Bei Zeitrafferaufnahmen handelt es sich um eine filmische Methode zur Beschleunigung der Aufzeichnung von Bewegungsabläufen. Normale Videokameras nehmen in der Regel 24, 25 oder 30 Bilder pro Sekunde auf. Bei der Zeitrafferaufnahme setzt man hingegen die Bildfrequenz der Aufnahme (beispielsweise ein Bild pro Sekunde) im Verhältnis zur Abspielfrequenz (beispielsweise 25 Bilder pro Sekunde) herab. Dafür eignen sich ein programmierbarer Fernauslöser oder sogar ein Slider mit Intervalometer, also eine Schiene, auf der die Kamera langsam weiterfährt mit einer präzisen Zeituhr für den Auslöser. Spielt man die Aufnahmen dann mit normaler Geschwindigkeit ab, scheint der aufgenommene Vorgang schneller abzulaufen. Mit der Zeitraffer-Aufnahmemethode ergeben sich völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten für Filmemacher und Fotografen. So kann man lange Belichtungszeiten von bis zu 30 Sekunden pro Einzelbild nutzen, um Mond, Sterne oder gar die Milchstraße bei Nacht zum Vorschein zu bringen. Werden die über viele Stunden aufgenommenen Einzelbilder anschließend zu einer Filmsequenz zusammengesetzt, sieht man die Rotation der Erde durch den sich bewegenden Mond oder die Sterne.
Greg Kiss
Greg Kiss ist seit 1990 leidenschaftlicher Fotograf: zunächst im Bereich Landschaftsfotografie, mittlerweile auch als Reise-, Porträt- und Architekturfotograf. Seine Leidenschaft gilt ungewöhnlichen Blickwinkeln, was sich auch in seinem Film zeigt.
Wie populär solche Videos inzwischen sind, zeigt der Film „Munich in Motion“ von Greg Kiss, der im Januar 2013 auf Vimeo, Youtube, Spiegel Online, Facebook und Co. mehr als 500 000 mal angesehen wurde. Der Aufwand, der hinter einer solchen Produktion steckt, ist jedoch nicht zu unterschätzen. Am Beispiel von Munich in Motion zeigt der Autor einige beispielhafte Stationen seiner Produktion bis zum fertigen Endergebnis :
Die Stationen bei der Entstehung von Munich in Motion
1. Erstellen einer Zeitraffersequenz und Festlegen von Keyframes
Munich in Motion besteht insgesamt aus 48 Einzelsequenzen, produziert wurden aber rund viermal so viele Szenen
Zunächst benötigt man also eine einzige Zeitraffersequenz aus etwa 150 bis 200 Einzelbildern, die idealerweise mit einer DSLR – oder jeder anderen Digitalkamera oder Smartphone – im manuellen Modus (bevorzugt in RAW) aufgenommen wurde. Anschließend legt man die Einzelbilder je Sequenz in einem eigenen Ordner auf der Festplatte ab und öffnet sie mit LRTimelapse. Das Programm LRTimelapse (Level & Ramp Timelapse Sequences) hat der Hamburger Zeitrafferpionier Gunther Wegner entwickelt, um die Bildbearbeitungs-Werkzeuge aus der Adobe Creative Suite (vor allem Adobe Lightroom) zur Erstellung von Zeitrafferfilmen zu nutzen. Es wird heute von der Mehrzahl der Zeitrafferfotografen verwendet und unterstützt die Fotografen im Umgang mit Zeitraffer-spezifischen Anforderungen, etwa beim Entfernen des „Flicker“-Effekts oder bei der Realisierung sanfter Übergänge von Tag zu Nacht. In der Vollversion kostet die Software knapp 100 Euro, der Entwickler bietet jedoch auch eine kostenlose Demoversion an.

Beim Anklicken des Ordners mit den Zeitrafferaufnahmen, lädt LRTimelapse alle Bilder und erzeugt dabei Vorschaudateien. Gleichzeitig liest das Programm die Helligkeit der Einzelbilder aus und zeigt sie als blaue Kurve an. Nun kann man mit einem Klick auf „Play“ unter der Vorschau die Zeitraffersequenz abspielen lassen. Bereits beim ersten Abspielen fällt der klassische Flickereffekt auf: Die Helligkeit der Sequenz schwankt, was man auch in der blauen Kurve gut sehen kann. Wenn man nun auf „Initialisieren“ klickt, generiert LRTimelapse die Grundeinstellungen für diese Zeitraffersequenz.

