Macwelt wünscht einen guten Morgen!
Technologiefolgenabschätzung ist ein sehr schweres Business. Man erinnere sich nur an die Begeisterung für Kernspaltung in den späten 50ern und frühen 60ern des vergangenen Jahrhunderts. Ein literarisches Genie wie Isaac Asimov wurde von einem Verleger, äh, überredet, in seinen Geschichten alles „von Atom getrieben“ zu beschreiben, selbst Aschenbecher und Staubsauger. Kindern schenkte man zu Weihnachten nicht das erfundene Spiel „Wir bauen uns ein Atomkraftwerk“, sondern ein kleines Laboratorium, dem echtes Uran beigeben war – Wahnsinn.
Umgekehrt mag vor etwa 15 bis 20 Jahren die Einschätzung der Politik, lieber erst aus der Kernkraft, und erste später aus der Kohle auszusteigen, naiv gewesen sein, da man Gas als weniger schmutzige und billige Energie für den Übergang in die regenerative Ära angesehen hat. Der technologische Backlash, jetzt aber lieber wieder auf neue Kernkraftwerke zu setzen, für deren Bau es mindestens zwei Jahrzehnten brauchen wird oder gar auf eine ferne Kernfusion zu hoffen, anstatt vorhandene und bewährte Technologien zu nutzen, ist wiederum kindisch – ohne dass wir hier Kinder beleidigen wollten. Es ist eben ein Kreuz mit der Technologiefolgenabschätzung.
Das nächste große Thema wird künstliche Intelligenz sein. Bedenkenträger würden jedwede Entwicklung lieber komplett verbieten, Skeptiker, zu denen sich mittlerweile selbst Elon Musk oder Googles ehemaliger KI-Chefentwickler Geoffrey Hinton gesellen, wollen zumindest eine starke Regulierung. Und währenddessen meckern naiv an die Zukunft glaubende wieder, dass Deutschland, Apple oder wer auch immer das wichtige Thema einfach verschläft.
Vermutlich wäre es aber für die Menschheit, einzelne Länder und Firmen einfach nur klug, nicht alles zu machen, was machbar wäre – und den menschlichen Faktor stets einzukalkulieren. In der Theorie kann man Kernkraftwerke sicher machen und die Sache mit der Kernfusion ist verstanden, in der Praxis kommt eben der Mensch auf irre Ideen, eine Technologie auszureizen oder es kommt schlicht die Realität dazwischen.
Apple musste auf ChatGPT nicht reagieren, etwa mit einem MeToo-Produkt, ebenso wenig, wie es den vermeintlichen Rückstand Siris gegenüber anderen digitalen Assistenzen auf Biegen und Brechen aufholen müsste. Wo sie sinnvoll sind, setzt Apple schon heute selbst lernende Algorithmen, aka KI, ein. Etwa bei der Apple Watch, die erkennt, ob denn mit dem Puls alles in Ordnung ist, oder der Mensch, an dessen Handgelenk sie geschnallt ist, noch aufrecht steht oder einen Notruf bräuchte. Selbst so scheinbar einfache Funktionen wie Autostart und -stop von Trainings sind auf KI gestützt.
Und zu den Gefahren von KI hat man in den letzten Wochen genug gesehen. Noch recht harmlos etwa an einem Papst im Fitnessstudio oder mit dicker Daunenjacke, aber sehr in Richtung Fake News gehend, wenn die KI Bilder von Personen generiert, die anscheinend verhaftet werden. Die Desinformationstrolle im Kreml, die schon mit plumpen Aktionen Lügen verbreiten, denen die Realität kaum noch etwas entgegenzusetzen hat, reiben sich die Hände ob der neuen Möglichkeiten.
In der Tat ist die KI heute schon in der Lage, Bilder, Videos und selbst gesprochenen Text so zu fälschen, dass zumindest die Naiven der Welt darauf reinfallen. Die Macht des „Ich habe es ja mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört!“
Einer der wichtigsten Wegbereiter der Informatik, der britische Mathematiker Alan Turing, hatte ein nach ihm benanntes Gedankenexperiment entwickelt: Wenn ein menschlicher Gesprächspartner anhand der Antworten auf seine Fragen und der Reaktionen auf seine Aussagen nicht mehr unterscheiden kann, ob er sich mit einem Menschen oder mit einer Maschine unterhält, dann ist die künstliche Intelligenz der natürlichen gleichzusetzen.
In seinem Roman „Maschinen wie ich“ spinnt der britische Autor Ian McEwan die Sache noch weiter: Wenn denn Maschinen auch noch Bewusstsein und Gefühle entwickeln, sind sie dann nicht dem Menschen gleichzusetzen und müssten die gleichen Rechte haben? Eine derartige Maschine zu zerstören, wäre dann also nicht mehr Sachbeschädigung, sondern Mord. Das sieht im Buch auch Alan Turin so, der in dieser Parallelwelt nicht weit vor seiner Zeit verstarb, sondern ein wesentliches mathematisches Problem bewies, das überhaupt erst Grundlage der IT mit KI wurde.
Nur eine Fiktion, gewiss, doch aus klugen Romanen kann man mehr über Technologiefolgenabschätzung lernen als auf dem FDP-Parteitag mit dem Mantra der „Technologieoffenheit“, die auch nichts anderes ist als ein bräsiges „Das haben wir schon immer so gemacht und mit der Zukunft wollen wir uns nicht wirklich beschäftigen.“