Wer die Zukunft sehen möchte, der muss keine Hellseher befragen und kein Orakel aufsuchen. Manchmal reicht schon ein Blick in den Fernseher. Zumindest dann, wenn da gerade eine gute Science-Fiction-Serie läuft. Stichwort Star Trek: Die Abenteuer auf der Enterprise haben schon in den 70er-Jahren verraten, was 50 Jahre später unseren Alltag bestimmt.
Der berühmte Tricorder von damals ist nichts anderes als eine Art kompakter Kernspintomograf, Gespräche mit der KI bekommt Chat-GPT heute mindestens genauso gut hin wie der Computer des Raumschiffs in der Serie und Türen öffnen sich ohnehin längst von allein.
Auch die Entwicklung der mobilen Telefonie sollen Captain Kirk und seine Crew maßgeblich beeinflusst haben: Das hat zumindest der gemeinhin als Erfinder des Mobiltelefons anerkannte Martin Cooper einmal in einem Interview zu Protokoll gegeben. Auch Tablets hat man bei den Offizieren der Sternenflotte gesehen, lange bevor der Einzelhandel von solchen Produkten träumen konnte.
Sie sehen: Was den technologischen Fortschritt angeht, beweisen manche Science-Fiction-Autoren geradezu prophetisches Gespür. Auch die Serie „The Expanse“ stellt Spannendes in Aussicht: das Ende des Smartphones, wie wir es kennen.
Dabei handelt es sich nicht mal um ferne Zukunftsmusik, die technologische Grundlage für wirklich revolutionäre Mobilgeräte haben wir nämlich schon längst geschaffen. Grund genug, einen Blick in die äußerst spannende – und vielleicht gar nicht so ferne Zukunft zu wagen.
Komfortfeind Nummer 1: Die Hardware
Seien wir mal ehrlich: Die Hardware ist heute auch bei modernen Smartphones der größte Komfortfeind. Auf der einen Seite werden Hardware-Komponenten zwar immer kleiner, leichter und gehen auch immer effizienter mit Energie um.
Auf der anderen Seite verlangt der Markt aber nach immer mehr Leistung, Anwendungen werden anspruchsvoller und Akkus immer größer. So sind auch die Nutzer neuester Modelle dazu gezwungen, regelrechte Hightech-Klötze mit sich herumzuschleppen.
Damit geht auch gleich der nächste Nachteil einher: Die Preisentwicklung von Smartphones kennt nur eine Richtung und die zeigt steil nach oben. Für das iPhone 14 Pro Max muss man mit Top-Konfiguration mehr als 2.000 Euro auf den Tisch legen.
Auch der Umwelt kommt die Produktion zahlloser Mikroprozessoren, Akkus und Speicherchips nicht gerade zugute. Und Gott bewahre, wenn einem die empfindlichen, mit Mikrochips vollgestopften Geräte mal aus der Hand rutschen. Um Reparatur und Instandsetzung hat sich schon eine eigene Industrie gebildet.
Aber muss man so viel Technik in Zeiten von Cloud-Servern, mobilem Internet und 5G denn wirklich noch mit sich herumschleppen? Vielleicht nicht mehr lange.
Das „Hand Terminal“: Von Science Fiction zur Realität?
In den Büchern von James S. A. Corey, auf denen auch die Serie „The Expanse“ basiert, haben sich die Menschen längst vom klassischen Mobiltelefon verabschiedet. Die Bevölkerung der Zukunft nutzt stattdessen sogenannte Hand Terminals.
Die erfüllen denselben Zweck, funktionieren aber ganz anders – die Geräte bringen nämlich fast keine Hardware mehr mit. Es handelt sich dabei nur noch um dünne, halbtransparente Displays, die man sich bequem und unaufdringlich in die Tasche steckt. Die kabellosen Mini-Bildschirme sind mit einer ultraschnellen Cloud verbunden, in der auch alle Programme und Dienste ausgeführt werden.
Betriebssystem, Dateimanager, virtueller Schlüsselbund, Telefonie oder Bewegungserkennung: Alle diese Funktionen laufen in einer fernen Rechnerwolke ab. Nur die Bedienung funktioniert noch so, wie man es auch heute kennt – direkt am Display.
Die Vorteile für Endnutzer liegen dabei auf der Hand: Weil man keine schweren und energiehungrigen Komponenten mit sich herumschleppen muss, sind die Geräte federleicht, extrem ausdauernd und können kostengünstig produziert werden.
Moment mal: drahtlose Cloud, Highspeed-Datennetze und Touch-Bedienung… Klingt das nicht irgendwie bekannt? Und haben wir sowas nicht schon längst auch hier in der Gegenwart? Tatsächlich sind die technischen Grundlagen für scheinbar ferne Science-Fiction-Smartphones längst geschaffen. Auch das iPhone befindet sich vielleicht schon auf dem Weg, ein reiner iCloud-Service zu werden.
