Während es zuletzt jede Menge Neuerungen für die Apple Watch 8 und die Ultra gab, wird sich das aktuelle Jahr für die Apple Watch etwas ruhiger gestalten. Als fast sicher gilt ein neues SiP (System in a Package), das ab der Series 9 auf dem neueren A15 basieren sollte. Hintergrund: Die letzten drei Generationen haben als Basis für ihre SiPs den etwas in die Jahre gekommenen A13-Prozessor als Grundlage gekommen. Dieser wurde zum ersten Mal im iPhone 11 veröffentlicht und war der letzte Apple-Chip im 7-nm-Verfahren.
Die restlichen Neuerungen, die für die Series 9 als wahrscheinlich gelten, sind bei Weitem nicht so spannend: 5G als nächste Mobilfunkgeneration, eine neue WLAN-Generation – das alles behebt vielleicht ein paar Hürden im Alltag, klingt aber nicht so spannend, als dass man sich sofort eine neue Uhr holen möchte. Davon, also vom Upgrade jedes Jahr, werden wir sowieso abraten: Die meisten Apple Watches, falls pfleglich behandelt, halten drei Jahre und mehr. Davon geht der Hersteller in seinem Umweltbericht ebenfalls aus.
Das Tock-Jahr bei der Apple Watch, also interne Änderungen ohne offensichtlichen Nutzen, können ein Grund sein, die Apple Watch Series 9 zu überspringen. Doch lohnt es sich, auf die Series 10 zu warten?
Wenn wir von der gleichen Logik ausgehen, wie Apple sie seit der Series 3 implementiert, sollte man für das nächste Jahr deutlich mehr auffallende Funktionen erwarten wie im Herbst 2022. Doch was könnte das sein?

Apple
Blutdruck statt Blutzucker
Aktiv in der Entwicklung befindet sich wohl die Blutdruckmessung mittels Laser-Dioden, ohne Hilfe von Aufpump-Manschetten und anderem Zubehör. Diese Entwicklung treibt allerdings Rockley Photonics voran, ein Start-up aus Großbritannien, das schon vor einigen Jahren mit großmütigen Versprechungen in der Presse aufgefallen ist. Die Firma hat in diesem Jahr bereits die Insolvenz eingereicht und sich nach nur 40 Tagen neu gegründet. Der Insolvenzantrag, genauer genommen der dafür notwendige Jahresbericht 2022, beinhaltet interessante Details, die in Summe darauf hinweisen, dass Rockley Photonics direkt und fast ausschließlich mit Apple arbeitet. Die entsprechenden Passagen aus dem SEC-Bericht lauten übersetzt ins Deutsche wie folgt:
So haben wir zum Beispiel seit 2017 einen Entwicklungs- und Liefervertrag mit einem Kunden und haben erfolgreich kritische Musterchips entwickelt und an ihn geliefert. … Obwohl ein großer Prozentsatz unserer Verkäufe an Kunden in Nordamerika erfolgt, gehen wir davon aus, dass eine beträchtliche Anzahl der von diesen Kunden entwickelten Systeme und Geräte unsere Halbleiterprodukte enthalten, die dann an Endverbraucher in aller Welt verkauft werden.
SEC-Bericht, Seite 11
Die Umsätze, die Rockleys größtem Kunden zuzurechnen sind, machten in den Jahren 2022 bzw. 2021 den größten Teil der Umsätze aus. Rockley geht davon aus, dass die diesem Kunden zurechenbaren Umsatzerlöse von Periode zu Periode schwanken werden, obwohl das Unternehmen davon ausgeht, dass ein erheblicher Teil seiner Umsatzerlöse in absehbarer Zukunft von diesem Kunden abhängig sein wird. Rockley hat mit diesem Kunden einen Rahmenliefer- und Entwicklungsvertrag abgeschlossen, der einen allgemeinen Rahmen für die Transaktionen von Rockley mit diesem Kunden bildet.
SEC-Bericht, Seite 24
Unser Hauptsitz befindet sich derzeit im Vereinigten Königreich. Wir haben Räumlichkeiten in Pasadena, Kalifornien, … die vor allem für technische, finanzielle und allgemeine Verwaltungsdienste genutzt werden. In San José, Kalifornien, mieten wir ein Gebäude, … das hauptsächlich für Vertriebs- und Marketing-, Finanz- und allgemeine Verwaltungsdienste genutzt wird. In Irvine, Kalifornien, sind unsere Sensoranwendungseinrichtung und zusätzliche Büroräume untergebracht.
SEC-Bericht, Seite 15
Kurz um, Rockley Photonics hat eine Vertriebs- und Marketingabteilung in San José, direkt vor der Apples Haustür. Dazu hat man einen Vertrag mit „einem Kunden“ schon seit 2017, die Geschäfte mit ihm tragen zum größten Teil zu den Umsätzen der Firma bei.
Trotz der Insolvenz hat jedoch Rockley Photonics sein Versprechen eingehalten: Seit rund einem Jahr gibt es von der Firma zwei Armbänder mit eigenen Sensoren, Vital Specs und Bioptx. Die Spezifikationen von Bioptx unterscheiden sich nicht signifikant von den Geräten, die bereits auf dem Markt erhältlich sind. Das neue Armband kann Körpertemperatur, Atmungsrate, Blutsauerstoffsättigung, Herzfrequenz und deren Variabilität in Echtzeit messen. Neu ist allerdings die Hydrationsrate des Körpers, also die Flüssigkeitszufuhrrate im Körper.
Doch Rockley Photonics ist gerade dabei, einen weiteren Parameter in die Liste aufzunehmen. Die Wissenschaftler der Firma forschen daran, wie genau die eigenen Sensoren nicht invasiv den Blutdruck messen können. Die ersten Tests waren bereits im Oktober 2022 abgeschlossen, Rockley will sein Gerät allerdings noch in einer Studie mit mindestens 200 Teilnehmern überprüfen, die noch 2022 starten sollte.
Fazit: Sollte Rockley Photonics seine Forschung vorantreiben und Genauigkeit und Zuverlässigkeit seiner Sensoren bei der nicht invasiven Blutdruckmessung beweisen, ist es höchstwahrscheinlich, dass Apple diese Technologie in den kommenden Apple Watches übernimmt. Die Firma wird am 13. August die Ergebnisse seines zweiten Quartals 2023 präsentieren, vielleicht erfahren wir mehr über die Fortschritte bei den Messungen. Die hat Rockley Photonics bitter nötig, denn davon hängen seine Überlebenschancen ab.
Falls Sie also Ihren Bluthochdruck im Auge behalten wollen, ohne ständig zu externen Geräten zu greifen, lohnt es sich, die Apple Watch Series 9 auszulassen und lieber auf die kommenden Generationen der Uhr zu warten.