„Ich glaube, neue Produktkategorien werden in Zeiten geboren, in denen ein Thema für uns wichtig ist, aber die Hardware sich nicht gut anfühlt. Der iPod entstand in einer Zeit, in der wir Musik liebten, aber nicht die Hardware, die sie abspielte“.
Jony Ive
Das erzählt uns Jonathan Ive im Rahmen der WIRED-Conference 2022. Ive war Steve Jobs rechte Hand, sein wichtigster Berater und Chefdesigner. „Walkmans, Discmans, das waren merkwürdige, große Plastik-Individuen, die sich klapprig anfühlten und zu groß waren. Man trug sie in der Hand, vielleicht in einer Tasche, sie passten nicht in die Hosentasche. Steve hat uns gefragt: Können wir das besser?

Laut Jonathan Ive hat der iPod so gut in seine Zeit gepasst, weil wir schon immer Musik geliebt haben, aber nicht seine Abspielgeräte. Damals gab es vor allem große, klobige Disc-Player oder USB-Player für illegale Musik, weshalb Apple iTunes gelauncht hat.
Apple
„Wir haben eine neue Kategorie von Musik-Playern geschaffen, weil kein anderer es getan hat. Alle verwendeten große Plastik-Buttons, die man drücken musste. Keiner hatte intuitive UI; ich glaube, der iPod war das erste Musikgerät, das man intuitiv bedienen konnte, ohne hinzusehen. Dank des Drehrads konnte man sehr schnell zu seinem Lieblingssong springen, statt immer und immer wieder einen Plastikknopf zu drücken. Der iPod war auch ein schönes Gerät – mit einem Display, mit hochwertigen Materialien, mit poliertem Edelstahl.“

„Steve hatte eine kindliche Neugier auf die Welt. Er hat den Status Quo nicht akzeptiert, weil dieser ja nur geschaffen wurde von Leuten, die auch nicht intelligenter sind als wir. Daraus sind viele Gerätekategorien entstanden.“
Apple
Im Gespräch mit Vogues legendärer Chefredakteurin Anna Vintour, selbst eine Design-Ikone, spricht Ive natürlich auch über die Zukunft von Produkten, erklärt aber auch, wie es Apple gelungen ist, mit vielen Kleinigkeiten, diese ikonische Marke zu bauen, die Apple wurde:
„Ich erinnere mich an Gespräche vor 20 Jahren mit Größen aus der Musikindustrie, die es absurd fanden, den Kopfhörer als Designsymbol zu glorifizieren – das waren schwarze Stöpsel, die nicht großartig auffallen sollten, wir hingegen tauchten sie in strahlendes Weiß. Weil das kein anderer im Markt hatte, wusste jeder – aha, das ist ein iPod-Nutzer. Apple wurde zum Lebensgefühl.“
Was ist die Zukunft von Wearables: AR-Brillen, Displays auf unserer Haut, etwas anderes?

Apple soll 2023 mit Apple View eine schicke, sehr leichte VR/AR-Brille launchen, von der vor allem alle Firmen, die gerade in das Metaverse investieren, hoffen, dass es VR und Augmented Reality stärker ins Zentrum von Lifestyle-Tech rückt.
Dan Rosario, Fan-Render
„Wenn wir über Design reden in der modernen Welt, dann ist das die perfekte Symbiose aus Hardware und Software. Diese Perfektion gibt es nicht oft, es sind Marker in unserer Technologie-Historie.
Nun möchte wir uns nicht wichtiger machen, als wir sind, aber ich glaube, bei Apple hatten wir das Glück, ein paar dieser Marker setzen zu können – das iPhone als erstes Handy, welches wirklich smart war, ob seines App Stores. Das war revolutionär, weil mobile Telefone bis zu diesem Zeitpunkt nur vorinstallierte Software hatten. Es gab keine Möglichkeit, andere Programme herunterzuladen, das war nicht vorgesehen. Und wenn wir über Wearables reden, war sicherlich auch die Apple Watch so ein Marker.“
„Es gab 2014 andere Smartwatches, die Apple Watch war nicht die erste smarte Uhr. Aber sie war die erste Uhr, die an ein Software-Ökosystem angeschlossen war, wodurch etwa Fitness auf ein neues Level gehoben werden konnte. Was mir immer schon wichtig war, ist, dass ein Produkt nicht einfach nur ein Produkt ist, sondern wirklich schön.
Es macht mich stolz, dass heute Menschen, von denen ich weiß, wie sehr sie handgefertigte Chronographen lieben, auch eine Apple Watch tragen, weil sie ein Designer-Device, edel und schön ist.
Ich glaube, diese Reise steht uns noch bevor in diversen Gerätekategorien – schaue ich mir VR- und AR-Brillen an, sind diese nicht schön, sondern praktisch.“

Vielleicht bringen wir dazu auch nochmal eine Geschichte: Auf der Code-Konferenz haben Apple CEO Tim Cook, Jonathan Ive und Laurene Powell-Jobs, Steve Jobs Frau viele Anekdoten über den Visionär erzählt.
Code
„Ich glaube, wir werden eine Gerätekategorie in nicht allzu ferner Zukunft haben, die unter die Haut geht – es gibt nicht persönlicheres als unseren Körper.
Wird es ein Display auf der Hand sein, welches mit der Haut verschmilzt? Vielleicht, vielleicht auch nur ein Chip, der der Kommunikation dient. Wie großartig wäre ein RFID-Chip unter der Haut, der Türen öffnet? Vielleicht wird es auch eine Kombination mit Smartwatches: Wir nutzen gerne Technologie, möchten sie aber auch ablegen können. Das hat ja auch etwas Befreiendes.“
Was Jonathan Ive an Gesprächen mit Steve Jobs vermisst

