
Shift bedeutet so viel wie Verschieben, Verwandeln oder Verlagern. Damit ist die Stimmung einer ganzen Branche gemeint. Denn die klassischen Printmedien verlieren zusehends Konsumenten, die sich lieber mit digitalen Lesegeräten vergnügen. Neben dem Publizieren am iPad beschäftigte man sich mit der notwendigen Automatisierung von Designprozessen für die unterschiedlichen Ausgabekanäle Web, Print und Digital Publishing.
Vom Gratis- zum Bezahlinhalt
Christoph Keese , der im Axel Springer Verlag zuständige Präsident für Public Affairs, umriss als Keynote-Sprecher, die zentralen Themen iPad Publishing und “Paid Content”, denn Inhalte auf digitalen Lesegeräten müssen auch mittels eines funktionierenden Bezahlsystems an den Konsumenten gebracht werden.

Die Frage, was das iPad bewirken wird und welche Rolle es in der Zukunft einnehmen kann, beantwortet er mit folgenden Prognosen: Jeder Deutsche werde bald ein mobiles Lesegerät besitzen. 93 % der Nutzer werden über Highspeed-Internet verfügen. Gratis- und Bezahlinhalte werden nebeneinander bestehen. Jeder greift künftig auf sein persönliches Internet zu, denn das Internet erkennt die Situation, in der man sich befindet und generiert die zu Zeit und Ort passenden Inhalte.
Die zur Gestaltung mobiler Inhalte entscheidende Frage, ob Typografie feststehend oder vom Nutzer einstellbar sein soll, ist Keese zufolge eine Glaubensfrage. Eingebettete Fonts kosten Speicherplatz, daher hatte die erste Ausgabe der Wired App über 400 MB. Aktuell versucht man das Problem zu lösen, indem individuelle Codes angepasst werden, die dann beim Leser interpretiert werden. Möglicherweise werden aber ganz andere Konzepte wie die App Flipboard eine individuelle Informationssammlung ergeben. Hier kommen die Inhalte über die persönlichen Accounts des Nutzers bei Facebook, Twitter und anderen Informationsquellen – ein grafischer Aggregator für Inhalte. Der Springer Verlag möchte zukünftig ein Verhältnis von fünfzig zu fünfzig zwischen digitalen Inhalten und Druckerzeug-nissen erreichen. Als Marktplatz dafür dient ein iKiosk . Alle Online-Geschäftsmodelle funktionieren nur dann optimal, wenn der Kauf mit einem Klick möglich ist. Daher besteht die Notwendigkeit eines globalen “Single-Click-Micropaymentsystems”, da momentan die Transaktionsgebühren das größte Hindernis beim Verkauf digitaler Inhalte sind.
Drei Ansätze
Heiko Scherer fordert ein Umdenken bei der Entwicklung von Inhalten für das iPad . Wenn Print-Inhalte ohne Änderung des Konzeptes auf das iPad übernommen werden, ist die Resonanz geringer, als bei der Anpassung von Inhalten an die medialen Fähigkeiten des iPads. Ohne die Gewohnheiten der Nutzer genau zu analysieren, werden viele iPad-Projekte enttäuschen. Markforschung krankt an der Tatsache, dass nicht feststellbar ist, ob die Anwender von einer App oder vom iPad begeistert sind.
Scherer skizziert die drei Ansätze, Inhalte auf das iPad zu bringen. Der erste Bereich betrifft E-Paper und E-Books. PDF und das E-PUB-Format sind im Prinzip eine direkte Umsetzung von Printmedien. Der zweite Bereich arbeitet mit so genannten “Rich Media Apps” also Inhalten, die Konzepten der Printmedien entsprechen, aber um multimediale Inhalte erweitert sind. Deren Basis ist Indesign. Der dritte Bereich umfasst die Herstellung kompletter Eigenentwicklungen deren Basis aus einer Kombination aus HTML-Code, nativem Code sowie internetbasierenden Elementen besteht.

