Das neue Betriebssystem für Apple Watches, watchOS 10, kommt zeitgleich mit iOS 17 heraus. Im Unterschied zu iOS 17 schwingt hier der Hersteller keine Obsoleszenz-Axt und unterstützt weiterhin die Apple Watch Series 4 und neuer. Geschraubt hat Apple an einigen wichtigen Stellen – bei der Bedienung und am System, in der Training-App, wohl einer der wichtigsten App auf der Apple Watch, und im Bereich „Gesundheit“, wobei Apple einen komplett neuen Reiter für Sehstärke eröffnet.
Bedienung – die Glances kommen zurück
Das Neue ist das gut vergessene Alte – diese Maxime hat Apple bei den Widgets gelernt. Diese kommen beispielsweise nach Jahren der Vergessenheit auf den Mac-Desktop zurück. Eine Wiederauferstehung gibt es auch auf der Apple Watch: Bei einigen Zifferblättern kann man Widgets zusätzlich konfigurieren und mithilfe der digitalen Krone aufrufen und einsehen. Wem das bekannt vorkommt, sollte sich an watchOS 2 zurückerinnern: in der Version hießen die Widgets „Glances“ oder „Checks“ und konnten mit dem Wisch nach oben aufgerufen werden.
Apple bohrt ein bisschen die vorhandenen Zifferblätter auf: Ähnlich wie beim Sonnenuhrzifferblatt ändert sich beim Weltuhr-Watchface die Beleuchtung und die Farbgebung entsprechend der Uhrzeit, auch in einer fremden Zeitzone. Anders als gemunkelt, hat Apple seine App-Ansicht nicht ans iPhone-Raster angepasst – die Bienenwabe an Apps bleibt.

watchOS 10 – Weltuhr-Zifferblatt
Apple stellt auch eine neue Geste vor: Ähnlich wie bei iPhones mit iOS 17 kann man zwei Apple Watches aneinander halten, um Kontakte auszutauschen. Name Drop heißt die Funktion, die Airdrop nachahmt und etwas später mit einem weiteren Update auf watchOS 10.x veröffentlicht wird. Eigentlich zeigt Name Drop, dass Airdrop auch auf der Apple Watch funktionieren kann; bislang war das nur auf Kontakte beschränkt.
Wie jedes Jahr gibt es auch neue Zifferblätter, diesmal sind es ein Palette-Zifferblatt mit schönen Farbkombinationen aus der gleichen, nun ja, Palette. Zu Micky Maus und Minnie Maus gesellt sich ein weiterer Zeichentrickfilmcharakter – Snoopy.
Neue Trainings, Sensoren beim Fahrradfahren und Wandern
Ok, Offline-Karten sind für alle nützlich, nicht nur für Wanderer. Diese Funktion wird quasi vom iPhone mit iOS 17 auf die Apple Watch weitergegeben. Für diejenigen, die öfters in den Bergen oder in Wäldern unterwegs sind, hat Apple einige weitere hilfreiche Features vorgestellt: Zum einen kann sich die Kompass-App merken, an welcher Stelle genau es zuletzt Mobilfunkabdeckung des eigenen Anbieters gab.

watchOS 10 – Neuer Kompass für Wanderer
„Last Emergency Call Waypoint“ gibt Hinweise darauf, wo sich eigene Geräte zuletzt auch in fremde Netzwerke eingewählt haben – diese Infos sind besonders für Notrufe sehr hilfreich. Zunächst in den USA wird die Karten-App auf der Apple Watch auch eine topografische Ansicht bieten, mit Details zu den Höhenmetern, besonders steilen Hängen usw. Diese Informationen kann man momentan in dezidierten Wander-Apps wie Outdoor Active oder Komoot abrufen, mit der Neuerung erhalten diese Anbieter neue Konkurrenz von Apple.

