Für Apple ist der Erfolg von ChatGPT eine echte Herausforderung. Vor allem Siri wirkt neben der Chat-KI wie aus der Zeit gefallen – ein wenig, als würde man einen VW Käfer mit einem Ferrari vergleichen. Einige Anwender haben sogar schon ChatGPT an Siri gekoppelt, was Apple zu denken geben sollte. Auf der WWDC sollte man aber trotzdem keine Ankündigung eines ChatGPT-Konkurrenten erwarten, bisher setzt Apple KI völlig anders ein.
Apples KI-Forschung
Es ist nicht so, dass Apple das Thema KI verschlafen hätte, laut Gerüchten wird intern schon länger mit einer an ChatGPT erinnernden Version von Siri experimentiert. KI ist schon lange ein zentrales Thema, wie zahlreiche Firmenkäufe im Bereich KI und eine hohe Zahl von Forschern zeigt. Vor kurzem hatte Apple zwar einen Einstellungsstopp für viele Firmenbereiche verhängt – der Bereich KI wurde ausdrücklich ausgenommen und aktuell sind 142 Stellen bei Apple ausgeschrieben. Seit Jahren wird immer wieder über Zugänge namhafter Wissenschaftler aus dem Bereich KI berichtet, etwa dem Informatiker Samy Bengio, der wie John Giannandrea (Apples Senior Vice President for Machine Learning und AI Strategy) von Google zu Apple wechselte.
Es gibt aber ebenso Berichte über das Gegenteil: Forscher sollen aus Frustration über Apples KI-Strategie gekündigt haben. Während etwa Google Forschungsergebnisse sehr offen kommuniziert, ist Apple bekanntlich äußerst verschwiegen. Für Forscher, die an offenen akademischen Austausch und an Renommee interessiert sind, wohl recht frustrierend. Verschlossenheit verdeckt nämlich auch einige Schwachpunkte in Apples Forschung. Der genannte Giannandrea war nach seinem Wechsel zu Apple um 2018 etwa über Apples Rückstand im Bereiche Machine Learning überrascht, etwa dass noch nicht an ihrem Einsatz bei der Schrifterkennung gearbeitet wurde. Es gibt aber einige strategische Gründe, warum AI bei Apple etwas ins Hintertreffen geraten ist. So ist Apple KI gegenüber etwas kritischer eingestellt als andere Unternehmen, von vielen Entwicklern wird KI sogar noch kritischer gesehen.
Apples Umgang mit KI
Aus öffentlichen Äußerungen von Tim Cook lässt sich immer wieder Zögern gegenüber AI heraushören, wie Anfang Mai 2023 eine Investorenkonferenz zeigte. Seit dem Hype um ChatGPT ist KI an der Börse ein wichtiges Thema, weshalb Cook auch zu Apples KI-Plänen befragt wurde. Cook betonte, dass das Potential sehr interessant sei, aber einige Probleme noch gelöst werden müssten. Apple habe aber bereits große Fortschritte in der Integration von KI und ML in Apples Ökosystem gemacht. Als Beispiele dafür nannte er die Fallerkennung, Unfall-Erkennung und EKG, die nicht nur großartige Features wären, sondern Menschenleben retten würden. Das ist korrekt, aber eigentlich nicht das, was viele hören wollen.
Wie frühere Aussagen bekräftigen, setzt Apple auf einen eher anwendungsbezogenen Einsatz von AI und ML, also eine weniger spektakuläre Verwendung von AI, die aber besondere Ergebnisse liefert. Eine künstliche Intelligenz verbessert etwa automatisch das Kamerabild oder versucht einen Autounfall zu erkennen. Auch die verbesserte Spracherkennung von iOS war wohl nur durch AI möglich. Dieser funktionale Einsatz führt aber auch zu dem Eindruck, Apple „verpasse“ den Hype um ChatGPT. Vor allem Siri ist hier ein Problem.
Siri vs. ChatGPT
Der Vergleich zu Siri hinkt allerdings ein wenig. ChatGPT von OpenAI ist kein Sprachassistent, sondern eine generative AI auf Basis eines Sprachmodells. Letztere ist eine KI, die auf Basis historischer Daten etwas Neues erzeugt. Wobei es diskutierbar wäre, ob wirklich etwas “Neues” tatsächlich erzeugt wird. Schließlich werden vorliegende Daten neu kombiniert. Denn durch maschinelles Lernen kennt ChatGPT riesige Datenmengen an Texten und Bildern und kann so Wort für Wort Sätze bilden. Auch Bilder und Songs können von einer solchen generativen AI erstellt werden.
