Macwelt wünscht einen guten Morgen!
Früher war nicht alles besser, nicht mal alles anders. Schlechter war aber so einiges, vor allem Apple-Produkte. Der größte Flop der Firmengeschichte, der diese beinahe auch beendet hätte, war so eines: das Newton Message Pad oder kurz Newton.
Am 2. August 1993 auf der Macworld Expo in Boston vom damaligen Apple-CEO John Sculley der Öffentlichkeit gezeigt, war das Gerät eigentlich schon chancenlos, als es auf den Markt kam. Denn schon im Mai des Jahres 1992 hatte Sculley das angebliche Wundergerät erstmals angekündigt, auf der Sommerausgabe der Macworld Expo im Jahr darauf gab er nur noch den endgültigen Startschuss für den Verkauf, der tags darauf beginnen sollte.
Das Problem: die vollmundig gegebenen Versprechen konnte der Newton nicht halten, vor allem was die Handschriftenerkennung betraf. Die frühe Ankündigung hatte zudem die Entwickler in Cupertino unter Druck gesetzt, der Newton kam als unausgereiftes Gerät auf den Markt.
Außerdem fehlte es an Infrastruktur: Das Internet war noch jung in jenen Tagen, von einer mobilen Veranstaltung konnte man 1993 nur träumen. So fand der Newton kaum Anschluss, auch der an den Mac war suboptimal gelöst.
Die Konkurrenz hatte zudem ausreichend Zeit, um bessere Lösungen zu entwickeln. Palm erfand gar eine eigene Kurzschrift für seine Handhelds, die zwar auch nicht immer die besten Ergebnisse lieferte, aber doch meist recht zuverlässig aus Gekrakel editierbaren Text machte.
Der Newton war als Taschencomputer seiner Zeit einfach nur voraus, für Apple Ende der Neunziger aber ein Klotz am Bein. Der aus dem Exil zurückgekehrte Steve Jobs stellte die bereits von Apple abgespaltene Abteilung im Februar 1998 komplett ein, nicht nur aus Rachegelüsten an dem Mann, der ihn ins Exil getrieben hatte und der den Newton als sein Prestigeprodukt betrachtete, eben John Sculley. Apple hatte in seiner größten Krise der Unternehmensgeschichte sich für eine Fokussierung auf die Neuerfindung des Mac entschieden.
Nur wenig später begann bei Apple eine neue Ära, in deren Verlauf der Newton nicht zurückgekehrt ist, sondern seine besten Ideen wie die Kompaktheit in andere Produkte eingeflossen sind.
Der iPod bereitete den Weg für das iPhone und das iPad, selbst die Handschrifterkennung hat Apple neu erfunden. Wenn auch nicht für das iPhone, das sich immer noch dem Prinzip Eingabestift verweigert, das der Newton pflegte. Sondern für das iPad: Die Ergebnisse von “Scribble”, das es seit iPadOS 14 auf dem iPad gibt, sind recht akkurat. Manche Dinge benötigen einfach länger.
Apple hat aus dem unseligen Frühstart Sculleys auch gelernt. Zwischen Vorstellung des iPhone und dessen Verkaufsstart lag nicht mal ein halbes Jahr – zu kurz für die Konkurrenz, um aus dem Staunen herauszukommen. Bei der Apple Watch war es etwas mehr als ein halbes Jahr, die smarte Uhr ist aber auch heute noch unübertroffen.
Wird es beim Headset Vision Pro ähnlich laufen? Angeblich standen die Entwickler erneut unter Druck des CEO, um rechtzeitig für die geplante Präsentation im Frühsommer halbwegs fertig zu werden. Wie man hört, ist es gelungen, ein halbwegs ausgereiftes System mit zuverlässiger Software vor die kritischen Augen der Presse zu bekommen – doch hat Apple bisher die Nutzung streng reglementiert. Ebenso müssen sich Entwickler an strikte Vorschriften halten, öffentlich verfügbar werden soll das Vision Pro erst, wenn Apple den Startschuss für den Verkauf gibt. Falls das wirklich noch im Frühjahr 2024 passiert – also bis etwa April – sollte der Vorsprung wieder groß genug werden, dass aus dem Raumcomputer Vision Pro ein Erfolg wird und kein Rohrkrepierer.