Der Autor dieser Zeilen war (es fühlte sich zumindest so an) einmal kämpferisch an der Mac-”Front” bei den längst verblichenen Macguardians (leider ist jetzt auch das Archiv des Fanzines mit einigen der alten Artikel geschlossen, über den Abschied damals Maclife). Das Motto war: ”Fight Back for the Mac”. Wo der ”Feind” stand, war klar: Microsoft aus Redmond.
Die Macguardians haben das Unternehmen fast nur mit ”$” (US-Dollar) geschrieben: Micro$oft. Ein bisschen peinlich, dass Apple nach der Rückkehr von Steve Jobs im Jahr 1997 nur mit der Unterstützung von Microsoft finanziell überleben konnte. Und dass ausgerechnet der Internet Explorer auf dem Mac damals sehr innovativ und komfortabel war – und unter Mac-OS X bis zur Ankunft von Safari im Januar 2003 sogar der Standardbrowser.
Aber Ernst beiseite – es gab genug Gründe, verbal gegen Microsoft zu schießen. Und natürlich vor dem Apple-Switch auf Intel (”Wintel”, hieß es abfällig zur üblichen Kombination aus Intel und Windows). Dies war auch einer der Gründe, der einen Spalt in die bis dahin recht eingeschworene Mac-Community gehauen hat.
So ”schlimm” sind Microsoft und Windows vielleicht doch nicht?
Dennoch habe auch ich selbst, vor allem aus Kompatibilitätsgründen, ausgiebig von Windows-Desktops und -Laptops Gebrauch gemacht. Während man Windows 95 und 98 gefühlt alle paar Wochen komplett neu installieren musste, hat sich das in der Zwischenzeit deutlich geändert. Auch die Kompatibilität zwischen den Systemen ist heute eine ganz andere und lässt sich meist ohne zusätzliche Tools und Konvertierungsprogramme leicht bewältigen.
Microsoft Office war ohnehin schon immer der Platzhirsch für professionelle Büroarbeit, auch auf dem Mac. Und das ist im Grunde trotz einiger Bemühungen der Konkurrenz so geblieben.
Microsofts Geschäftsmodell inzwischen sehr Cloud-basiert
Mittlerweile hat Microsoft neue Geschäftsmodelle entdeckt, ist vor allem in der Cloud sehr stark. Windows und Office sind geblieben, dazugekommen sind feine Hardware-Geräte für Windows, insbesondere die Surface-Pro-Convertibles. Außerdem Tastaturen, Mäuse und vieles andere, was man teilweise auch auf dem Mac gut benutzen kann.
Lediglich bei den Tablets (bei denen Bill Gates sehr früh die Wachstumschancen propagierte, siehe z.B. hier,) und vor allem den Smartphones musste Microsoft ebenso wie bei MP3-Playern (”Zune”) letztlich aufgeben. Auch der lange Zeit berühmt-berüchtigte Internet Explorer für Windows ist längst Geschichte.
Edge-Browser mit immer mehr Features
Lange tat sich Microsoft mit einem neuen eigenen Browser namens Edge schwer. Doch der hat sich inzwischen auf Chromium-Basis zu einem flotten Programm gemausert und bietet gemeinsam mit der eigenen Suchmaschine Bing viele Vorteile, wie einen integrieren Lesemodus vergleichbar Safari und viele Erweiterungsmöglichkeiten. Das hat mich dazu bewogen, auf allen genutzten Systemen vorrangig Edge und Bing fürs Surfen und Suchen zu nutzen (ohne auf die Alternativen wie Google oder Safari etc. ganz zu verzichten).
Etwas verborgen findet man im Microsoft-Browser die Funktion Bild-in-Bild auf Mac und Windows, sodass man das Videobild auch verkleinert nebenher weiterlaufen kann. Das klappt in unserem Test, aber nur auf Youtube. Auf den allermeisten, wenn auch nicht auf sämtlichen Video-Webseiten, hilft die kostenlose Erweiterung Picture-in-Picture Everywhere. Der Vorteil: auf dem einen System aktiviert, ist es auch auf dem anderen sofort verfügbar. Zur Not weicht man zumindest auf dem Mac auf Safari aus. Die im Browser jederzeit verfügbare Bildersuche (Erkennung eines Motivs oder vergleichbare) ist praktisch jederzeit verfügbar – ein weiteres Plus!
Edge und Bing: Entscheidend anders durch ChatGPT
Keine Frage, einen entscheidenden Durchbruch hat die Implementierung des Chatbots ChatGPT von OpenAI gebracht, an dem sich Microsoft seit geraumer Zeit auch finanziell massiv beteiligt. Wenn man beispielsweise die Bing-App auf dem iPhone nutzt, steht dort gleich die neueste Version von ChatGPT 4.0 zur Verfügung. Diese ist deutlich besser als der Vorläufer 3.5. Auch auf der Homepage von Bing lässt sich die KI direkt nutzen. Man muss sich zwar registrieren, das geht aber nach unserer Erfahrung sehr flott.