WatchOS 10 – topographische Karten
Auch Fahrradfahrer werden vom Update profitieren – die Herzfrequenzzonen, wie sie jetzt beim Wandern oder Gehen, Outdoor oder Laufen funktionieren, – werden auch beim Fahrradfahren dargestellt. Wer sein iPhone als Bordcomputer am eigenen Radl nutzt, erhält eine neue Live-Activity mit den gesamten Auswertungen der Route in Echtzeit dargestellt. So gesehen mutiert das iPhone zu einem riesigen Display der Apple Watch, was keine so verkehrte Entwicklung ist, muten doch manche Fitness-Auswertungen, auch beim Radfahren, wie ein Dashboard in einem Flugzeug an. Mit den neuen Algorithmen kann die Apple Watch zudem „Functional Threshold Power“ (FTP), der höchstmögliche Intensität beim Fahrradfahren in einer Stunde berechnen und aufgrund dieser Messung eigene Leistungszonen anzeigen kann.

watchOS 10 – Leistungszonen für Fahrradfahrer

watchOS 10 – Höhenmeter beim Fahrradfahren
Seelische Gesundheit
In Anlehnung an die Journal-App unter iOS 17 bohrt Apple seine Achtsamkeit-App aus. Man kann darin eigene emotionelle Zustände mit einem Tipp auf den Bildschirm registrieren und später auswerten. Apple stellt zudem medizinisch validierte Fragebögen zur Verfügung, die Nutzerinnen und Nutzern helfen sollen, ihre Zustände besser einzuordnen und gegebenenfalls rechtzeitig Hilfe einholen.
Sehstärke in der Health-App
Was jetzt komplett überraschend kommt, aber im Nachhinein komplett logisch erscheint, sind mehrere Funktionen zur Überwachung der eigenen Gewohnheiten, die sich negativ auf die Sehstärke einwirken können. So ist beispielsweise nachgewiesen, dass eine bestimmte Aufenthaltsdauer im Tageslicht sich positiv auf die Augen auswirkt und die Entwicklung von Kurzsichtigkeit vorbeugen kann. Ab iOS 17 und watchOS 10 wird es eine neue Auswertung geben, die anzeigt, wie lange zum Beispiel das eigene Kind draußen verbracht hat.
Die Hardware hat jede Apple Watch bereits eingebaut bekommen: Die Analyse erfolgt anhand der Daten vom Umgebungslichtsensor. Auf dem iPhone und iPad können die Frontkameras die Entfernung des Gesichtes vom Bildschirm messen und gegebenenfalls warnen, man solle doch das Gerät etwas weiter rücken. Bei uns hat das in der Kindheit die Oma gemacht, nun übernehmen die Aufgabe die schlauen Algorithmen in watchOS und iOS.

Apple
Die Funktionen klingen natürlich alles andere als spektakulär, doch man darf solche Änderungen nicht unterschätzen, denn diese greifen in tägliche Gewohnheiten sehr vieler Menschen ein. Es ist bereits nachgewiesen, dass beispielsweise beim Sport tägliche aktive Angewohnheiten mehr Positives bewirken als seltene intensive Trainings. Auch hier kann die Neuerung von Apple hoffentlich vielen Jugendlichen die Sehstärke bis ins hohe Alter zu erhalten helfen.
Kleinere Funktionen
Neben diesen vier großen Bereichen hat Apple an einigen Stellen weitere Schrauben gezogen. So gibt es MDM (Mobile Device Management) jetzt für die Firmen-Apple-Watches. Die neuen Bewegungssensoren auf der Apple Watch 8 oder Ultra können heftige Bewegung beim Tennis oder Golf feststellen und so diese Trainings besser aufzeichnen. Die Medikamente-App „nörgelt“ jetzt auch eine halbe Stunde später, wenn man vergessen hat, rechtzeitig die Tabletten einzunehmen. Ach, und Facetime kommt endlich auf die Apple Watch, also zumindest die Steuerung dafür.
Fazit
Da die Apple Watch etwas abseits vom Fokus der ganzen Leaker und Analysten bleibt, gelingen Apple bei den Vorstellungen von watchOS die meisten Überraschungen. Die Funktionen für die eigene Sehstärke hat bestimmt keiner auf dem Schirm gehabt, doch einmal vorgestellt, erscheint es eigentlich eine logische und nützliche Neuerung. Die ewigen Diskussionen, ob der eigene Nachwuchs genügend Zeit draußen verbracht hat, gehören damit der Vergangenheit an: watchOS bzw. Health führt von nun an genau Buch darüber.