Snow Leopard gegen Lion: Wer ist schneller?

Die Zeiten, in denen Betriebssysteme von Version zu Version schneller werden sind lange vorbei. Auch OS X macht da keine Ausnahme, denn die letzte spürbare Geschwindigkeitssteigerung fand zwischen Version 10.1 (Puma) und 10.2 (Jaguar) statt.

Auch beim aktuellen OS X 10.7 Lion hat man das Gefühl, dass der Mac irgendwie träger geworden ist. Täuscht das nur oder ist da auch messbar was dran?

Um der Sache auf den Grund zu gehen, setzen wir ein Macbook Pro sowohl mit Snow Leopard als auch mit Lion auf und lassen beide Systeme unter identischen Bedingungen mit einer Auswahl von 17 Tests aus unserem üblichen Macwelt-Benchmark-Paket gegeneinander antreten. Ring frei!

Start- und Ladezeiten

Beim Booten stellen wir in der Tat einen Unterschied zu Ungunsten von Lion fest. OS X 10.7 benötigt vom Drücken des Einschaltknopfes, bis die Menüleiste im Finder erscheint, knapp 30 Sekunden. Snow Leopard ist hier in 26 Sekunden fertig. Das sind vier Sekunden, die man im Alltag durchaus spüren wird, falls man seinen Mac häufig ein- und ausschaltet. Prinzipiell muss man das jedoch nicht mehr. Der Ruhezustand reicht in der Regel aus und daraus wachen beide Systeme in vier Sekunden auf.

Beim Starten von Anwendungen sieht es ähnlich aus. Wir testen die Startzeit von Garageband inklusive Laden eines umfangreichen Projekts. Auch hier ist Snow Leopard schneller, auch wenn der Unterschied nicht so groß ist wie beim Booten.

Den integrierten Datenkomprimierer Zip hat Apple mit OS X 10.7 offensichtlich optimiert, denn im Test arbeitet dieser unter Lion etwa 17 Prozent schneller. Wer häufig Daten komprimiert, den wird das freuen.

Erster Zwischenstand: Nach der ersten Runde führt Snow Leopard knapp nach Punkten. Der Altmeister liegt beim Komprimieren von Daten zwar zurück, holt seine Punkte aber beim Booten und Starten von Programmen locker wieder rein.

Photoshop CS5

In der zweiten Runde müssen sich die Kontrahenten unter Photoshop CS5 beweisen. Unser Skript besteht aus 25 rechenintensiven Aufgaben, die Grafiker in ihrer täglichen Arbeit häufig verrichten. Darunter finden sich Gaußscher Weichzeichner, RGB/CMYK-Konversion, Beleuchtungseffekte, Staub und Kratzer entfernen, Unscharf Maskieren und andere.

Das Ergebnis ist klar: unentschieden . Beide Systeme benötigen für das Skript zwölf Sekunden und teilen sich die Punkte. Optimierungen im System wirken sich in Photoshop jedenfalls nicht aus.

iTunes

Rippen von CDs ins MP3- oder AAC-Format ist stets ein beliebter Sport. In Runde drei prüfen wir die Kodiergeschwindigkeit in iTunes. Hier zeigt der Löwe erstmals seine Zähne: Sowohl beim Kodieren ins MP3- als auch ins AAC-Format liegt OS X 10.7 mit 48 respektive 34 Prozent vorn. Das sind ordentliche Zeitersparnisse, die sich über die Zeit hin zu einem guten Polster hin addieren können.

Diese Runde geht eindeutig an den Herausforderer Lion: Obwohl wir auf beiden Systemen die identische, aktuelle iTunes-Version benutzen, ist Lion deutlich schneller. Apple verwendet offensichtlich in Lion optimierte Quicktime-Codecs. Ein Manko bleibt allerdings: Auch unter Lion benutzt der AAC-Kodierer weiterhin nur einen CPU-Kern.

3D-Grafik in Spielen

OS X 10.7 enthält neue Grafiktreiber. Da liegt es nahe, dass Apple Verbesserungen im Hinblick auf schnelle 3D-Actionspiele vorgenommen hat. Wir testen dies mit drei verschiedenen Spielen, Call of Duty 4, Doom 3 und dem schon etwas betagten Klassiker Unreal Tournament 2004. Das Ergebnis ist ernüchternd: Lion ist bei 3D-Action keinen Deut schneller geworden. Die Abweichungen, die wir messen, liegen allesamt im Bereich der Messungenauigkeiten.

Ergebnis: Was rasante 3D-Spiele-Action angeht, teilen sich beide Kontrahenten wieder die Punkte .

Core Image/OpenCL

Ebenfalls eng mit der Grafikkarte verknüpft sind die Funktionen Core Image und OpenCL. Core Image ist seit Mac-OS X 10.4 Tiger an Bord eines jeden Mac und bietet eine breite Palette an Grafikfiltern und Effekten an. Durch einfache Funktionsaufrufe kann jedes Grafikprogramm auf die Bibliothek der Core-Image-Filter und -Effekte zugreifen, ohne dass der Programmierer diese aufwendig selbst entwickeln muss. Darüber
hinaus greift Core Image stets auf die gerade zur Verfügung stehende Grafik-Hardware zurück und nutzt automatisch die Möglichkeiten der Hardware-Beschleunigung.

Wir testen die Core-Image-Geschwindigkeit mit dem Programm Imaginator . Die Grafik-Software erzeugt eine Endlos-Animation, in der ununterbrochen hochauflösende Fotos in Echtzeit mit Core-Image-Effekten bearbeitet werden. Dabei messen wir, wie lange das Programm für einen Schleifendurchlauf benötigt.

