Kurze Tage, wenig Sonne und nur sporadischer Aufenthalt im Freien – im Winter bekommt der Körper nur noch wenig Licht. Das verwirrt die innere Uhr, denn das Licht wirkt über die Augen wie ein Zeitgeber, der die biologischen Rhythmen und das Ausschütten von Hormonen im Körper synchronisiert. Als Reaktion darauf schleicht sich bei etwa jedem Fünften der Winter-Blues ein: Die Stimmung kippt, der Hunger auf Kohlehydrate nimmt zu und Phasen der Müdigkeit häufen sich tagsüber.
Doch die innere Uhr lässt sich wieder in Takt bringen. „Hier hilft vor allem Licht, Licht, Licht“, sagt die Expertin für Lichttherapie, Anna Wirz-Justice vom Zentrum für Chronobiologie der Universität Basel. Häufig reicht schon täglich morgens ein halbstündiger Spaziergang in den Morgenstunden – draußen. Auch gesundes Essen, sich verwöhnen und soziale Kontakte bringt die Seele wieder auf Trab, weil es das Fehlen des Glückshormons kompensiert. “Bei den meisten hilft das, den Winter-Blues gut im Griff zu haben”.
Lichtduschen helfen gegen Lichtmangel
Nicht jeder hat die Zeit zum morgendlichen Schlendern. Mittlerweile ist in Untersuchungen gut belegt, dass sich das Lichtdefizit auch durch tägliche Sitzungen vor einer künstlichen Lichtquelle zu Hause ausgleichen lässt.
Dafür erforderlich ist eine geeignete Lampe und die richtige Anwendung. Experten des fachkundigen und unabhängigen „Center for Environmental Therapeutics“ empfehlen eine Lichtstärke von mindestens 7.000, besser 10.000 Lux und Lampen mit einem größeren Lichtschirm. Sie produzieren die gewünschte Lichtstärke auch noch in einigem Abstand. Praktisch ist es zudem, wenn die Lampe so einstellbar ist, dass das Licht von schräg oben kommt: so kann der Nutzer in kurzer Distanz von der Lichtquelle entfernt sitzen und trotzdem während der Therapie arbeiten, lesen, schreiben oder frühstücken, ohne geblendet zu werden. Solche Lichtduschen mit der Zertifizierung als geprüftes Medizinprodukt gibt es schon für unter 100 Euro. Hier empfehlen wir einige Modelle:
Beurer TL100

Das Modell TL 100 von Beurer lässt sich direkt am Gerät bedienen oder mit der „LightUp“-App so weit von der Intensität nach unten drehen und in der Farbe anpassen, dass sie abends auch als Stimmungslicht verwendet werden kann. Das Grundmodell TL 30 ohne App-Bedienung gibt es schon ab 40 Euro.
Medisana LT500

Auch die Medisana LT 500 für rund 75 Euro beherrscht die Anwendungsszenarien Lichtdusche und Stimmungslicht, allerdings nur mit Bedienung direkt am Gerät. Das Einstiegsgerät LT 460 für 50 Euro dient nur zur Tageslichttherapie.
Lumie Halo

Mit 300 Euro deutlich teurer, dafür am schicksten, ist das Modell Halo des englischen Herstellers Lumie, das auch als Stimmungslicht taugt. Das Modell Vitamin L (L für Light) zur reinen Tageslichttherapie kostet rund 130 Euro.
NLT Bright Light Therapy Lamp