Auf den ersten Blick wirken beide recht ähnlich, bietet doch auch Siri einen Chat-Modus. Die Aufgabe eines Assistenten ist aber eine völlig andere, soll er doch nicht auf Befehl einen Essay über Poststrukturalismus oder einen Anwaltsbrief schreiben, sondern einen Termin im Kalender eintragen oder Wetterdaten abrufen – dies sofort und ohne Fehler. Größtes Problem bei ChatGPT bleibt schließlich die hohe Fehlerquote und das sogenannte Halluzinieren. Weiß ChatGPT eine Antwort nicht, denkt es sich einfach eine aus. Hier gab es zuletzt einen haarsträubenden Fall in den USA: Ein Anwalt hatte mithilfe von ChatGPT eine Klage gegen eine Fluggesellschaft erstellt, die sich als völlig fehlerhaft erwies. Aufgeführte Präzedenzfälle hatte ChatGPT einfach erfunden.
Neural Engine
Wie wichtig künstliche Intelligenz für Apple ist, zeigen dagegen die Chips von Apples Produkten. Mit der Neural Engine bieten alle iPhones, iPads und Macs einen speziellen Chip, der auf die Bearbeitung von KI-Aufgaben spezialisiert ist. Bei Aufgaben wie der Bild- oder Sprachanalyse können diese Spezialchips Aufgaben viel schneller und effizienter als der Hauptprozessor lösen und machen Apples Geräte zu idealen Werkzeugen für kommende AI-Aufgaben oder neue Dienste. Auch im Bereich Gesundheit wird von Apple offenbar stark auf künstliche Intelligenz gesetzt, wie Projekte wie AI-Health zeigen. Zudem ist Apple eher an einer Implementierung von KI interessiert, die möglichst viele Aufgaben direkt auf dem Gerät erledigt, wie dieser Forschungsartikel zeigt.
Aktuelle Probleme für Apple
Eine generative AI hat aber einige Probleme.
- Die Urheberrechte der erstellten Texte, Bilder und Audiodateien sind noch nicht endgültig geklärt. Gerade als Anbieter von Musik- und Video-Diensten ist dies für Apple aber ein Problem.
- Privatsphäre ist für Apple sehr wichtig, für Siri war dies aber bisher das größte Handicap. Dass Apple oft solche Verständnisprobleme hat, etwa den Kontext einer Frage nicht erkennt, liegt schließlich an dem Umgang mit Nutzerdaten. Das Tool läuft aus Gründen der Privatsphäre fast ausschließlich auf dem Gerät des Nutzers, kann aber dadurch auch nicht auf eine große Datenbank mit Nutzerinformationen zurückgreifen – weiß also recht wenig über den Anwender oder die Anwenderin.
- Ein weiteres Problem ist Bias: Die Ergebnisse einer generativen AI basieren auf einem bestimmten Textkorpus, der die Vorurteile und Einstellungen der Verfasser widerspiegelt. Wie Tests zeigen, eher links und fortschrittlich.
- ChatGPT ist außerdem rechenintensiv. Der höhere Energieverbrauch sorgt so auch für höhere Kosten als eine übliche Suchmaschinenabfrage – man kann wohl annehmen, dass jede Anfrage etwa einen Cent an Serverkosten verursacht. Würde aber jede Google-Suchanfrage einen Cent kosten, würde dies Alphabet grob geschätzt 11 Mrd. pro Jahr kosten (bei 90 Mrd. Suchanfragen pro Monat).
Man sollte auch den Zeitabstand nicht vergessen. Als Siri vor etwa 12 Jahren vorgestellt wurde, war schon das Verstehen der Sprachbefehle eine riesige Herausforderung.
Fazit
Offensichtlich ist Siri etwas in Hintertreffen geraten zu sein und Apple hat hier viel zu verbessern. Das gilt aber ebenso für Konkurrenten wie Google, auch bei der letzten Entwicklerkonferenz von Google war wenig vom Google Assistant zu hören. Vorerst wird sich hier wenige ändern, langfristig könnte hier aber eine generative AI viele Verbesserungen bringen, wie Siri-Miterfinder Adam Cheyer hofft: “Ich glaube, es geht um Qualität”, sagte er. “Grundsätzlich wird diese Technologie eine Breite, Flexibilität und Komplexität ermöglichen, die es bei der vorherigen Generation von Sprachassistenten nicht gegeben hat. Ich denke, es wird eine Renaissance geben.”