Als Brite ist Jonathan Ive viel zu sehr Gentleman, um darauf zu antworten, was Steve Jobs heute von Apple halten würde – ein unglaublich erfolgreicher Mega-Konzern, der aber sehr viel mehr auf Profit ausgerichtet ist, etwas weniger auf Innovation und Design.
Code
„Steve hatte ein Mindset, das immer auf die Zukunft gerichtet war. Er war der Meinung, dass unsere Welt, unsere Regeln, unsere Technologie, unsere Gesellschaften von Menschen geschaffen wurden, die nicht sonderlich viel intelligenter seien als wir selbst. Er glaubte an Fortschritt und hatte mehr Spaß an der Reise zu einem Ziel als dem Ziel selbst. Es war für ihn viel wichtiger etwas Neues zu lernen als richtigzuliegen, was eine Qualität ist, die nicht viele Menschen haben. Wir haben alle gerne recht (er lacht).“
Vogues Chefredakteurin fragt ihn auch, was Steve Jobs über das heutige Apple denken würde…

Ive hat mit Freunden LoveFrom gegründet, eine Design-Agency, die für Apple im Tech-Bereich arbeitet, aber auch gerade an einer Kollektion für Ferrari und sie designt Fashion für Moncler. Wer seine Produkte in Zukunft nutzen möchte, braucht also eine gut funktionierende Kreditkarte.
Ferrari
Apple ist heute ein Mega-Konzern, den viele sicherlich als weniger revolutionär bezeichnen würden. Ein Koloss, der fast drei Billionen US-Dollar wert ist und sich unter der Führung von Tim Cook zum profitabelsten Unternehmen der Erde gewandelt hat.
Cook ist kein Visionär, sondern Ökonom – ein Supply-Chain-Experte, jemand, der gerne hier und da noch mehr Marge rausholt und weniger daran interessiert ist, neue Produktkategorien zu launchen – die Disruption durch das iPad etwa ist lange, lange her.
Die Reise der Apple Watch begann 2014, damals war Tim Cook bereits seit drei Jahren am Ruder. Cook hat erkannt, dass sich im Kleinen, im jährlichen Zyklus sehr viel mehr Geld verdienen lässt: Das iPhone 14 ist wieder ein bisschen besser als das iPhone 13, aber es ist kein revolutionäres Gerät. Mitunter schafft man diese großen Schritte aber noch immer – der M1 war sicherlich als Prozessor revolutionär, wie er rohe Power mit enormer Energieeffizienz paart.
„Ich meine, Steve wäre stolz darauf, was man mit Apple verbindet. Er war kein Zahlen-getriebener Mensch, interessierte sich etwa überhaupt nicht für Börsenkurse und glaubte, dass die Börse eine der Gründe für Stillstand in der Technologiewelt sei. Deshalb standen Zahlen auch nie im Fokus der Kommunikation neuer Produkte, aber er würde lächeln, wenn er Menschen mit ihrem M1-Macbook sieht, wie sie die Arbeit daran genießen, ohne sich über Akku, Wärme oder andere Dinge Gedanken zu machen. Und er würde sich über viele Kleinigkeiten aufregen, weil das hat er immer getan (er lacht).“

Steve Jobs ist als Mensch ganz schwer einzuschätzen. Viele hassten ihn, weil er ein harter Manager war, einer der iPhone-Prototypen an die Wand warf, wenn sie ihm nicht gefielen. Ive hingegen beschreibt ihn als jemanden, mit dem man sehr gut denken konnte.
Apple
„Es gibt in unserem Leben drei Gerätekategorien – das, was wir in unserer Freizeit benutzen und uns einfach nur Freude macht – der iPod wäre so eine Kategorie. Das, was uns Freude bereitet, aber auch nützlich ist im Alltag – das wäre etwa das iPhone oder iPad. Und dann gibt es Produkte, die unsere Arbeit leichter, angenehmer, spaßiger machen – das wäre ein Macbook. Ich habe viele Abende mit Steve zusammengesessen und wir haben überlegt, wie Arbeit mehr Freude bringen kann. Wenn ich an Laptops von vor 25 Jahren denke, dann machten diese keine Freude – sie waren hässlich und schwer. Sie schrien vom Formfaktor her „Büro“ und „Arbeit“, nicht „Kreativität“ und „Freude“. Dort hinzukommen, war ein langer Weg und das ist glaube ich etwas, was die meisten an Kreativität unterschätzen – diese Melange aus Hard- und Software ist aus einer sehr fragilen Idee entstanden. Die hätten viele Firmen direkt wieder verworfen, weil das ein schwieriger, kostspieliger Prozess ist. Aber wir haben daran festgehalten.“
„Steve und ich machten lange Spaziergänge, bei denen wir Ideen jonglierten, oft aber einfach nur zusammen nachdachten. Das vermisse ich am meisten. Es liegt eine unglaubliche Kraft in der Stille in einer Welt, die sehr laut geworden ist. Er lebte mit seiner Frau sehr nah an der Universität von Stanford – wahrscheinlich würde er heute in Vorlesungen sitzen und jeden Studenten fragen, welche Technologie ihr Leben besser machen würde. Und daran dann arbeiten.”
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