Die meisten Leaker und Apple-Analysten sind sich einig: Die kommende Generation des iPhones wird Lightning von der Feature-Liste streichen und auf USB-C setzen. Bei den iPads hat der Umstieg mit dem iPad Pro aus dem Jahr 2018 begonnen. Doch bei den iPhones sperrte sich das Unternehmen bis zuletzt, den von der EU als einheitlichen Ladestandard geforderten Port statt Lightning zu bringen.
Wir sind gespannt, mit welchen Worten und Argumenten der Hersteller den neuen Anschluss in den kommenden iPhones anpreist. Es ist hinreichend dokumentiert, dass Apple nicht so richtig mit der Regulierung der EU einverstanden war: Im Januar 2019 hatte der Hersteller eine öffentliche Rückmeldung zur EU-Intitianive “Standard chargers for Mobile Phones” veröffentlicht. Demnach würde eine solche Regulierung Innovation behindern:
Vorschriften, die die Konformität der in allen Smartphones eingebauten Stecker erzwingen würden, blockieren Innovationen, anstatt sie zu fördern. Solche Vorschläge sind schlecht für die Umwelt und unnötig störend für die Kunden.
Apple (Januar 2019)
Dazu könnte die Regulierung zu einem erhöhten Aufkommen an Elektroschrott führen:
Mehr als 1 Milliarde Apple-Geräte wurden mit einem Lightning-Anschluss ausgeliefert (Stand Januar 2019 – Anm. d. Red). Hinzu kommt ein ganzes Ökosystem von Zubehör- und Geräteherstellern, die Lightning verwenden, um unsere gemeinsamen Kunden zu bedienen. Wir wollen sicherstellen, dass neue Rechtsvorschriften nicht dazu führen, dass mit jedem Gerät unnötige Kabel oder externe Adapter mitgeliefert werden oder dass Geräte und Zubehör, die von vielen Millionen Europäern und Hunderten von Millionen Apple-Kunden weltweit verwendet werden, obsolet werden. Dies würde zu einer noch nie dagewesenen Menge an Elektroschrott führen und den Nutzern große Unannehmlichkeiten bereiten. Der Zwang, diesen riesigen Kundenmarkt zu stören, wird Folgen haben, die weit über die erklärten Ziele der Kommission hinausgehen.
Apple (Januar 2019)
Kurz darauf, im Dezember 2019, erschien im Auftrage Apples eine Studie von Copenhagen Economics. Diese wiederholte die Argumente über Behinderung der Innovation und brachte einige neue. Demnach würde ein einheitliches Ladekabel den Wettbewerb behindern, dazu gebe es einige Einschränkungen bei der Höhe des Geräts: Apples Lightning ist um 1,1 Millimeter dünner als ein USB-C-Stecker (1,7 mm Höhe und 2,8 mm Höhe respektive). Die Studie hat zudem ausgerechnet, dass die beidseitig einsteckbaren Kabel (Lightning und USB-C) in der EU im Jahr 2018 26 Millionen Stunden für das Einstecken sparten: Man braucht ja nie mehr als einen Versuch.
Die EU-Regulierung zum einheitlichen Ladekabel könnte laut der Studie auch nachfolgende Nachteile für die Kunden haben: Die EU-Kunden würden einen höheren Preis für das gleiche Produkt zahlen, da die Hersteller unterschiedliche Produktionslinien für EU-Waren und Nicht-EU-Waren betreiben würden.
Kunden außerhalb der EU würden in ihrer Auswahl beschränkt werden, weil ein EU-konformes Kabel auf den anderen Märkten nicht oder nur selten verfügbar wäre. Produkte, gekauft außerhalb der EU, würden nicht mit EU-konformen Kabeln kompatibel sein. Die EU-Kunden müssen länger auf Innovationen warten, weil die Neuerungen an die Anforderungen für standardisierte Kabel angepasst werden müssen.
Die Studie behauptet zudem, die neue Regulierung könnte andere Staaten oder Vereinigungen von Staaten dazu bringen, eigene Regeln aufzustellen, die sich von der EU-Richtlinie unterscheiden, dies könnte zu weiteren Fragmentierung auf dem Kabel-Markt führen. Weiterhin zitieren die Autoren Apple und seine Berechnungen, wie sich die Materialausgaben für ein Lightning und ein USB-C-Kabel unterscheiden. Demnach würden USB-C-Kabel im Vergleich zu Lightning-Kabeln die doppelte Menge an Plastik benötigen (siehe Grafik).

