Macwelt wünscht einen guten Morgen!
Man muss nicht vom Fach sein, um ein Großunternehmen zu leiten, es schadet aber nicht. Fachfremde Besitzer oder CEOs können großen Schaden anrichten, sieht etwa am Chelsea FC in London, dessen neue Eigner einen Trainer nach dem anderen feuern, weil keiner deren Idee eines 4-4-3-Systems umsetzen will, überspitzt gesagt.
Aber muss man sich mit Technik gut auskennen, um eine Technologiefirma als Chief Executive Officer zu leiten? Nein – befand Apple-Gründer Steve Jobs schon bezüglich seiner Person. Von Technik hatte Mitgründer Steve Wozniak weit mehr Ahnung und auch in seiner zweiten Zeit bei Apple folgte er dem Grundsatz: „B-people hire C-people, but A-people hire A+-people“.
Offenbar war Jobs in der Frühzeit Apples der Ansicht, dass die Sache mit der operativen Firmenleitung auch bessere Leute übernehmen sollten, die vom Business mehr Ahnung haben sollten. Welche Produkte die Firma herstellt, die sie organisieren sollten, sei zweitrangig, solange diese erstklassig wären.
So kam Jobs auf die Idee, einen fachfremden Top-Manager anzuheuern, um das junge Start-Up, das wird und organisch wuchs, in ein seriöses Unternehmen zu überführen. John Sculley, Chef von Pepsi-Cola, sei der richtige Mann dafür. Diesen musste Jobs erst überzeugen, der Legende nach mit der rhetorischen Frage: „Willst du weiter Zuckerwasser verkaufen oder mit uns Geschichte schreiben?“
Sculley, der den legendären Marketingspruch samt zugehöriger Aktion „Mach’ den Pepsi-Test!“ erfunden hatte, trat am 17. Mai 1983, heute vor 40 Jahren, seinen Job als CEO und President an, als dritter in der Reihe. Vorher hatten Mike Scott und Mike Markulla die Verantwortung, ersterer scheiterte an einer eigenmächtigen Entscheidung, in Folge derer die Hälfte der Apple-II-Entwickler Apple verlassen mussten. Zweiterer war Apples Angestellter Nummer 3 und zog sich nach seinem Interregnum in den Aufsichtsrat zurück.
Sculley war der Mann, der als Erwachsener die Aufsicht über den Kindergarten Apple übersehen sollte, wie etwa der Autor Owen Linzmeyer schrieb. Eher war es aber eine Aufgabenteilung, Jobs als Aufsichtsratsvorsitzender kümmerte sich um die Entwicklung, Sculley um das Marketing.
Apples damalige Herausforderung war für ihn vertrautes Terrain. IBM, das 1981 den PC erfand und als solchen benannte, sei ein „formidabler Konkurrent“, aber das war Coca-Cola ja auch. Nur funktionierte schon damals die IT-Industrie anders als die Getränkeindustrie.
Womöglich hätte mehr Fachwissen den CEO davon abgehalten, den „Pepsi-Test“ auf den PC zu übertragen. „Testdrive a Mac“ war das Angebot von 1985, Interessenten sollten sich für ein Wochenende einen der schicken neuen Rechner ausleihen können und würden davon gewiss so begeistert sein, dass sie nie mehr etwas anderes wollten. Das Projekt scheiterte an der Logistik, Händler waren alles andere als begeistert, dass die Leute für ein Wochenende ihre Lagerbestände leer räumten und womöglich einen defekten oder sichtlich gebrauchten Computer zurückbrachten, den sie dann nicht mehr verkaufen konnten.
Dennoch verliefen die Sculley-Jahre recht erfolgreich, während der Mac langsam Fahrt aufnahm, spülte der Apple II weiter solides Geld in die Kassen. Gescheitert ist Sculley dann an dem, was „das nächste große Ding“ werden sollte: der Newton.
Und hier drohen Parallelen zur heutigen Zeit: Denn das Hauptproblem des Newton war, dass Apple, beziehungsweise John Sculley, viel zu früh darüber geplaudert hat. Das Produkt war noch nicht ausgereift, am wenigsten die viel gepriesene Handschrifterkennung. Unter Druck stellten die Ingenieure den Newton fertig, zur Auslieferung sollte es zwar noch ein Jahr dauern, aber besser wären zwei oder drei gewesen, in denen Apple-Ingenieure weiter still gewerkelt hätten – womöglich wäre die Handschrifterkennung nie zu einem Feature geworden und so auch nicht gescheitert.
Wie die Gerüchteküche munkelt, soll Tim Cook die Vorstellung des „nächsten großen Dings“ bei Apple mehr oder minder erzwungen haben, gegen Einwände von Gestaltern und Ingenieuren. Aber jetzt ist es endlich mal an der Zeit für die Apple Reality Pro! Wenn das nicht nach hinten losgeht: Die potenzielle Kundschaft würde einen Verkaufsstart Ende dieses Jahres oder Anfang des nächsten akzeptieren, aber nicht eine Wartezeit von einem Jahr oder länger. Vor allem, wenn das heiß ersehnte Produkt fehlerhaft ist.
Nun ist Tim Cook aber nicht John Sculley, nicht erst seit er bei Apple ist, hat er mit Technologiefirmen zu tun. Zudem hat sich Cook seine fehlerhafte Frühankündigung schon geleistet, die Airpower sollte in der vorgegebenen Zeit nicht fertig werden, also wurde sie ersatzlos gestrichen.
Das wird und das kann bei der Reality Pro nicht passieren, Tim Cook weiß, was er tut und was auf dem Spiel steht. Wir sind optimistisch: Wenn Apple das Headset erstmals öffentlich zeigt, ist es nur noch ein gutes halbes Jahr bis zur Veröffentlichung. Das war bei den letzten beiden Mac Pro ebenso der Fall wie bei der Apple Watch oder gar dem iPhone.