Auf den ersten Blick klingt der von der EZB geplante digitalen Euro nicht gerade spannend – schließlich zahlt man bereits immer öfter mit Karte also digital? Und wo ist für den Konsumenten der Unterschied, ob er per Geldkarte zahlt oder mit einem „Digitalen Euro“?
Gerade bei kleinen Geldbeträgen erlebt man immer wieder die Nachteile eines von Finanzkonzernen dominierten Bezahlsystems: Möchte man in einer kleinen Bäckerei ein Stück Kuchen kaufen oder im Kiosk ein Getränk, ist bargeldloses Bezahlen oft nicht möglich. Je nach Geschäftsbank muss der Händler nämlich schon für jede Transaktion so hohe Gebühren zahlen, dass es sich für ihn kaum mehr lohnt.
Bis die 2,90 € für den Käse-Kuchen oder die 1,30 Euro für das Jever von Ihrem Konto auf dem Konto des Ladenbesitzers landen, werden etwa Transaktionsgebühren, Umsatzanteil, sogenannte Clearing-Kosten, Service-Pauschale und Miete für das Kartenlesegerät fällig.
Wem die Karten teuer kommen
Bei Zahlung per Kreditkarte wird es gleich noch teurer. Die Zahlung erscheint dem Kunden nur kostenlos, da ein Händler Gebühren irgendwie zurückholen muss. Überdies erheben einige Banken und Sparkassen beim kontaktlosen Zahlen bis zu 80 Cent Gebühr.
Es wird sogar immer teurer an Bargeld zu kommen: Seinen Kunden würde die Sparkasse München gerne 49 Cent für jede Transaktion ab 10 Euro mit Karte abknöpfen, eine Überweisung kostet ein Euro am Terminal und zwei am Schalter, nur online bleibt sie kostenlos. (Dagegen regt sich jedoch Protest des Gesellschafters, der Stadt München, die Stadtsparkasse musste einige ihrer Pläne wieder einkassieren. Anm. d. Red.)
Bei einem digitalen Euro könnten all diese Gebühren wegfallen, verspricht die EZB. Der große Unterschied: Bei einem Einkauf bezahlen wir mit privatem sogenannten Buchgeld, das grob verkürzt von Banken durch Forderungen geschaffen wurde. Nur Bargeld in Münzen und Scheinen wird von den Zentralbanken selbst ausgegeben. Auch der digitale Euro würde wie Bargeld von der Zentralbank direkt ausgegeben.
Ein iPhone-Nutzer würde mit dem Gerät kontaktlos bezahlen – ganz ohne Apples Bezahlsystem. Der digitale Euro könnte wirklich kostenlose Zahlungen ermöglichen – was eigentlich gar nicht im Interesse von Google, Mastercard, Visa und Apple wäre, die mit ihren Systemen viel Geld verdienen. Für Apple ist Apple Pay außerdem nicht nur Einnahmequelle, sondern eine wichtige Stütze des Apple-Ökosystems.
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Das sind die Ziele der EZB
Es geht der EZB aber nicht nur um die Nöte der Konsumenten, es gibt strategische Gründe den digitalen Euro einzuführen. Etwa hundert andere Länder planen oder nutzen bereits eine digitale Zentralbankwährung, auch Central Bank Digital Currency (CBDC) genannt. China hat seinen digitalen Yuan schon 2020 bereits erfolgreich eingeführt.
Sorge macht der EZB vermutlich auch, dass ein (wenn auch stark umstrittener) digitaler US-Dollar in Planung ist. Gefährlich für andere Währungssysteme: So wie Englisch Geschäftssprache ist, ist aktuell bereits der US-Dollar bei zahllosen Rechnungen, der sogenannten Fakturierung, vorherrschend. Dies könnte laut Fachleuten ein digitaler US-Dollar sogar noch ausweiten.
Schon aus strategischen Gründen ist deshalb ein digitaler Euro wichtig, um die Währung Euro zu stärken. Konzerne wie Apple sind ein weiterer Grund: Die Abhängigkeit von Zahlungsdienstleistern aus dem Ausland (v.a. Kreditkartenunternehmen) soll verringert werden. So meinte der Bundesbankvorstand Burkhard Balz, man könne sie von privaten Anbietern wie Paypal, Google und Apple nicht einfach verdrängen lassen. Ein weiterer Aspekt ist es, eine Alternative zum Bargeld zu schaffen. Ein heikles Thema, da für viele Konsumenten Bargeld auch Unabhängigkeit bedeutet. Betont wird deshalb von der EZB immer wieder, dass Bargeld keineswegs ersetzt, sondern nur ergänzt werden soll.
