Unsere Wertung
Pro
- Leicht
- Verzögerungsfreie Motorunterstützung dank Drehmomentsensor an der Kurbel
- Vier Unterstützungsstufen inklusive Turbomodus
- Schickes Design
- GPS und eSIM für Navigation und Geofencing mit Alarm
- ARES-System für mehr Sicherheit bei Dunkelheit
Kontra
- Ständer, Schutzbleche, Gepäckträger und Schloss nur gegen Aufpreis
- Kleine Fehler in der App, besonders bei der Navigation
- Nur eine Übersetzung – schneller als 25 km/h nur mit sehr hoher Trittfrequenz
- Relativ geringe Reichweite
Fazit
Das Urtopia Carbon One macht vor allem in der Stadt Spaß, dafür ist die Reichweite von 40 bis 100 Kilometern ausreichend. Aber auch bei leerem Akku lässt sich das leichte E-Bike gut fahren, wenn auch nicht besonders schnell. Beeindruckend sind die Sicherheitsfunktionen. Die App lässt noch ein paar Wünsche offen, zumindest in der von uns getesteten iOS-Version.
Gerade einmal 15 Kilo soll das Carbon One von Urtopia wiegen, verspricht der Hersteller, ein Rahmen aus Karbon anstatt Aluminium oder gar Edelstahl sei der Hauptgrund dafür. Nach dem Zusammenbauen stellen wir das Rad auch gleich auf die Waage – tatsächlich bestätigt unsere etwas ungenaue Messung den Wert. Unser Sportrad wiegt samt Fahrradschloss kaum weniger.
Lieferumfang gefällt – Zubehör extra
Das Urtopia kommt mit dem für die Endmontage notwendigen Werkzeug in einer Rahmentasche und sogar mit einer kleinen Fußpumpe für die Autoventile (genauer: Schraderventile). Laut Bedienungsanleitung sollten vier Bar Druck ausreichen, in den Tutorial-Videos des Herstellers, die kaum Fragen offen lassen, sind vier bis sechs Bar empfohlen. Bei unserem Gewicht und der robusten Fahrweise sind sechs Bar auch eher das richtige Maß, die mitgelieferte Pumpe schafft aber nicht mehr als vier. Wenigstens kommt man damit zur nächsten Pumpstation, hat man selbst keine passende Fußpumpe.
Das geringe Gewicht ist auch durch fehlendes Zubehör bedingt: Es fehlt ein Ständer – einen Seitenständer gibt es als Zubehör gegen Aufpreis beim Hersteller – und Schutzbleche sowie Gepäckträger, die man ebenfalls gleich bei der Bestellung oder später mit ordern kann. Oder man wendet sich an den Fahrradhandel des Vertrauens – der wird früher oder später ohnehin die Wartung übernehmen müssen, wenn er es denn will. Auf seiner Website nennt Urtopia zwar die nächsten autorisierten Dienstleister, in unserem Fall sind das zwei Betriebe im Osten der Stadt – wäre im Ernstfall wenig hilfreich.
Wobei man eine Sache, den man sonst gerne Leute vom Fach erledigen lässt, aus Gründen der Bauart vergessen kann: weder muss man die Schaltung einstellen noch die Kette wechseln (lassen) – denn das Urtopia setzt auf einen Zahnriemen. Diese Technik ist wesentlich wartungsärmer als die mit Kette auf den Zahnrädern, der Hersteller verspricht eine Haltbarkeit von 30.000 Kilometern. So weit sind wir im Test noch nicht gefahren, aber wir wissen: Zahnriemen niemals ölen, nur mit Wasser reinigen.
Eine Frage der Einstellung: Auch für große Leute geeignet
Etwas irritiert uns beim Zusammenbau das Sitzrohr – es ist nicht vorhanden. Die Sattelstange stecken wir in eine spitz zulaufende Öffnung im Oberrohr, die Befestigung geschieht nicht mit einer Schelle, sondern übernimmt eine Inbusschraube, die in eine Klemme im Inneren des Rohrs greift. Egal, der Sattel hält und ist auch gerade so auf unsere Größe (1,95 Meter) einzustellen. Für die Testfahrten setzen wir ihn ein klein wenig niedriger, der Lenker ist nicht höhenverstellbar.
Dafür besteht er aber auch aus einem Karbonteil, darin eingelassen ist links ein Wippschalter und rechts der Ein-/Ausschalter, der unterwegs auch als Klingel dient. Und der einen Fingerabdrucksensor integriert hat, so können wir das Fahrrad auch ohne App auf dem iPhone entsperren – also, sobald wir keine Handschuhe mehr brauchen. Das funktioniert zwar nicht immer auf Anhieb, klappt aber meist nach wenigen Versuchen.

