Wir haben bereits ausführlich über die beeindruckende Präsentation eines displayfreien Konzepts berichtet, bei der ein Highlight war, wie ein Telefonanruf ohne Nutzung eines Smartphones auf die Handfläche projiziert wurde, siehe Absätze weiter unten. Neu ist nun in einem Youtube-Video, was man vorher nur im Ansatz ahnte: In anderen Ausschnitten von dem TED-Ereignis im April erkennt man deutlich das Gerät, wie es in der Hemdtasche von Imran Chaudhri ruht.
Wenn er es antippt, geht eine Leuchtdiode an, und er kann direkt per Stimme mit dem Wearable interagieren, das beispielsweise Übersetzungen in andere Sprachen in seiner eigenen Stimme bietet oder Tipps zum gesunden Essen angesichts eines Schokoladenriegels gibt. Es verfügt offenbar über Sensoren zum Hören und Sehen und kann per Mini-Laserbeamer Interaktionen auf eine Oberfläche wie die Hand projizieren.
Künstliche Intelligenz erkennt Gesten und Spracheingaben
Außerdem scheint es Gesten zu erkennen. Noch einmal wird dabei die intensive Verwendung von KI deutlich und von Chaudhri in den Vordergrund gestellt. Ein Nachteil gegenüber einem iPhone beispielsweise scheint zu sein, dass man auch in aller Öffentlichkeit die meisten Interaktionen mit dem Gerät per Sprache wahrnimmt, was durchaus störend und unangenehm sein kann.
Dennoch ist das eine spannende Entwicklung für einen völlig neuen Ansatz im Sinne des Human Interface. Dass es zudem ”Star Trek”-Fans an den berühmten Communicator erinnert, ist zweifellos eine willkommene Zugabe für ”Trekkies”…
Ehemaliger Apple-Mitarbeiter
Imran Chaudhri kann auf eine lange und sehr einflussreiche Karriere bei Apple vor allem im ”Human-Interface”-Team zurückblicken, bis er die Firma 2017 verließ. Wie maßgeblich Chaudhri für die Entwicklung vieler Design-Entscheidungen und Benutzeroberflächen bei Apple auf dem Mac wie auch dem iPhone war, zeigt zusammengefasst dieser Artikel von Wikipedia, auch wir haben über den Ex-Apple-Designer berichtet. Nach dieser Zeit gründete er gemeinsam mit seiner Frau das eigene Unternehmen ”Hu.ma.ne”, dessen Webseite mit der Botschaft empfängt: ”Good Ai is Humane.” (gute künstliche Intelligenz ist menschlich).
Kein Display und keine Tasten sollen die Interaktion stören
Ziel ist es, so wenig wie möglich störende Elemente zwischen Technik und User zu bringen. Wie dies funktionieren soll, hat Imran Chaudhri öffentlich demonstriert. Dabei sieht man ihn bei einem Telefonanruf, den er auf die Handfläche projiziert entgegennimmt. Oder er lässt die KI einen englischen Satz, den er spricht, auf Französisch übersetzen – diese reagiert kurz darauf mit der gewünschten Übersetzung, und zwar in der ebenfalls per KI modellierten Stimme von Imran Chaudhri selbst.
Dafür hat er bei der Präsentation lediglich einen kleinen Apparat an der Jacke hängen, der über Sensoren und eine Kamera verfügt. Chaudhri erklärt: ”Dies ist eine neue Art von tragbarem Gerät und eine Plattform, die von Grund auf für künstliche Intelligenz entwickelt wurde. Und es ist völlig eigenständig. Man benötigt weder ein Smartphone noch ein anderes Gerät, um es zu koppeln.” Auch die Frage, ob Chaudhri eine Schokoladenriegel aus gesundheitlichen Gründen essen und vertragen würde, beantwortet die KI. Sie rät ihm ab. Er sagt, “Ich esse ihn trotzdem”, um damit seine Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit zu demonstrieren. Die KI wünscht ihm viel Spaß (”Enjoy it”).
Etwas, das ”radically different” ist
Nach seinen Worten “interagiert (es) mit der Welt, so wie man mit der Welt interagiert: man hört, was man hört, sieht, was man sieht, wobei die Privatsphäre an erster Stelle steht, es ist sicher und tritt völlig in den Hintergrund”. Und dann sagt er etwas, was ähnlich von Steve Jobs hätte klingen können: ”Damit sich die Beziehung zwischen Mensch und Technik jenseits von Bildschirmen tatsächlich weiterentwickeln kann, brauchen wir etwas radikal anderes” (”radically different”).
Interessant ist auch die Frage, wie die auf die Handfläche projizierte Telefonfunktion arbeitet. Auf Inverse heißt es, der Designer Michael Mofina (der den TED-Vortrag live mitverfolgt habe, bevor der Link entfernt wurde), sagte zu dem Magazin: “Sobald [Chaudhri] seine Hand hob, zeigte das Gerät die entsprechende Schnittstelle für eingehende Anrufe an, ohne dass man durch ein Menü navigieren musste.”
”Hu.ma.ne” versus Apple und iPhone?
Es ist unklar, wie weit die Entwicklung dieses Projekts in Richtung Marktfähigkeit schon fortgeschritten ist, um tatsächlich dem iPhone-Konzept mit Touch Screen und den anderen Funktionen Konkurrenz zu machen. Vielversprechend liest sich und klingt das auf jeden Fall. Apple selbst ist freilich auch nicht untätig, mit einer Apple VR/AR-Brille dürfte bald zu rechnen sein. Dennoch benötigt diese, wenn auch noch so gute, in den Alltag integrierte kleine Screens.
Was letztlich effektiver ist und sich im natürlichen Umfeld leichter bedienen lässt, dürfte eine der spannenden Fragen der nächsten Jahre sein, dazu, wie die unterschiedlichen Unternehmen KI wie ChatGPT & Co., die sich in rasendem Tempo entwickeln, integrieren können. Zum Vorteil der User, wie Imran Chaudhri es als oberste Priorität betrachtet. Doch trotz Chaudhris Beteuerungen dürften auch Bedenken wegen Datenschutz und der umfassenden Sammlung persönlicher Informationen durch die KI Fragen in einem bisher noch unbekannten Maß aufwerfen. Und auch Apple, das öffentlich großen Wert auf den Datenschutz seiner User legt, vor neue Herausforderungen stellen.