Nicht mehr abwegig: Ein rein cloudbasiertes iPhone im Abo-Modell
Bei aller ehrlichen Liebe zum iPhone: Die Geräte sind weder handlich noch besonders leicht, bequem in der Tasche liegen sie auch nicht. Welcher Nutzer würde da nicht Schlange stehen für ein reines Display-Modul à la „The Expanse“? Solange alle Funktionen identisch zur Verfügung stehen, gibt es doch eigentlich keinen Grund, für sperriges Design und hohes Gewicht auch noch draufzuzahlen.
Auf dem Stand heutiger Technik ist ein reines iCloud-iPhone bereits alles andere als abwegig. Wenn schon der persönliche Speicher und das Kundenkonto in der fernen iCloud liegen, wieso sollte man dort nicht auch gleich das Betriebssystem und die ganze Software ausführen? Zwingend notwendig ist am Standort des Nutzers doch eh nur der Touchscreen, also ein reines Informationsmodul mit Eingabefunktion.
Bald haben wir womöglich nur noch eine dünne Displayscheibe in der Tasche, die man vielleicht auch noch bequem zusammenfalten kann, bis man sie gar nicht mehr als Ballast wahrnimmt. Wir kaufen uns dann nur noch diesen Bildschirm und buchen alle damit verbundenen Dienste in einem Abo-Modell, vielleicht gleich zusammen mit dem Mobilfunkvertrag.
Whatsapp, Browser, die Fotos-App oder Navi-Dienste berechnet dann gleich der ferne Server, ohne dass sich jeder Nutzer für diesen Zweck komplette Computer-Strukturen im Mikroformat anschaffen muss. Am Display der Zukunft befassen wir uns dann nur noch mit der per Funk übertragenen App-Oberfläche.
CPU, GPU, der komplette Speicher und alle Anwendungen von der Bildersammlung bis zu iOS können dann ungesehen in der fernen iCloud werkeln. Als Anwender könnte man sich dann endlich ausschließlich auf das wirklich Wichtige konzentrieren – nämlich die Anwendung. Bei vielen Services machen wir das ja heute schon so: vom gemieteten Datenspeicher in der iCloud über webbasierte Office-Anwendungen bis hin zu manchen Online-Spielen.
Selbst der klassische Akku könnte bald ausgedient haben, dann bräuchte so ein kompakter Zukunfts-Touchscreen nicht mal mehr einen integrierten Energiespeicher. Xiaomi hat beispielsweise schon vor mehr als zwei Jahren eine revolutionäre Ladetechnik vorgestellt, die über mehrere Meter hinweg drahtlos Energie überträgt.
Die Krux: Ein ultraschnelles und zuverlässiges Mobilnetz muss her
Bei allem Technik-Optimismus kann die Zukunftsvision vom virtuellen iPhone natürlich nur unter einer Bedingung funktionieren: Wenn das mobile Internet extrem hohe Transferraten schultert und unterbrechungsfrei zur Verfügung steht. Aktuell kommt der Ausbau von 5G in Deutschland aber nur schleppend voran.
Dabei wäre selbst 5G (Tarife bei O2) für ein reines Cloud-iPhone wohl noch nicht flott genug. Selbst unter optimalen Bedingungen erreicht der aktuell schnellste Mobilfunkstandard sein Limit bei etwa 10 Gbit/s. Das ist zu langsam, um eine Brücke zwischen ausgelagerter Geräte-Hardware und einem weit entfernten Nutzerdisplay zu schlagen.
Schon mit 6G werden die Karten aber neu gemischt: Damit sollen Übertragungsraten von bis zu 400 Gbit/s möglich werden. Satte 50 GB lassen sich damit in nur einer Sekunde übertragen. Filme, Bilder und Anwendungen stünden so quasi in Echtzeit zur Verfügung, selbst wenn sie erst aus der iCloud geladen werden müssen.
Auch die Latenz wird mit 6G noch einmal merklich schrumpfen: Gelten bei 5G noch Verzögerungen von etwa einer Millisekunde, so sollen es bei 6G nur noch 0,1 Millisekunden sein. Latenz bezeichnet die netzwerkbasierte Verzögerung beim Transfer von Datensätzen.
Für ein geschmeidiges Bedienungserlebnis ist eine niedrige Latenz zwingend erforderlich. Doch selbst mit 6G oder eines Tages auch mit einem ultraschnellen 7G besteht zumindest in Deutschland weiterhin das alte Problem: Ohne flächendeckende und lückenlose Funknetze bleibt der Traum vom rein virtuellen iPhone erstmal genau das: Ein Traum.