Mit dem Referenzausschnitt legt man den für die Ermittlung der mittleren Helligkeit betrachteten Bildausschnitt fest. Hierfür sucht man sich in der Vorschau einen Bereich mit relativ gleichbleibender Beleuchtung, beispielsweise den Bereich eines Hauses und nicht einen Bereich mit schnell wechselnden Wolken, und zeichnet einen Ausschnitt mit der Maus in das Vorschaubild. Sobald man die Taste loslässt, berechnet LRTimelapse die blaue Kurve neu. Nun lassen sich mit dem Befehl „Key-Frames erzeugen (gleichmäßig verteilt)“ mehrere Key-Frames am Anfang und am Ende der Zeitraffersequenz erzeugen. Abschließend speichert man die gesamte Sequenz mit der letzten Schaltfläche in der ersten Zeile.

©Greg Kiss
2. Bearbeiten von Keyframes in Lightroom
Im nächsten Schritt importiert man die gesamte Sequenz in Lightroom und lädt dabei auch die Metadaten zu den Einzelbildern
Der Beschnitt ist nun bereits auf 16:9 gesetzt und die in Schritt eins erzeugten Keyframes haben eine Bewertung mit einem Stern bekommen. Wenn man nun in der Lightroom-Bibliothek einen Filter auf „1 Stern“ setzt, sieht man nur noch die Keyframes. Anschließend beginnt man mit der Bearbeitung des ersten Keyframes, indem man – wenn nötig – den Beschnitt verschiebt, die Belichtung ändert und alle sonstigen Werkzeuge für ein optimales Ergebnis nutzt. Wenn man mit der Bearbeitung des ersten Keyframes fertig ist, kopiert man die Entwicklungseinstellungen („Befehlstaste-Umschalt-C“) und fügt sie bei dem zweiten Keyframe ein („Befehlstaste-Umschalt-V“). Diese dienen als Ausgangspunkt für weitere Bearbeitungen, in dem man beispielsweise den Beschnitt jetzt verkleinert, um einen Zoomeffekt zu realisieren. Weiterhin kann man alle anderen Parameter ändern, beispielsweise den zweiten Keyframe etwas aufhellen. So verfährt man mit allen Keyframes.

Wenn man mit der Bearbeitung aller Keyframes fertig ist, wechselt man wieder in die Rasteransicht der Bibliothek (Taste G) und speichert die Metadaten, indem man alle markiert („Befehlstaste-A“) und dann Metadaten „Metadaten in Dateien speichern“ („Befehlstaste-S“) auswählt.
3. Übergänge berechnen lassen und Deflickern mit LRTimelapse
Zurück in LRTimelapse geht es nun mit der zweiten Zeile der Workflow-Schaltflächen weiter

Zunächst klickt man auf „Neu Laden“, um die soeben vorgenommenen Änderungen einzulesen. Die gelbe Kurve in der Vorschau stellt den Lightroom-Parameter „Belichtung“ dar. Hat man bei den Keyframes die Belichtung angepasst, sieht man diese Anpassungen als Ausschläge in der gelben Kurve. Nun klickt man auf „Auto Übergang“. Dieser Befehl berechnet alle Zwischenbilder mit sanften Übergängen neu.
Um abschließend die Helligkeitsschwankungen in der Zeitraffersequenz zu entfernen, klickt man auf „Deflickern“, wodurch zwei weitere Kurven in der Vorschau und zwei Schieberegler rechts unten erscheinen. Durch Schieben des „Glättungs-Reglers“ nach links oder rechts verändert sich die grüne Kurve, die eine geglättete Variante der blauen Kurve darstellt. Man stellt die Glättung so ein, dass die grüne Kurve nur noch langfristige Helligkeitsänderungen anzeigt und nicht mehr das kurzfristige Flickern. Abschließend wird die Sequenz mit der letzten Schaltfläche in der zweiten Zeile gespeichert.
4. Ausgeben des Videos und Schneiden in Lightroom und Final Cut Pro X
In Lightroom lädt man die Metadaten aller Einzelbilder neu mit Metadaten „Metadaten aus Dateien Laden“

Nun aktualisiert Lightroom nach und nach die gesamte Sequenz mit allen Zwischenbildern in der Ansicht. Anschließend wechselt man in das Diashow-Modul und klickt auf „Video Exportieren“. Die fertige Videosequenz wird auf der Festplatte gespeichert und mit anderen Sequenzen in ein Video- und Filmschnittprogramm, wie Final Cut Pro oder iMovie importiert. Dort kann man die einzelnen Szenen zusammenfügen und mit Musik (Lizenzrechte beachten!) unterlegen.

©Greg Kiss
Die Ausrüstung
Folgendes Equipment setzt Greg Kiss für seinen Zeitrafferfilm ein
– Zwei Manfrotto Stative der 057er Serie
– Stage Zero Dolly von Dynamic Perception
– Dynamic Perception MX2 Controller bzw. Emotimo TB3 Steuerungskopf
– Canon 1DX Kamera
– Canon EF L Objektive (14 mm, 16-35 mm, 24-70 mm, 70-200 mm, 400 mm)
– Canon TC-80N3 Fernauslöser
– B+W ND8 und ND32, Polarization- und Graufverlauf-Filter