Die Lichtdusche des US-Herstellers Northern Light Technologies (NLT) ist die Empfehlung der Lichttherapie-Experten vom Central for Environmental Therapeutics. NLT hat sich auf die Herstellung und den Vertrieb von Lichtduschen spezialisiert. Die Lampe bringt es selbst in 35 cm Entfernung noch auf 10.000 Lux, ist stabil, höhenverstellbar, hat 7 Jahre Garantie und schneidet in Tests sehr gut ab. Für den Betrieb in Deutschland braucht es nur einen simplen Adapter für die Steckdose. Die NLT-Lichtdusche kostet rund 190 US-Dollar plus 140 US-Dollar Versand.
Lindernde Wirkung nach wenigen Tagen
Zur welcher Zeit am Tag die Lichttherapie am besten wirkt, ist individuell unterschiedlich. Da die negativen Gefühle besonders morgens auftreten, wirkt die Lichttherapie bei vielen Nutzern am Morgen am effektivsten. Wer jedoch abends recht früh müde wird und sehr früh aufwacht, kann seine Lichtdusche auch auf den Nachmittag verschieben. Wichtig ist, dass die Maßnahme regelmäßig und täglich zur gleichen Zeit durchgeführt wird. Bei manchen setze die Wirkung dann schon nach wenigen Tagen ein, bei anderen kann es auch schon mal 1–2 Wochen dauern, so Wirz-Justice. Wer für die künstliche Lichtdusche mal keine Lust oder keine Zeit hat, könne aber auch mit der natürlichen Variante abwechseln und einen morgendlichen Spaziergang unternehmen. Für einige reiche auch eine zeitweise Lichttherapie aus. „Wenn ein guter Zustand erreicht ist, kann man wieder damit aufhören, oft reicht es dann sogar für den Rest der Saison“, so Wirz-Justice. Andere müssen die Lampe den ganzen Winter durch benutzen.
Richtig angewendet sind Nebenwirkungen der Lichttherapie eher selten: Irritationen der Augen, Reizbarkeit, Kopfscherzen oder Übelkeit lassen nach wenigen Tagen nach oder wenn die Dauer reduziert wird. Besteht eine Netzhauterkrankung, sollte man vorher den Augenarzt konsultieren. Manche Herzmedikamente, Allergiemittel, Entzündungshemmer oder Antidepressiva können die Lichtempfindlichkeit der Haut erhöhen und vor der Lampe zu einem Sonnenbrand führen.
Auch Lichtwecker helfen gegen den Blues
Ob auch die beliebten Lichtwecker, die im abgedunkelten Schlafzimmer den Sonnenunter- und Sonnenaufgang simulieren und dadurch abends sanfter einschlummern lassen und morgens wecken sollen, einen positiven Effekt bei Winter-Blues haben, ist im Gegensatz zur Lichtdusche wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt. Wissenschaftlich gute Studien, die dafür einen Nachweis lieferten, fehlen bislang. Unbestritten scheint, dass die Wecker simuliertes Tageslicht auch durch das geschlossene Augenlid bringen können. Ihre Lichtstärke liegt bei den meisten Geräten nur bei 300 Lux und ist damit deutlich niedriger. Dafür ist die Verweilzeit je nach Einstellung länger, denn ein Lichtwecker steigert im Zeitraum von einer bis zweieinhalb Stunden vor der programmierten Aufwachzeit die Lichtstärke von Dunkel bis auf das Maximum. Möglicherweise reicht diese Lichtmenge, zusammen mit regelmäßigem Aufenthalt draußen bei mildem Winter-Blues.
Lumie Bodyclock Shine 300

Die Lichtwecker von Lumie sind allesamt zertifizierte Medizinprodukte. Das Produkt Bodyclock Shine kostet rund 140 Euro. Die Bedienung erfolgt ausschließlich am Gerät selbst.
Beurer WL75

