Macwelt wünscht einen guten Morgen!
Der letzte Mittwoch im März gilt seit 2008 als Document Freedom Day (DFD) – oder sollen wir besser sagen, galt? Denn anders als in den Vorjahren sind uns keine Pläne über konkrete Aktionen oder Preisverleihungen bekannt. Ins Leben gerufen hatte den Aktionstag die Free Software Foundation Europe. Der Gedanke dahinter: Digitale Dokumente aller Art sollten offenen Standards gehorchen, sodass sie von beliebigen Maschinen gelesen werden könnten. Das solle sich nicht nur auf Texte und andere Büro-Dokumente beziehen, sondern auch auf Bild-, Film- und Musik-Dateien.
Besonders vorbildliche Unternehmen bekamen einen Kuchen überreicht, und man kann leicht erahnen, dass es kein Apple Pie war. Denn wenn auch Apple gewiss nicht der Softwarehersteller mit den strengsten Inkompatibilitäten ist, so ist Cupertino ebenso wenig ein Vorbild. Nicht nur beim Weglassen von Hardwareschnittstellen (ADB, Firewire, Audio) ist Apple konsequent, nicht selten schneidet es Programmversionen voneinander ab. Das beobachtet man insbesondere bei den iWork-Programmen Pages, Numbers und Keynote, die etwa zur Zusammenarbeit verschiedener Personen immer auf dem gleichen Stand sein müssen. Wenn aber nun ein Mac, ein iPad oder ein iPhone zu alt für das aktuelle Betriebssystem geworden ist – nun ja, Pech gehabt.
Nicht, dass wir Apples Begründungen nicht nachvollziehen könnten, für die maximale Anwendererfahrung braucht es auch die neuesten Softwareversionen und die setzen unter Umständen eben aktuelle Hardware voraus. Ärgerlich ist die Sache aber schon, auch wenn die Sache schon mal schlimmer war.
Wir erinnern uns noch mit Grauen, wie wir versuchten, auf „IBM-kompatiblen“ Computern erstellte Dokumente auf dem Mac zu öffnen und weiter zu bearbeiten und umgekehrt. Wenn darin mehr stand als Text in Einheitsgröße 12 Punkt Courier, wurde es schon schwierig.
Formate wie .doc und .xls sind zum Quasistandard geworden, das berücksichtigen auch Apples Programme und konvertieren munter hin und her – mit nur noch kleineren Problemen. Die Idee von proprietären Formaten, die andere Hersteller lizenzieren müssten, hält die Free Software Foundation Europe für eine ganz schlechte. Das sei ja so, als müsste man Englisch lizenzieren, wenn man es sprechen und schreiben wollte.
Der Vergleich hinkt natürlich, in der Informationstechnologie sind Standards wichtig. Menschen verstehen auch schlampig gesprochenes und geschriebenes Englisch, Computer sind noch zu doof dafür. Immerhin sind moderne Standards wesentlich weiter gefasst, man denke nur an Matter. Im smarten Heim bestand bisher jeder Hersteller auf seine eigenen Technologien und eine Sprache, die nur Geräte verstanden, die speziell auf diese ausgerichtet waren. Interoperabilität wird so nur schwer möglich – außer man einigt sich auf einen neuen gemeinsamen Standard.
Matter wird so nicht wie eine Übersprache funktionieren, die alle alten Geräte auch verstehen, denn es setzt auch noch eine neue Übertragungstechnik voraus, Thread. Einige bereits früher verkaufte Geräte haben einen passenden Chip an Bord und müssen nur noch per Firmwareupdate frei geschaltet werden, andere Geräte bekommen neue Auflagen.
Nur gibt es weitere Verzögerungen. Während etwa Eve nach und nach neue Matter-Hardware bringt, reißt Philips mit seinen Hue-Produkten die selbst gesetzte Deadline kurz vor dem Erreichen und verschiebt seine Matter-Pläne. Belkin hingegen hat sich sogar eine Denkpause verordnet und evaluiert neu, was denn Matter bringen könnte und sollte.
Und unsereins steht eben weiter verzweifelt vor dem schlauen Lautsprecher und probiert gerne mal alle möglichen Anreden durch: „Hey Siri, äh, Alexa.. ok, Google…“ Vielleicht fällt auch deshalb der Document Freedom Day aus: Es ist einfach sehr kompliziert.