Apple ist ein sehr zuverlässiges Unternehmen: Nach iOS-Ankündigungen und iPhone-Keynotes kann man die Uhr stellen – sie finden im September im Laufe der Kalenderwoche 37 und 38 statt. Auch was seine Produkte angeht, verfolgt Apple eine konstante Linie der inkrementellen Verbesserungen, die im Jahresvergleich nichts Spektakuläres versprechen, doch in einer Fünf-Jahres-Perspektive fast schon wie eine Revolution aussehen.
Doch in einem Bereich hat sich eine Konstante etabliert, die anscheinend bald ins Pantheon der unwiderlegbaren physischen Konstanten wie Gravitation oder Lichtgeschwindigkeit aufgenommen werden kann – die Größe des kostenlosen Speicherplatzes.
Wie die Grafik anschaulich zeigt, hat sich der kostenlose iCloud-Speicher seit der Ankündigung 2011 nicht geändert. Zwar suggeriert es eine gewisse Beständigkeit in einer sich immer ändernden Welt, doch wir würden sagen, diese Beständigkeit hat sich nicht zum Vorteil der Nutzer und Nutzerinnen entwickelt. Kurz: In den vergangenen elf, ja fast zwölf Jahren ist die Welt, vor allem die iPhone-Welt eine andere geworden.
iCloud: Stand 2011
Als Apple die iCloud vorstellte, sollte der Dienst vieles besser machen als sein Vorgänger Mobile Me, Mobile Me war unzuverlässig und nicht mehr auf der Höhe der Zeit. iCloud sollte die Probleme davon lösen und neue Möglichkeiten eröffnen. Bei der Vorstellung von iCloud auf der WWDC 2011 schien der Umstieg für alle nur von Vorteil: Für Mobile Me musste man eine Gebühr von 79 Euro pro Jahr zahlen – für zwanzig Gigabyte Online-Speicher, zwar bot (und bietet iCloud) nur fünf Gigabyte pro Apple-ID, doch das völlig kostenlos.
Apple hat erst 2011 den zuvor kostenpflichtigen Online-Dienst in der Basisversion gratis angeboten, die Reduzierung beim Speicher schien da völlig begründet. iCloud hat ein paar alte Zöpfe abgeschnitten und beispielsweise iWeb und iDisk gestrichen. Ok, iDisk wurde mit der Zeit durch iCloud Drive ersetzt, aber die fünf Gigabyte Online-Speicher waren für den Normal-Nutzer, die Normal-Nutzerin vollkommen in Ordnung.
Die Einstiegsspeichergröße der iPhones der Jahre 2011 und 2012 sprang zwar von acht Gigabyte beim iPhone 4S auf 16 GB beim iPhone 5, hielt sich auf dem Niveau noch weitere drei Jahre. Die Größe eines iOS-Downloads betrug kaum ein Gigabyte. Die Kameras waren winzig: Mit acht Megapixeln mussten das iPhone 4S, iPhone 5, iPhone 5S und iPhone 6 auskommen, obwohl das sich nicht auf der Größe der Fotos ausgewirkt hat: Unsere Fotos mit iPhone haben ungefähr eine Größe von 2 MB.
iCloud im Laufe der Jahre
Ähnlich wie die iPhones stand die Entwicklung der iCloud nicht still, immer mehr Daten konnte man über Apples Wolke synchronisieren. Irgendwann mal dockte der Hersteller noch den Mac dazu, mit der Möglichkeit, den Dokumenten-Ordner per iCloud zu synchronisieren. Die privaten Mediatheken der Nutzer wurden auch nicht kleiner, eher umgekehrt. Die ersten Stimmen des Protests regten sich bereits 2014: Unser Kollege Kirk McElhearn beschäftigte sich mit der Frage, warum Apple nur 5 GB freien iCloud-Speicher bietet.