Peter Müller
Mit der App schnell eingerichtet
In den Lenker eingelassen ist auch der zentrale Fahrradcomputer: Dessen Display zeigt unterwegs vor allem die aktuelle Geschwindigkeit, den Ladestand des Akkus und die Unterstützungsstufe an, im Navigationsbetrieb noch den Richtungswechsel und die Wegstrecke dorthin, aber dazu später mehr. Die App verwaltet die gefahrenen Kilometer, die aufgezeichneten Strecken und hilft bei der Navigation. Vor allem verknüpft man das Smartphone mit dem Fahrrad, was über einen QR-Code geschieht, den das Display am Lenker anzeigt.

Peter Müller
In der Anwendung finden wir auch Tutorials oder die Möglichkeit, uns mit anderen Urtopia-Lenkern zu vernetzen und Touren zu teilen. Außerdem gibt es hier wesentliche Sicherheitsfunktionen: Denn stellen wir das Rad irgendwo ab, können wir einen virtuellen Zaun um den Standort ziehen. Verlässt es den eingezäunten Bereich, gibt es Alarm. Der geht auch los, wenn das Rad außerhalb Bluetooth-Reichweite im entsperrten Zustand bewegt wird – muss man in der App aber zuvor aktivieren. Man sollte sich besser nicht allein darauf verlassen, sondern besser ein gutes Schloss mitführen. Eine Vorrichtung dafür oder für einen Flaschenhalter fehlt indes – passendes Zubehör zum Anschnallen findet man im Urtopia-Shop.
Die erste Fahrt: ein gutes Gefühl
Wie erwähnt, treibt ein Zahnriemen das Fahrrad an, auf eine Nabenschaltung verzichtet es, sondern setzt allein die Unterstützung des Hinterradmotors ein. (Nabenschaltung und Hinterradantrieb ist prinzipiell möglich, Bafang hat 2021 einen solchen Motor vorgestellt, aber das ist hier nicht entscheidend). Der Drehmomentsensor sitzt beim Carbon One im Tretlager, was eine unmittelbare Reaktion des 250-Watt-Motors nach sich zieht. Beim Anfahren greift er noch während der ersten halben Umdrehung der Kurbel, das recht sanft, aber bestimmt. Besonders in den höheren Stufen, davon gibt es neben dem reinen Pedalbetrieb (Stufe 0) noch drei weitere, die wir am linken Schalter rauf und runterschalten. In der Anleitung etwas versteckt wird auch erklärt, wie man die fünfte Stufe oder den Turbomodus einschaltet: mit einem längeren Druck auf einen der Schalter up/down auf der linken Seite. Das verhindert die versehentliche Aktivierung, was auch gut so ist, denn der Turbomouds packt ordentlich zu. Im Spätwintergegenwind oder die Brücke hoch, einfach zügig weiter treten und das Radl gibt Vollgas, bis zu 25 km/h. Nur an der Rampe der Tiefgarage scheitern wir, da fehlt aber Anlauf.
Wie akkurat und sanft die Unterstützung greift, erleben wir auf der Trainingsrunde im Gegenwind: Sind die 25 km/h erreicht und wir können kurz noch schneller fahren, bremst uns der Wind fast sofort wieder unter die gesetzliche definierte Grenze, sodass der Motor wieder Drehmoment drauf geben darf. Das passiert aber nicht ruckartig, es fühlt sich wie ein sanftes Schaukeln gegen den Wind an – sehr schön.
In der Gegenrichtung erkennen wir aber das Manko der Bauart mit nur einer Übersetzung. Sehr viel mehr als diese 25 km/h bekommen wir nicht hin, irgendwann lässt es sich nicht noch schneller strampeln. Tags darauf an der gleichen Stelle mit dem Sportrad ohne Motor: Locker 40 km/h bei der höchsten Übersetzung. Dafür ist der Weg gegen den Wind eine Qual.
Wo soll ich denn hin? App braucht noch Verbesserungen
Das Fahrrad hat einen GPS-Chip implantiert, sonst würde das mit dem Geofencing nicht funktionieren. Aber auch eine mobile Internetverbindung ist an Bord, für Services wie den Bewegungsalarm, die KI für die Sprachsteuerung (etwa: „Licht an!“) und die OTA-Updates der Firmware. Die eSIM ist nach Kauf für ein Jahr freigeschaltet, jedes weitere Jahr kostet 35 Euro, fairer Preis.
Leider hat die App noch einige Mankos, wie wir beim Testen der Navigation feststellen. Denn das Ziel finden wir nicht in der App. Wir haben eine bestimmte Straße gesucht, aber darin sind allenfalls Points of Interest verzeichnet, darunter wenigstens eine Wirtschaft in der Nähe des nahen Ausflugsziels – und für einen zweiten Test, die unseres Büros in München am Olympiapark. Davon abgesehen funktioniert die Navi, die auf Google Maps basiert, wirklich sehr gut: Sie findet nicht nur Fahrradwege, sondern berechnet die Strecke sehr schnell neu, schlagen wir eine alternative Route ein. Ebenso bekommen wir auf dem iPhone-Display Bescheid, wenn wir angekommen sind.

