Es ist nun 22 Jahre her: Am 24. März 2001 wollten wir unsere Macs buchstäblich abschlecken – alle Hygieneregeln missachtend. So hatte es fast 15 Monate zuvor Steve Jobs bei der Vorstellung des neuen Mac-Betriebssystems versprochen: Die bunt-transparent-verspielte Oberfläche Aqua sei so, dass man sie am liebsten mit der Zunge berühren wollte: “You wanna lick it”.
Die Public Beta (kostete 49 US-Dollar oder 79 Mark! Ja, Mark …) gab es dann erst acht Monate später zu kaufen und im März 2001 war Mac-OS X – wie es damals hieß – endlich fertig. Nun ja, in Version 10.0 mit all ihren Macken und Unzulänglichkeiten, die schon ein halbes Jahr später das erste Wartungsupdate erforderten, für das Apple auch noch eine Schutzgebühr von 29 US-Dollar oder 49 Mark verlangte.
Der Preis des finalen Mac-OS X ließ aufhorchen – und löst heutzutage Staunen aus: 129 US-Dollar – 329 Mark. Das war zwar wesentlich übersichtlicher als die dutzenden von unterschiedlichen Preise all der Windows-Varianten, aber dass wir für ein neues Betriebssystem zahlen wollten, das ist schon lange her. An Neuheiten pries Apple das Unix-Fundament, den auf PDF basierende Grafiklayer Quartz und die spektakulären Spiele, die das neue System auf Grundlage von Open GL erlaube.
An der Aqua-Oberfläche war noch einiges mehr geboten: Quicktime für Audio- und Videostreaming, Java 2 und die neue Carbon-API für Programme, die auf alle neuen Techniken zugreifen wollten. Klassische Mac-Software musste sich der Classic-APIs bedienen. Das klingt nicht nur kompliziert, das war es auch. Die nachfolgenden Wechsel von PPC auf Intel und nun der von Intel auf ARM waren weit einfacher zu bewerkstelligen, mit einer Übersetzungsschicht auf Systemebene. Das klassische Mac-System und Mac-OS X waren aber nicht wie unterschiedliche Sprachen, sondern wie unterschiedliche Kommunikationsformen.
Mit dem ersten Mac-OS X stellte sich Apple einer gewaltigen Herausforderung – und kam im März vor 22 Jahren an einem wichtigen Punkt einer Reise an, die schon Jahre zuvor begonnen hatte. Das in eine Sackgasse manövrierte Mac-Betriebssystems musste Cupertino aufgeben und eine moderne und skalierbare Betriebssoftware für allerlei Geräte finden. Dabei sollte aber auch der für Apple berühmte “Ease of use” erhalten bleiben. Die Kundschaft wollte die Rechner schließlich nicht mit Kommandozeilen bedienen müssen.
Mac-OS X musste daher nicht nur wegen der klassischen Programme Kompromisse eingehen, den späten Nachfolgern macOS Ventura, iOS 16, iPadOS 16, tvOS 16 und watchOS 9 ist zwar das Unix-Fundament gemeinsam, aber passen so genau zu den entsprechenden Geräten, dass man ihre Verwandtschaft kaum noch erkennt.
Fast fünf Jahre hatte es gedauert, von der Entscheidung, Steve Jobs mitsamt seiner Firma NeXT und ihrem Betriebssystem NeXTStep (zurück) nach Cupertino zu holen, bis zum Release des ersten Unix-Systems für Apple-Produkte. Das lässt gewisse Rückschlüsse zu, auf die weiten Wege und Umwege, die Apple ging und gehen musste. Die schlimmsten Irrpfade hatte man aber schon verlassen, Begriffe wie “Copland”, “Tangent” oder “Pink” markieren dessen Ränder.
Kurz vor der letztlich goldenen Entscheidung für NeXT war auch BeOS von Jean-Louis Gassées Firma Be Inc. ein heißer Kandidat. Wer weiß, mit welchen Systemen und Geräten wir uns heute herumplagen müssten, wäre es so gekommen. Und ob es Apple dann überhaupt noch gäbe?