Projekte mit PDF und E-Pub Readern sind vergleichsweise schnell realisierbar und gut geeignet für Textdokumente. Bei dieser Vorgehensweise entsteht der geringste Produktionsaufwand. Die Apps haben die klassische Blätterlogik. Sollen Printinhalte mit multimedialen Inhalten kombiniert werden, entsteht ein vergleichsweise hoher Produktionsaufwand. Hier helfen Indesign-basierende Produktionssysteme. Dank standardisierter Werkzeuge sind die technischen Hürden niedrig. Auch das Problem hoher Dateigrößen der hergestellten Apps ist noch nicht befriedigend gelöst. Um hohe Dateigrößen in den Griff zu bekommen, führt momentan kein Weg an individueller Entwicklung vorbei. Eine große technische Herausforderung kommt Scherer zufolge auf Entwickler digitaler Lesegeräte zu. Künftig muss für Geräte mit hunderten verschiedener Bildschirmgrößen entwickelt werden. Daher müssen Apps einem Prozess kontinuierlicher Verbesserung unterworfen werden. Das bedeutet oft einen permanenten Betabetrieb für ein Produkt.
Berliner Magazin für das iPad
Auch das De:Bug Magazin für elektronische Lebensaspekte produziert nach 150 gedruckten Ausgaben eine für das iPad. Auf der Typo zeigte Art Direktor Jan Riskus Hillmann die Stategien und Konzepte, nach denen das Magazin auf das iPad übertragen wurde. Dabei setzte die Redaktion auf die Herstellung individuellen Codes, der auf offenen Standards basiert und die klassische Kombination von Indesign mit dem Redaktionssystem von Woodwing .

Um das neue Medium auszuprobieren, müssen über den Designprozess Erfahrungen gesammelt werden. Die offensichtlichsten Probleme bei der Umsetzung entstehen bei der Integration in den Redaktionsworkflow. De:Bug ist ein kleines Magazin. So begann man mit der Entwicklung einer Textdatenbank, die die Artikel des Magazins, der Website sowie den Tablet-Content aufnimmt. In der deutschsprachigen Magazin-App, die sich an den Printausgaben orientiert und etwa zehnmal im Jahr erscheint, kommt eine selbst entwickelte Kombination aus Worldpress CMS, HTML 5 und Webfonts zum Einsatz. Und eine englischsprachige, internationale Edition-App, die mit Themenbereichen wie Sound of Berlin oder der City Guide Edition , die das neue Format zum Feature erheben. Interessanter Weise basiert nur die Magazin-App auf der selbst entwickelten Lösung, die Edition-App wird mit der Kombination Indesign und Woodwing hergestellt.
Geplant ist, über Verknüpfungen Webseiten oder andere Inhalte in die geladenen Dokumente nachzuladen. Ein Musik-Player verbindet sich mit dem Streaming-Dienst Soundcloud. Daten werden oft aus rechtlichen Gründen gestreamt. Bei jedem App-Update, das der Nutzer durchführt, lassen sich auch Kommentare der Nutzer nachladen.
Neues vom Unicode
Zwei Gurus des Unicode, Johannes Bergerhausen und Siri Poarangan präsentieren in Buchform eine Bestandsaufnahme aller Zeichen, die momentan in Unicode-basierenden Opentype Schriftsätzen eingebettet sind: Decodeunicode soll Typedesignern den Zugang erleichtern.
Die ersten Computer waren reine Zahlenverarbeiter. Ausgehend von nur 256 möglichen Buchstaben im ASCII-Code ist Unicode eine eigene Welt mit tausenden von Zeichen. Der ASCII-Code wurde vom Unicode aufgenommen. Ohne ASCII-Code wäre das Internet nicht möglich gewesen. Das Unicode-Konsortium unicode.org wacht darüber, dass wir betriebssystemunabhängig miteinander kommunizieren können. Mit dem Buch Decodeunicode liegt nun eine Inventur der inzwischen digitalisierten Schriftzeichen vor. Es ist kein Wunder, das der größte Teil der bisher erfassten Zeichen chinesisch, japanisch und koreanisch ist. Momentan gibt keine Schrift, bei der alle Zeichen vorhanden sind. Das am häufigsten eingesetzte Unicode Zeichen trägt den Code U+0020 und ist das Leerzeichen. Unter der Webadresse decodeunicode.org können weitere Informationen zum Projekt eingeholt werden.