch erkauft, dass Miro von den gewohnten iOS- und macOS-Schaltflächen losgelöst ist. Das typische Apple Look & Feel sucht man vergeblich. Intuitive Icons und gute Strukturen verhindern jedoch, dass Miro überladen oder unübersichtlich erscheint. Schon nach kurzer Einarbeitungszeit findet man sich gut zurecht und kann das Tool produktiv nutzen.
Tolle und ausgereifte Features zur umfassenden Whiteboard-Bearbeitung
Grundsätzlich erlaubt Miro das Anlegen, Speichern und Weiterverarbeiten mehrerer Whiteboards. Darüber hinaus gibt es jedoch noch viele weitere ausgeklügelte Funktionen. So lassen sich Teilbereiche des Whiteboards beliebig mit einem Rahmen versehen. Der erlaubt später nicht nur, bestimmte Segmente exakt anzusteuern und zu bearbeiten – die Inhalte der einzelnen Rahmen lassen sich zudem auch als PDF oder JPG exportieren. Alternativ können sämtliche Texte, die sich innerhalb des Rahmens befinden, als CSV tabellarisch extrahiert werden.
Die Inhalte der platzierten Rahmen dienen auch als Folien für den Präsentationsmodus. Ist dieser gestartet, lässt sich per Pfeiltasten oder mit einem Klick auf die entsprechenden Schaltflächen zwischen den gerahmten Teilbereichen des Whiteboards wechseln. Dabei verschiebt sich nicht nur der Bildausschnitt des Whiteboards, sondern es wird auch butterweich auf den entsprechenden Bereich gezoomt. Je nach Komplexität des gesamten Whiteboards ergeben sich dadurch beeindruckende Übergänge, die zu einer sehenswerten Gesamtpräsentation führen.
Automatische Umwandlung von frei gezeichneten Formen
Damit Ideen auf den digitalen Whiteboards ansprechend visualisiert werden, bietet Miro neben dem normalen Zeichenstift auch die Funktion „intelligente Zeichnung“. Dahinter verbirgt sich ein Algorithmus, der handgezeichnete Formen erkennt und ins Reine zeichnet. Aus einem angedeuteten Kreis, Dreieck oder Rechteck werden dann akkurate geometrische Formen. Speziell bei handgezeichneten Pfeilen oder Verbindungslinien ist diese Funktion sehr hilfreich – statt wildem Gekrakel entstehen somit aufgeräumte Skizzen.
Eine Bibliothek vorgefertigter Formen und Symbole (Grundformen, Flussdiagramm, Sprechblasen) hilft zusätzlich dabei, Visionen zu verdeutlichen. Somit muss nicht alles selbst skizziert werden. Schön ist auch die Möglichkeit, vorgefertigte GUI (Graphical User Interface)-Elemente aus der Wireframe-Bibliothek auswählen und platzieren zu können. Auf diese Weise lassen sich ganze Design-Mockups auf dem Whiteboard erstellen und mit dem gesamten Team abstimmen.

Andreas Müller
Diagramme, Tabellen, Mindmaps, Emojis – der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt
Auch Diagramme (Torten, Balken) und Tabellen stehen als vorgefertigte Elemente bereit. Das erleichtert es enorm, grundlegende Daten und Fakten zu visualisieren. Eigene Grafiken lassen sich ebenso leicht ergänzen wie die Emojis des aktuellen System-Zeichensatzes. Dienste wie Google Drive oder Dropbox lassen sich verknüpfen, sodass einzelne Elemente wie Grafiken und Screenshots direkt von dort eingebunden werden können.
Obwohl bereits das Erstellen der Whiteboards mit all seinen produktiven Features ein Highlight ist, spielt Miro seine gesamte Stärke erst im Team aus. Sind mehrere Nutzer zeitgleich verbunden, kann das Whiteboard in Echtzeit bearbeitet werden. Jedes Mitglied wird durch ein kleines Symbol am Bildschirmrand repräsentiert. Auf Knopfdruck springt man zum aktuellen Bearbeitungsbereichs eines Teammitglieds oder führt andere zu seiner eigenen aktuellen Position im Whiteboard. Per parallelem Chat oder Video-Call lassen dabei unmittelbare Absprachen treffen. Letzteres bleibt jedoch den zahlenden Mitgliedern vorbehalten – in der kostenlosen Variante stehen Videoanrufe leider nicht zur Verfügung, aber das lässt sich gegebenenfalls auch mit anderen Diensten wie Teams, Zoom usw. lösen.
Miro oder Freeform? Große Unterschiede in Preis und Umfang
Unter dem Gesichtspunkt, dass Miro die Apple-, Android- und Windows-Welten vereint und ein übergreifendes, gemeinsames Arbeiten ermöglicht, ist es hochinteressant. Zudem wirkt es in vielen Bereich sehr durchdacht und ausgereift. Man merkt der Software an, dass sie sich bereits seit vielen Jahren in der (Weiter-) Entwicklung befindet. Dennoch sind die Einschränkungen der kostenlosen Version nicht unerheblich. Viele interessante Funktionen wie der Video-Chat, Abstimmungen oder eigene Vorlagen sind nur nach Bezahlung verfügbar. Wer lediglich einige Grundfunktionen für die gemeinsame Whiteboard-Bearbeitung benötigt, könnte mit Freeform womöglich besser bedient sein.
Für Power-Nutzer ist Miro sicherlich trotzdem interessant und absolut empfehlenswert. Die Kosten summieren sich bei größeren Teams schnell auf mehrere hundert Euro im Jahr. Dafür kann sich der Funktionsumfang jedoch sehen lassen. Die Synchronisation zwischen den verschiedenen Plattformen funktioniert reibungslos und systemübergreifend. Wer beispielsweise ein Whiteboard auf dem Tablet bearbeitet, kann seine kreative Arbeit auf dem Mac nahtlos fortsetzen. Eine insgesamt tolle Software, deren Komplexität Apple mit Freeform sicher so schnell nicht erreichen wird.