Sollte Apple die Grafiktreiber in Lion im Hinblick auf Core Image optimiert haben, müssten wir eine Verbesserung messen können.

Ganz ähnlich gehen wir beim Test von OpenCL vor. Mit OpenCL lassen sich rechenaufwendige Aufgaben gleichzeitig auf die Grafikkarte und alle Kerne der Haupt-CPU verteilen. Komplexe Berechnungen laufen dadurch wesentlich schneller ab. Zum Test benutzen wir den OpenCL-Benchmark Luxmark . Das Programm berechnet eine 3D-Grafik im Raytracing-Verfahren und setzt dabei alle per OpenCL verfügbaren Recheneinheiten ein.

Was Core Image angeht, liegt Snow Leopard vorn. OS X Lion erreicht nur 54 Prozent der Leistung. Die Ursache dafür wird nicht ganz klar, man erkennt aber deutlich, dass unter Lion die Animation in Imaginator ruckelt. Vermutlich greift die veränderte Speicherverwaltung in Lion öfter ein als unter Snow Leopard und behindert die Ausführung von Core-Image-Effekten.

Ein anderes Bild ergibt sich beim OpenCL-Test. Hier liegt Lion vorn, wenn auch nur knapp mit elf Prozent. OpenCL hat Apple in Lion optimiert.
Gesamteindruck: Diese Runde geht knapp an Snow Leopard.

Audio-Bearbeitung

Zwei der wichtigsten Domänen des Mac sind Tonstudios und Heimstudios für Hobbymusiker. Die Audio-Bearbeitung hat eine lange Tradition und dank Drittherstellern wie Steinberg oder Bias ist das Angebot an Audio-Tools enorm. Bei der Audio-Bearbeitung kommt es auf die Echtzeitfähigkeit des Betriebssystems an. Selbst bei vielen Tonspuren und Effekten, wie Equalizer, Kompressor oder Hall darf die Wiedergabe nicht gestört werden oder gar aussetzen.

Wir testen das mit zwei Programmen. Die Mastering-Software Peak bietet die Möglichkeit, VST-Effekt-Plug-ins zusammenzuschalten. Wir benutzen hier einen Equalizer, den wir mehrfach in den Tonweg einschleifen. Das entspricht in etwa einer Mehrspur-Wiedergabe, in der der Frequenzverlauf jedes Tonkanals individuell angepasst wird. Je mehr Effekte die Software gleichzeitig berechnen kann, ohne dass die Wiedergabe abbricht, desto besser.

Das zweite Benchmark-Tool ist Garageband . Es liegt jedem Mac bei. Wir benutzen hier eine Midi-Spur, die mit einem virtuellen Instrument versehen ist. Diese Spur duplizieren wir solange, bis Garageband mit einer Fehlermeldung abbricht, weil die Rechenleistung nicht mehr ausreicht. Auch hier gilt: Je mehr Spuren Garageband schafft, desto besser.

Die Ergebnisse sind unausgeglichen: Beim VST-Test führt Lion mit 64 zu 60 Plug-ins. Den Garageband-Test verliert der Löwe jedoch mit 25 zu 29 Spuren. Insgesamt führt das zu einem Unentschieden im Audio-Test, jeder Gegner erhält einen Punkt.

Video-Bearbeitung

So muss die letzte und schwierigste Runde die Entscheidung bringen. Die Königsdisziplin in Sachen Arbeitsgeschwindigkeit ist die Video-Bearbeitung. Nirgendwo baucht man soviel Geduld, wie beim Rendern und Kodieren von Video-Material. Aus diesem Grund greifen wir uns vier Aufgaben heraus, mit denen sicher jeder Video-interessierte Anwender schon einmal konfrontiert wurde.

Wir benutzen Toast 11 , um ein Video in ein DVD-Image zu verwandeln. Dabei setzt Toast einen eigenen MPEG-2-Encoder ein, der sämtliche CPU-Kerne benutzt.

Für den zweiten Test nehmen wir den Quicktime X Player und lassen ihn ein Video in das Format h.264 umwandeln. Dieses Format braucht man, um Filme auf dem iPhone, iPod Touch oder iPad abzuspielen.

Die beiden anderen Tests richten sich an kreative Video-Schaffende. iMovie 11 lassen wir einen eine Minute langen Video-Clip stabilisieren (Wackler herausrechnen). Mit Final Cup Pro rendern wir schließlich einen 36 Sekunden langen Video-Spot mit mehreren Video-Spuren und verschiedenen Effekten.
Die Ergebnisse sind in dieser Runde eindeutig: Lion gewinnt in den Disziplinen Quicktime-Export und iMovie stabilisieren. Hier liegt der Löwe mit jeweils zehn bis elf Prozent schnelleren Berechnungen vor Mac-OS X 10.6. In Toast und in Final Cut trennen sich die Kontrahenten mit einem Remis. Insgesamt geht die finale siebte Runde also an Lion.

Die Ergebnisse

Das Endergebnis nach sieben harten Runden und 17 einzelnen Prüfungen lautet: Fünf zu fünf Punkte, also Unentschieden. Sieht man sich die Ergebnisse im Detail an (siehe Benchmark-Tabelle unten), kommt Lion mit einem Vorsprung von lediglich drei Prozent einen Hauch schneller ins Ziel. Der Abstand ist allerdings zu vernachlässigen.