Materialverwendung – Vergleich USB-C und Lightning
Copenhagen Economics hat für ihre Studie eine Umfrage erstellt, die Fragen haben 500 Respondenten aus Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden und Polen beantwortet. Wir haben bei Eurostat nachgefragt, wie der europäische Dienst seine Daten sammelt. Demnach versucht der Dienst so wenig wie möglich nicht-repräsentative Umfragen zu publizieren, dazu werden solche gesondert gekennzeichnet. Damit eine Umfrage als repräsentativ gelten kann, sollen die Respondenten in etwa auch die demografische Struktur der gesamten Gruppe abbilden, die untersucht wird. Dazu soll die Respondentenzahl groß genug sein.
Laut Eurostat schwanken für Deutschland diese Zahlen je nach Methode zwischen 14.500 und 10.500 Respondenten, für Italien – zwischen 15.500 und 11.750, für Frankreich – zwischen 13.500 und 10.250 Befragten. Daraus kann man schlussfolgern, dass die Umfrage von Copenhagen Economics nicht repräsentativ ist, ihre Ergebnisse kann man nicht auf die EU und ihre Bevölkerung extrapolieren.
Etwa zwei Jahre später, als die EU die geplante Regulierung weiter ausgearbeitet hat, und es schon absehbar wurde, dass ein einheitliches Ladekabel in der EU demnächst Realität wird, hat Apple auf den Gesetzentwurf reagiert. Der Hersteller war über die kommende Gesetzeslage nach wie vor nicht sonderlich erfreut:
Wir befürchten, dass eine Verordnung, die nur einen Steckertyp für alle auf dem Markt befindlichen Geräte vorschreibt, den europäischen Verbrauchern schaden wird, da sie die Einführung nützlicher Innovationen bei den Ladestandards, einschließlich derer, die sich auf die Sicherheit und Energieeffizienz beziehen, verlangsamt. Sie wird auch die Auswahl für die europäischen Verbraucher einschränken, indem sie günstigere ältere Modelle vom Markt nimmt und den Elektroschrott erhöht, indem sie die Entsorgung von bestehenden Kabeln und Zubehör auslöst.
Apple
Allerdings ist Apples Vertreter auch auf Mängel im Gesetzentwurf eingegangen. Demnach erwähnt der Text konkrete Versionen von USB-C- und USB-PD-Standards. Diese werden jedoch kontinuierlich aktualisiert. Allein die Aktualisierung der Gesetzestexte würde zur unnötigen Verzögerung der Einführung auf dem EU-Markt sorgen.
Zudem reguliert die neue Richtlinie nur bestimmte Aspekte des USB-C-Standards, was dazu führen könnte, dass auf dem Markt Kabel erscheinen, die gleich aussehen, aber unterschiedliche Funktionen haben, was zu Verwirrung bei den Kunden führen kann. Apple meint auch, dass die Regulierung einen negativen Effekt haben kann, wenn sie auch auf existierende Modelle der Smartphone-Modelle angewendet wird. Der Hersteller hat vorgeschlagen, dass die neuen Regeln nur für neue und künftige Modelle gelten sollen:
Die Anwendung der Verordnung nur auf neue Modelle oder die Einräumung einer zusätzlichen Übergangsfrist von zwei Jahren für bestehende Modelle würde die unbeabsichtigten negativen Folgen einer Zunahme des Elektroschrotts und einer geringeren Auswahl für die Verbraucher am besten abmildern.
Apple
Fazit
Apple hat sich lange dagegen gesperrt, Lightning aus seinen iPhones zu verbannen. Dennoch wird höchstwahrscheinlich in einer Woche in Cupertino das erste iPhone mit USB-C auf der Bildfläche erscheinen. In Apples Marketingabteilung arbeiten wahre Künstler ihrer Sache, so sind wir gespannt darauf, mit welchen Worten der Hersteller die Änderung präsentiert. Doch es ist noch nicht so lange her, dass sich Apple mit Händen und Füßen gegen diese Neuerung wehrte, diese Abwehrargumente wollten wir hier festhalten.
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