Der Lichtwecker WL 75 von Beurer (90 Euro) weckt mit bis zu 2000 Lux, das kleinere Modell WL 50 (55 Euro) mit bis zu 800 Lux. Die Bedienung erfolgt mittels App.
Wann Sie besser doch zum Arzt gehen sollten
Bei etwa zwei von hundert Menschen steckt hinter dem Winter-Blues allerdings eine saisonale Depression. Sie ähnelt dem Winter-Blues, die Symptome sind aber stärker. Hinzu kommt nachlassende Lebensfreude und wenig Interesse am Tagesgeschehen. Das behindert das soziale Miteinander in der Familie und im Büro. Dann ist ein Arztbesuch angeraten. Die Therapie ist ähnlich wie beim Blues, sollte aber konsequent und kontinuierlich befolgt werden. Eine halbe Stunde am Morgen vor der Lampe sitzen ist die Therapie der Wahl, die laut Studien genauso gut aus dem Loch herausführt, wie die mit Nebenwirkungen behafteten Antidepressiva. Hilft Licht alleine nicht ausreichend gut, könne der Arzt vorübergehend auch ergänzend ein Antidepressivum geben.
Apps fürs gute Gefühl: Meditation und Atemübungen
Apps wie 7Mind, Headspace oder Balloon können dagegen mit bewährten Methoden wie Meditation, Achtsamkeit- und Atemübungen beim Abschalten und Entspannen sowie gegen Stress mithelfen, das Blues-Karussel zu verlangsamen. Apps wie MindDoc oder MindShine dagegen dokumentieren das Wohlbefinden des Nutzers und sollen herausfinden, wann er sich schlecht fühlt und was ihn glücklich macht.
Die Sleep-App der Apple Watch oder auch externe Apps wie Sleep Cycle messen die Schlafqualität und liefern Hinweise, wo der Schlaf durch den Blues möglicherweise nicht optimal ist und wie man wieder zum erholsamen Schlaf zurückfindet. Schließlich helfen Apps wie KptnCook oder Kitchen Stories dabei, sich gesund, ausgewogen und abwechslungsreich zu ernähren: wichtig sind u.a. Vitamin-D-haltige Lebensmittel wie Käse, Fisch oder Pilze, Gewürze wie Chili, die den Kreislauf in Schwung bringen oder Ingwer für das Immunsystem, sowie viel Obst und Gemüse wegen der Vitamine.
Playlists gegen den Blues
Klar ist: Alles, was wir erleben, sehen, riechen, aber auch hören, beeinflusst unsere Hirnaktivität. So funktioniert es auch mit der Wirkung von Musik. Sie bewirkt, dass Nervenzellen in gewissen Rhythmen angeregt werden: langsame und tiefe Klänge regen die Nervenzellen eher dazu an, langsamer ihre elektrischen Signale abzufeuern, das hilft beim Einschlafen.
So erzeugen gemeinhin Songs mit 140 bis 150 Beats pro Minute und in Dur-Tonarten, die inhaltlich zudem ein positives Ereignis beschreiben oder einfach nur gute Laune vermitteln, positive Stimmung. Hierzu gehören beispielsweise “Dancing Queen” von ABBA, “Girls Just Wonna Have Fun” von Cyndie Lauper oder “Good Vibrations” von den Beach Boys. Alle Musik-Streamingdienste wie Apple Music, Deezer, Spotify & Co bieten entweder von ihren eigenen Musikredakteuren kuratierte Playlists dazu an oder man stellt sich selbst Wohlfühl-Playlists zusammen, um sie dann unterwegs oder zu Hause abzuspielen, wenn der Blues kommt. Allerdings hilft hier nur ausprobieren, denn tatsächlich berichten auch viele Betroffene, dass Ihnen Klassik oder sogar etwas Blues aus dem Blues hilft.
Bewegung tracken für mehr Motivation
Eine Smartwatch oder ein Fitness-Tracker können dagegen zu mehr Bewegung im Alltag motivieren, vor allem an der frischen Luft. Das fährt die Produktion des träge machenden Melatonins herunter und es fördert die Produktion der Glückshormone. Die Apps dokumentieren, wie lange und wie viel man sich am Tag bewegt. Wer das iPhone immer bei sich trägt, kann auch darüber seine zurück gelegten Schritte ablesen. Zwar haben sich die 10.000 Schritte pro Tag mittlerweile als Werbegag erwiesen. Neuere größere Studien liefern aber Hinweise, dass täglich zwischen 6.000 und 10.000 zurückgelegte Schritte das Risiko für einen Diabetes oder frühzeitigen Tod deutlich reduzieren können. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt dagegen eher pro Woche 150 bis 300 Minuten moderates Ausdauertraining oder 75 bis 150 Minuten intensives Training. Das erhöhe neben dem gesundheitlichen Benefit auch Fitness und Ausdauer. Die Apple Watch und die meisten Fitness-Tracker enthalten mittlerweile Motivationsfunktionen und die Möglichkeit, seine erreichten Ziele mit Freunden gegenseitig zu messen. Andere Apps wie „Seven: 7 Minuten Workout“ versuchen einfache aber effektive Bewegung und Übungen in den Alltag zu integrieren.