Die Diskussion dauerte seitdem fort, wie hier auf Reddit. Unser Autor Christian Rentrop bezeichnet gar den kostenlosen Speicherplatz bei iCloud als Einstiegsdroge, damit die Nutzer den Komfort von Apple Synchronisierungsdienst schnuppern und in der Zukunft nicht mehr ohne leben können. Aber selbst das stimmt seit einiger Zeit nicht mehr: Neue Nutzer können das Angebot von 5 GB iCloud-Speicher nicht mehr wahrnehmen, weil das allererste Backup sich nicht einstellen lässt und ab Werk auch eigene Fotos mit einbezieht, was die Backup-Größe jenseits von 5 GB befördert.
iCloud im Jahr 2022
Die Unmöglichkeit für Umsteiger gar ein erstes iCloud-Backup zu erstellen zeigt, Apple hat seine eigene Entwicklung verschlafen. Denn nicht nur die iPhones bieten immer mehr Speichergröße. Im Laufe der Jahre hat sich die Einstiegsgröße des billigsten iPhones mindestens um Faktor zehn erhöht: Von acht Gigabyte beim iPhone 4S bis zu 128 GB beim iPhone 13 und 14. Sieht man sich das Muster der vergangenen Jahre an, ist es leicht vorherzusehen, dass in zwei-drei Jahren die Speichergröße wieder steigt – auf mindestens 216 GB beim billigsten iPhone 17 oder 18.
Auch das iOS hat sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Wir haben eine ungefähre Download-Größe jeder iOS-Version seit 2011 auf der Seite IPSW.me nachgeschaut. Die iOS-Größe entpackt und installiert auf dem jeweiligen iPhone dürfte sich noch um weitere Prozentpunkte nach oben unterscheiden: Bei unserem iPhone 11 Pro beträgt die Download-Größe von iOS 16.1.2 6,21 GB, das entpackte iOS nimmt auf dem Gerät 8,6 GB auf.
Mit dem Blick auf die Größe von iOS-Downloads wird klar, dass Apple irgendwann mal zwischen 2018 und 2020 den Zeitpunkt verpasst hat, den kostenlosen iCloud-Speicher an aktuelle Bedingungen anzupassen. 2022 schauen die fünf Gigabyte an kostenloser iCloud wie ein Witz aus. Immer weniger neue Nutzer können so die Dienste ausprobieren, geschweige denn vernünftig anwenden.
Was kann Apple tun?
Was sich bei jedem einzelnen als sehr wenig, ja ungenügend erweist, ist in der Perspektive eines Internet-Riesen, wie Apple das ist, eine Menge an Daten. Wenn wir eine einfache Milchmädchenrechnung erstellen und davon ausgehen, dass die eine Milliarde aktiver iOS-Geräte ebenfalls der gleichen Zahl an einzelnen Apple-IDs entspricht, summiert sich der Speicherplatz für kostenlose iCloud auf fünf Milliarden Gigabytes, oder fünf Tausend Terabytes, oder fünf Petabytes.
Wenn wir im Bereich von Terabytes bleiben, bedeutet das, dass alle kostenlosen iCloud-Kontingente auf 625 Mac Studios oder Macbooks Pro passen, denn die neueren Geräte erlauben die Erweiterung bis zu acht Terabyte Speicher. Selbst wenn man neuere Daten nimmt und von 1,8 Milliarden aktiver Apple-Geräte ausgeht, sind das neun Tausend Terabytes an Speicher, passend auf etwas mehr als einer Tausend neuerer Mac Studios oder Macbooks Pro.
Würde Apple den kostenlosen Speicher verdoppeln, sind die Datenmengen immer noch überschaubar: zehn bis achtzehn Tausend Terabyte muss der Anbieter vorhalten. Eine elegantere Lösung sehen wir darin, dass Apple mit jedem aktiven Apple-Gerät der Apple-ID zusätzliche fünf Gigabyte hinzufügt. Hat der Nutzer beispielsweise ein iPhone und ein Mac im Einsatz, kommt er auf zehn Gigabyte an kostenloser iCloud. Besitzt eine Anwenderin neben einem iPhone noch eine Apple Watch und ein iPad, kann sie über fünfzehn Gigabyte an kostenlosem iCloud-Speicher verfügen. Die fünf GB an freiem iCloud-Speicher sind seit mehreren Jahren nicht mehr zeitgemäß und sind eher ein schlechter Witz als eine ernsthafte Dienstleistung für Nutzer.