Nicht zuletzt werden immer wieder kommende Aufgaben aus der Industrie genannt, etwa die automatische Bezahlung von Produkten oder Dienstleistungen, die mit einer CBDC einfacher möglich wären. Besonders wichtig ist es der EZB laut eigenen Worten, das bestehende Bankensystem nicht zu schwächen.

Für den digitalen Euro gibt es gute Gründe
EZB
Kritik an dieser Schonung bleibt nicht aus: In einem Artikel der NZZ hat etwa der Wirtschaftswissenschaftler Dirk Niepelt den digitalen Euro schon als Totgeburt bezeichnet, da es laut ersten Fortschrittsberichten ein vorrangiges Ziel der EZB, das bestehende Bankensystem eben nicht zu erschüttern.
Ernüchternd ist aber der Zeitplan: Die Einführung ist für 2026 geplant, allerdings gilt dieser Zeitplan schon als sehr anspruchsvoll. Bis zur Einführung könnte also noch sehr viel passieren.
Infrastruktur noch unklar
Vor allem die Kreditvergabe durch die Banken wird als unersetzbare Aufgabe der Finanzwelt gesehen. Die EZB hat deshalb auch gar nicht die Absicht, eine Infrastruktur für die Durchführung der Zahlungsvorgänge selbst zu betreiben – etwa eine unabhängige Bezahl-App der EZB. Sogenannte Intermediäre sollen dies wohl übernehmen – im Prinzip erhält der Endkunde seinen digitalen Euro deshalb auch nicht direkt von der Zentralbank, sondern vermutlich von seiner Hausbank, die auch das Euro-Konto führen wird.
Dass dies zu Interessenkonflikten führen könnte – was hat eigentlich die Bank davon? – ist naheliegend. Im Gespräch ist außerdem die Begrenzung der Summe, die ein Bürger pro Kopf besitzen kann. 3000 Euro hatte etwa Fabio Panetta einmal vorgeschlagen. Dies soll verhindern, dass das digitale Geld für Geldanlagen benutzt wird, sogar negative Zinsen werden deshalb diskutiert. Auch als Konkurrent für den Bitcoin wurde der digitale Euro empfunden, allerdings ist der Hype um den Bitcoin mittlerweile verblasst. Ob man den digitalen Euro mithilfe der Blockchain verwalten könnte, wird jedoch erprobt.
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Entwickeln wird das Konzept die Rulebook Development Group (RDG), die aus Vertretern von Zentralbanken und Vertreten von Interessenvertreten, etwa von Konsumenten, Händler und Zahlungsdienstleistern, besteht. Für die technische Abwicklung testet die RDG aktuell zwei Systeme: Das bereits 2018 eingeführte elektronische Bezahlsystem Target Instant Payment Settlement (TIPS): Dieses erlaubt Zahlungsdienstleistern, Geldtransfers mit Zentralbankgeld abzuwickeln. Künftig könnte mit TIPS aber auch der E-Euro fließen. Zum anderen wird aber auch ein auf der berühmten Blockchain basierendes System genutzt werden. Nach ersten Berichten scheint aber TIPS die leistungsfähigere Lösung zu sein.
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Datenschutz als Streitthema
Ein Kritikpunkt am digitalen Euro ist der Datenschutz. Die neue Digitalwährung lässt sich im Unterschied zum Bargeld gut überwachen, da Käufer und Verkäufer erfasst werden – ganz im Unterschied auch zu Kleinbeträgen, die man per Geldkarte zahlt. Die EZB hat zwar versucht, diese Vorwürfe zu entkräften, diese aber indirekt doch eher bestätigt.
So schlägt sie vor, man könne beispielsweise die Nutzeridentität getrennt von den Zahlungsdaten speichen. Dann könnten laut EZB nur zentrale Meldestellen für Finanztransaktionen diese Informationen auswerten – und nur bei Verdacht auf kriminelle Aktivitäten. Eine Anonymisierung der Zahlungen ist nicht geplant.
Fazit
Um den neuen digitalen Euro existieren viele Mythen: Einige fürchten, er könnte die Abschaffung von Bargeld erlauben, andere sorgen sich, dass jedes Geldgeschäft erfasst werden wird. Das ist nicht unbegründet, die von der Europäischen Zentralbank geplante neue Währung hat das Potenzial, den Zahlungsverkehr zu revolutionieren und Angebote wie Apple Pay starke Konkurrenz machen.
Das Projekt könnte aber auch still und leise scheitern. Vor allem der Zeitplan wirkt ernüchternd, so könnte der Bargeldersatz noch bis 2027 oder 2028 auf sich warten lassen. Bis dahin könnten sich Apple Pay und Google Pay schon komplett am Markt durchgesetzt haben, vielleicht aber auch völlig andere Bezahlsysteme.