Im Vorteil ist, wer außerdem Office respektive Microsoft 365 nutzt. Damit hat man auch 1 TB des Microsoft-Online-Speichers One Drive zur Verfügung, die sich über sämtliche Systeme synchronisiert und auch im Edge-Browser direkten Zugang bietet. Setzt man Edge ein, hat man unter Windows und macOS bei Bedarf über die Seitenleiste des Browsers flotten Zugriff auf die entsprechenden Apps wie Word, Excel oder Teams und Outlook sowie die dazugehörigen Dateien oder Nachrichten für diesen Account. Für iOS und iPadOS gibt es bekanntlich die eigenen Apps dafür.
Auch Bing mit ChatGPT ist über Edge unmittelbar zugänglich. Doch ein absolutes ”Killer-Feature”, das uns schließlich zum kompletten Switch animierte, ist die Funktion ”Drop”. Das ist im Grunde eine plattformübergreifende Zwischenablage, in der man Texte oder Bilder ablegen kann und dann von iOS bis macOS und Windows überall zur Verfügung hat – auch hier ist ein Microsoft 365-Abo und die Nutzung von One Drive Voraussetzung.
Das klappt mit Texten überall hervorragend, auf dem Mac und unter Windows können wir auch kopierte Bilder direkt einsetzen. Unter iOS oder iPadOS funktioniert das nur mit Bildern oder Dateien, die man über den User-Dialog einsetzt. Aber insgesamt ist das eine tolle Hilfe, wenn man nicht ausschließlich in der Apple-Welt unterwegs ist.
Vor allem setzt man nicht sozusagen wie mit Handoff (das im Übrigen analog zu Microsofts One Drive die iCloud von Apple voraussetzt) ”blind“ ein, sondern hat die kopierten Objekte immer in der Übersicht und kann gezielt damit arbeiten.
Im Grunde erhält man damit ein eigenes Ökosystem über die Plattformen hinweg, das man für viele Vorhaben – von denen wir keineswegs alle beschrieben haben – kaum verlassen muss. Das ist ein dickes Plus mit viel Anerkennung für das, was Microsoft geschaffen hat. Ein Abo von Microsoft 365 kostet für einen User und mehrere Geräte im Jahr zum Beispiel bei Amazon.de um die 60-70 Euro. Für das, was man damit erhält, erscheint uns das als angemessen.
Was dagegen spricht
Jetzt kommen die dicken Aber: Zum einen gibt es Menschen, die Abos notorisch ablehnen oder gar hassen. Für die ist das natürlich nichts. Den umfangreichen Service erhält man aber nicht, wenn man die Office-Software nur einmalig kauft. Das ist ein eindeutiger Nachteil. In dem Fall kann man schon eher darüber nachdenken, ob einem die günstigeren Alternativen wie Libre Office genügen, die fast alle Funktionen bieten (nur ohne die entsprechenden Online-Services, die wir so schätzen). Zumal Outlook inzwischen auch kostenlos verfügbar ist.
Microsoft-Dienste als Datenkrake?
Das zweite ”Aber” ist wohl viel relevanter. Denn natürlich hat Microsoft auch großes Interesse an unseren Daten. Da dürfte es kaum besser als Google sein. Dieses Thema wird noch deutlich brisanter, sobald Microsoft die Dienste von ChatGPT mit ”Copilot” umfassend in sein Office-Paket integriert. Dazu dieser bedenkenswerte Artikel auf Golem.de ”Ist der KI-Kollege eine Datenkrake?”.
Wenn man sich diesem Unternehmen so umfassend anvertraut, wie wir es tun, dann braucht man schon eine Menge von diesem Vertrauen oder eine gewisse Gleichgültigkeit. Wir haben zwar noch nie irgendeinen Nachteil persönlich erfahren, aber andererseits weiß man nicht genau, was hinter den Kulissen passiert und dort gesammelt wird.
Doch diese Argumente gelten genauso für die Nutzung von Google-Diensten wie Suche, Maps oder Mails, und auch gegenüber Apple sollte man nicht allzu treuherzig sein, wie man inzwischen weiß. Vieles davon kann man zwar durch eigene Einstellungen und Vorsichtsmaßnahmen einschränken oder Tools benutzen, speziell unter Windows. Doch das ist umständlich und erfordert manchmal viel Einarbeitung.
Fazit: Vertrauen gepaart mit gesundem Misstrauen ist besser
Insgesamt lassen wir fast alles so, wie es ist, passen aber auf, dass wir nicht zu persönliche und schutzbedürftige Daten über Online-Dienste aller Art austauschen. Nicht mal VPN-Dienste oder die Verschlüsselungstechniken sind völlig sicher, wenn man wirklich geheimes oder brisantes Material bearbeitet oder verschickt, was etwa in manchen Ländern für die Opposition überlebenswichtig ist.
Oder wenn es um vertrauliche Geschäftsunterlagen geht. Ein natürliches Misstrauen gegenüber allen Konzernen, die ihre Dienste gegen Geld oder gar kostenlos anbieten, ist absolut angebracht und zu empfehlen. Abgesehen davon freuen wir uns darüber, dass Microsoft derart User-freundliche Angebote einarbeitet und nutzen sie produktiv, bis man uns vom Gegenteil überzeugt.
Oder Apple Ähnliches anzubieten hat, was für Windows freilich nicht der Fall sein wird, wenn man auch dieses nutzt. Letztlich und wie immer ist das eine persönliche Entscheidung. Unsere hier mitgeteilten Erfahrungen und Erwägungen helfen hoffentlich dabei.