Beim Berufsförderungswerk Würzburg lernen sehbehinderte sowie blinde Menschen, wie sie mit der Umstellung im Alltag zurechtkommen. Ist die Orientierung erst einmal gegeben, geht es in die Berufsausbildung. Einer der Lernenden, André Kriebel (31) ist stark sehbehindert und erlernt in dem Bildungszentrum gerade die Punktschrift.



















André ist iPhone-Nutzer der ersten Stunde, deswegen muss ihm keiner die iOS-Technologie erklären. Doch trotz seiner allgemeinen Begeisterung für das iPhone und insbesondere für Voice Over ist seine Erfahrung mit Siri eher ernüchternd: „Wenn ich Voice Over und Siri in meinem täglichen Gebrauch gegenüberstelle, würde ich mit 98 Prozent Voice Over priorisieren. Ich habe Siri bislang eher als lustige Spielerei wahrgenommen. Man kann zwar viele Fragen stellen und das Tool gibt mitunter lustige Antworten darauf, ich nutze es primär als Tastaturersatz. Die Diktierfunktion über das Mikrofonsymbol neben der Leertaste lässt sich gut einsetzen. Hier lassen sich auch Satzzeichen oder sogar Absätze diktieren.

©BFW Würzburg
Schwierig wird es, wenn ich sage “Schreibe eine Nachricht!”. Dann muss man die ganze Meldung, sei es über Mail oder Nachrichten, bereits im Kopf vorformulieren. Macht man beim Diktat eine zu lange Pause, versteht Siri das als Ende der Nachricht und fragt dann, ob man den Text verschicken möchte. Auch das Bearbeiten des Textes funktioniert recht mühsam: Sagt man Siri, dass man eine Eingabe bearbeiten möchte, überschreibt das Tool die vorherige Eingabe komplett, sprich, man kann nicht einzelne Stellen bearbeiten, sondern man muss den ganzen Text neu eingeben.“
Hier schaltet sich Hellmuth Platz (58), Rehabilitationslehrer am BFW Würzburg, in unser Gespräch ein: „Siri ist dafür eher ungeeignet. Solche Bearbeitungen gehen am besten mit einer über Bluetooth angeschlossenen Braillezeile. Die Sprachausgabe VoiceOver bietet auch mehr Möglichkeiten: Sie kann den Text, wenn gewünscht, sogar zeichenweise vorlesen, Mit barrierefreien Funktionen des iOS entstehen bei uns am Berufsförderungswerk mitunter tragikomische Situationen: Mir haben Blindeerzählt, dass sie Siri für die einzig mögliche Sprachfunktion des iPhone gehalten haben und erst später auf Voice Over gekommen sind.“
Wir fragen die beiden nach ihren Wünschen für die nächste Version der Sprachsteuerung. André Kriebel antwortet: „Zunächst muss Apple die vorhandenen Fehler bei der Zusammenarbeit von Siri und Voice Over beheben. Ich habe schon ein paar Mal mit der Apple-Hotline telefoniert, selbst dort sind solche Fehler nicht so geläufig. So ist mir aufgefallen, dass Telefonate mit Siri und aktiviertem Voice Over nicht optimal funktionieren. Zwar versteht der Assistent die Anfrage, aber er wechselt manchmal nicht zur Telefon-App. Ist dagegen Voice Over ausgeschaltet, funktioniert die Sprachwahl mit Siri prima.”
André Kriebel weiter: „Mir ist es auch mehrmals passiert, dass die Sprachausgabe aus unbekannten Gründen einfach beendet wird. Mehr noch, wenn Voice Over abstürzt, muss man den dreifachen Klick zur Aktivierung ebenfalls neu einstellen. Unterwegs ist das für einen Sehbehinderten sehr gefährlich, ich kann beispielsweise diese Funktion auf dem iPhone nicht mehr selbstständig finden. Ich denke, bevor Apple neue Sprachfunktionen bringt, sollte das Unternehmen solch ärgerliche Fehler beheben.“
Herr Platz schaltet sich in das Gespräch ein: „Die Funktion, die seit iOS 6 mit Siri prima für sehbehinderte Menschen funktioniert, ist die Antwort auf die Frage: „Wo bin ich?“ Wir haken nach: „Und weiter? Siri sagt zum Beispiel die richtige Straße, wie hilft diese Information bei der Orientierung?“ Herr Platz antwortet: Das Wissen um die eigene Position ist für Blinde grundlegend wichtig. Siri holt sich den Standort aus der App “Karten” Mit VoiceOver wird auch der Name der Nachbarstraße ausgesprochen und Sie erfahren außerdem die Ausrichtung, beispielsweise Nord-Süd.“
Wir stellen eine letzte Frage: „Welche neuen Funktionen sollte Apple beim nächsten Siri-Update bringen?“ André Kriebel meint: „Ich fände es sinnvoll, wenn man mit Siri auf die Systemeinstellungen zugreifen und diese damit auch ändern könnte. Die ausweglose Situation, nur mit fremder Hilfe Voice Over einstellen zu können, würde dann nicht auftreten. Zudem sind die Einstellungen von iOS zahlreich und untereinander verschachtelt, ein direkter Zugriff beispielsweise auf die Aktivierung der Ortungsdienste oder von WLANwürde das Leben nicht nur für sehbehinderte Menschen, sondern für alle iOS-Anwender erleichtern.”