Macwelt wünscht einen guten Morgen!
Theorie ist, wenn man weiß, wie es geht, es aber nicht klappt. Praxis ist, wenn es klappt, aber man weiß nicht, warum. Theorie und Praxis vereint: Nichts klappt – und keiner weiß, warum. Wir hoffen mal sehr, dass Apple mit seiner Vision Pro Theorie und Praxis anders zusammen bekommt und die Sache auch klappt, weil Apple weiß, warum die Leute einen räumlichen Computer wünschen.
Warum wir aber heute auf den alten Spruch mit der Theorie und Praxis kommen, hat mit Wolfgang Pauli zu tun. Jenem theoretischen Physiker aus der Riege der in den späten 1920ern und frühen 1930ern, der goldenen Ära der Quantenphysik, noch jungen Forschern, der auch Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger oder Pascual Jordan angehörten. Über Pauli ging das Bonmot, er müsse in einer Universitätsstadt nur am Bahnhof ankommen, schon würden alle Experimente in den Laboren der Stadt schiefgehen.
Als Theoretiker war er aber brillant, eine der auf Pauli zurückgehenden wesentlichen Erkenntnisse ist ein Verbot, an denen die damals tätigen Populisten auch ihre wahre Freude hatten. Doch gilt dieses Verbot für Fermionen (also Quantenteilchen mit halbzahligem Spin), die eben nicht in allen Quantenzahlen übereinstimmen dürfen. Was so abstrakt klingt, hat wesentliche Konsequenz für den Aufbau von Materie – die Schalenstrukturen von Atomen (und auch ihren Kernen) ist mit dem Pauli-Verbot leicht zu erklären.
Eine andere Pauli-Erkenntnis traf eine korrekte Vorhersage für ein neues Teilchen, das zuvor völlig undenkbar war: das Neutrino. Denn beim Betazerfall – bei dem in einem Atomkern ein Neutron zu einem Proton wird und dabei ein hochenergetisches Elektron aussendet – fehlt etwas in der Bilanz: Spin, respektive Energie. Und die Energieerhaltung ist das womöglich wichtigste Prinzip der Physik überhaupt.
Nur: Das Neutrino getaufte Teilchen (genauer gesagt: Elektronantineutrino) reagiert praktisch überhaupt nicht mit anderer Materie, macht sich also in keiner Messung bemerkbar. “Wir haben etwas, das wir nicht verstehen, durch etwas ersetzt, das wir nicht sehen” erkannte Pauli ein wenig resigniert. Ein “Nichts, das sich dreht”, sei das Neutrino. Wie also dieses Geisterteilchen nachweisen?
Es hat dann auch über 20 Jahre gedauert, bis am 14. Juni 1956 die beiden US-Physiker Clyde L. Cowan und Frederick Reines Pauli per Telegramm darüber informieren durften, dass sie endlich den Nachweis des Neutrinos führen konnten. Der ist auch heute noch recht schwer zu führen, unter dem Gran-Sasso-Massiv etwa steht das größte Neutrinoexperiment der Welt, abgeschirmt vor kosmischer Strahlung unter Kilometern von Fels.
Mittlerweile gilt als sicher, dass Neutrinos, die nur mit der schwachen Kernkraft – eben der für den Betazerfall verantwortlichen – interagieren, auch eine Masse besitzen. Sonst könnten sich nicht von der Sonne ausgesandte Tau- und Myon-Neutrinos in Elektron-Neutrinos und umgekehrt auf ihrer für uns aus gesehen gut achtminütigen Reise wandeln. Jüngste Neutrinotheorien besagen gar, dass es sich bei ihnen um ihre eigenen Antiteilchen handeln könnte – das ist aber sehr spekulativ. Es müsste schon viel Theorie und Praxis zusammenkommen, um das nachzuweisen.
Immerhin sind die Obergrenzen für die Neutrinomassen recht niedrig, sie können bei weitem nicht jene dunkle Materie bilden, die sich im Kosmos allein durch ihre Gravitation bemerkbar macht.