Peter Müller
Das leider nicht auf dem Lenker-Display, dort sehen wir aber rechtzeitig, wann wir wohin abbiegen sollten. Aber was sehr gut gefällt: Abbiegehinweise kündigen sich mit einer Vibration des Lenkers an. Doch stellen wir fest, dass die App nicht immer so funktioniert, wie wir uns das vorstellen. Bei einem Versuch gelingt keine Verbindung mit dem Lautsprecher, die Richtungsansagen quäkt das iPhone in die Jackentasche. Ein andermal findet das iPhone den Lautsprecher und wir könnten unterwegs sogar Musik hören. Dann gibt es aber keine Vibrationen am Lenker. Es könnte sich um eine Einstellungssache handeln. Was aber wirklich stört: Die Bluetooth-Verbindung müssen wir stets neu aufbauen. Geht zwar schnell, aber gerade im ausgehenden Winter lassen wir das iPhone lieber in der Jacke, wenn wir das Radl schon per Daumenabdruck entsperren können. Die App ist ständig in Weiterentwicklung, so stufen wir die Bugs als verzeihlich ein.
Anständiger Abstand dank ARES – bestes Feature
Ein interessantes Feature, das auch seine Wirkmächtigkeit zeigt, obwohl es die Straßenverkehrsordnung nicht vorschreibt, ist das ARES-System (Advanced Rear Early-Indication System). Wir haben keinen Blinker am Rücklicht, dürften uns auf diesen auch nicht für die Richtungsanzeige verlassen, sondern müssen die Hände benutzen. Die Lösung von Urtopia ist einfach und genial: Das Rücklicht projiziert zwei Dreiecke auf den Asphalt links und rechts neben uns, wie Positionsleuchten von Schiffen und Flugzeugen in unterschiedlichen Farben, Weiß und Gelb statt Rot und Grün. Ist die Navigation aktiviert, blinkt die rechte oder linke Positionsanzeige, bei freier Fahrt können wir selbst am Lenker den „Blinker“ setzen – dann aber bitte das Handzeichen nicht vergessen.
Mit den Lichtern auf den Boden sind wir in der Dämmerung und nachts optisch verbreitert und das Wunder wird wahr: Selbst auf der nicht besonders breiten Vorortstraße überholen uns Autos im Sicherheitsabstand. Ein jedes Fahrrad sollte ein solches Feature haben!

Peter Müller
Das gerne auch tagsüber, dazu müsste das Licht aber so hell leuchten, dass der 9,8 Ah Ladung fassende Akku sich noch früher leert. Der Hersteller gibt eine Reichweite von 40 bis 100 Kilometern mit einer Ladung an, je nach Fahrweise und -strecke. Wir haben den Akku in etwas mehr als 30 Kilometern fast leer bekommen, hatten aber auch zeitweise den Turbomodus gezündet und auf der Rückfahrt dauerhaft das Licht brennen. Tagsüber in der Ebene, bei wenig Wind und nur dezenter Unterstützung können etwas leichtere Fahrer die 100 Kilometer durchaus erreichen. In etwas mehr als zwei Stunden ist der Akku mit dem mitgelieferten Ladegerät wieder voll.
Die Zuladung sollte nicht mehr als 110 Kilo wiegen, schreibt der Hersteller. Vielleicht fehlen auch deshalb Ständer und Gepäckträger, zum Wochenendeinkauf nimmt man besser ein robusteres (Lasten-)Rad. Nur behauptet der Hersteller eben auch an keiner Stelle, das Urtopia sei ein Fahrrad für Treckingtouren oder gar die Berge. Es ist eben ein sehr schickes, elegantes und schnelles Stadtrad mit sinnvollen Features.
Fazit: Leichtes E-Bike für urbane Utopisten in hübschem Design
Das Urtopia macht Spaß, vor allem in der Stadt. Für längere Touren über Land ist es mangels Reichweite nur bedingt geeignet. Es sei denn, man fährt die meiste Zeit ganz ohne Unterstützung oder nur mit dezenter. Das geringe Gewicht von etwa 15 Kilogramm macht das möglich. An der App muss der Hersteller noch arbeiten, die Projektionen auf die Straße, die das Rad optisch verbreitern, sollten andere Anbieter bitte dingend für ihre Fahrräder mit und ohne Motor lizenzieren. Den Preis von 3.300 Euro ohne Zubehör halten wir angesichts des geringen Gewichts, der smarten Funktionen und des schicken Designs für angemessen.