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Der Hype um das Apple Vision Pro, ist er berechtigt? Platziert Apple wieder eine Wette auf ein Produkt, welches das Computing komplett umkrempeln soll und riskiert dabei erneut seine Existenz, wie schon bei iPhone? Wir wissen, wie es ausgegangen ist, aber nicht, wie knapp es wirklich war.
Vision Pro oder die Varianten, die da folgen werden, sind nicht weniger disruptiv und es ist schwer abzuschätzen, ob diese Computerrevolution wirklich so bei den Leuten ankommt, wie es Apple wünscht. Pläne haben es oft an sich, dass sie kaum noch passen, wenn sie auf die Realität treffen. Hat man, in einer weniger kritischen Form, bei der Apple Watch gesehen. Fantasiert als “iPhone am Handgelenk”, konzipiert als modisches Accessoire und Verlängerung des iPhone-Bildschirms hat sich die Uhr letztlich als unerlässliches und nützliches Gesundheitsgerät erwiesen. Wir wissen wirklich nicht, wo Apple Vision in den 30er-Jahren dieses Jahrhunderts stehen wird und wie Apples generelle Vision aussieht. Die Firma wird es indes sicher noch geben, diesmal ist nicht die komplette Existenz der Wetteinsatz.
Tim Cook hat Apple zu einer wahren Effizienzmaschine geformt, ist das Urteil von Wirtschaftsjournalisten, eine Art vergiftetes Lob. Denn wo bleibt die Vision? Was dabei aber übersehen wird: Apple mag zwar streng nach Plan vorgehen, um seine Effizienz zu erhalten und zu erhöhen, ist aber in Krisen flexibel und kreativ genug, um das Beste daraus zu machen – und auch nach Überwindung der Krise das Gelernte anzuwenden.
Ein besonderes Beispiel dafür zeigte sich am 22. Juni 2020. Apples Vision Pro war da längst in Entwicklung, aber darum geht es nicht. Sondern darum, wie Apple mit Virtualität auf eine Realität reagierte, die so gar nicht schön war.
Die Covid19-Pandemie hatte es unmöglich gemacht, ein Entwicklertreffen abzuhalten, zu dem aus aller Welt etwa 5000 Gäste anreisten, um sich mit 1000 Apple-Ingenieuren vor Ort in engen Räumen intensiv auszutauschen. Und was machte Apple? Aus der Not eine Tugend. Die erste rein virtuelle WWDC war geboren und nicht wenige Entwickler schätzten das Format deutlich mehr als das zuvor, bei dem man in der Verlosung für ein Ticket enorm Glück haben musste, um wirklich vor Ort zu sein. Schon in den Jahren vor Ausbruch der Pandemie hatte Apple einzelne Sessions für Entwickler als Aufzeichnung bereitgestellt, aber das ist irgendwie so, wie ein Fußballspiel, das in der Nacht lief, am Morgen danach zeitversetzt komplett anzusehen. Irgendwann spult man doch vor.
Die Notwendigkeit zur Virtualität betraf freilich auch die Keynote – auch für diese musste man schon lange nicht mehr anreisen, Apple überträgt seit mehr als zehn Jahren die Live-Show auf Schirme in aller Welt. Während bis 2019 aber vorproduzierte Videos die Keynote einleiteten oder neu Produkte noch intensiver vorstellten, musste 2020 die komplette Show vorproduziert werden. Mit traurigen Elementen, wie Tim Cook allein auf der Bühne eines leeren Steve Jobs Theaters. Mit witzigen, wie Craig Federighis Sprüche und den raffinierten Übergängen von einem Präsentator zur nächsten.
Apple hat das bis heute beibehalten, lädt allmählich aber auch wieder Entwickler und Journalisten zur Show ein. Ganz so wie früher wird es nicht mehr werden. Aber das wurde die Apple Watch auch nicht mehr, als sie sich als Lebensretter und Gesundheitsgadget entpuppt hatte.