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Sie ist niegelnagelneu – die Onboard-Unit für Jobsucher. Gestern habe ich sie mir abgeholt, als hoch qualifizierter Langzeitarbeitsloser bin ich zur Teilnahme am Testbetrieb eingeladen worden, mit freundlichen Grüßen und im Auftrag sowie mit Hinweis auf meine Mitwirkungspflicht gemäß § 60 des ersten Sozialgesetzbuches. “Es ist ganz einfach”, hat mir der nette grauhaarige Projektverantwortliche mit sonorer Stimme versichert, “die Unit tragen Sie immer bei sich, wir können Sie mit GPS ständig und metergenau orten und immer, wenn Sie in der Nähe eines Arbeitgebers sind, der eine freie Stelle hat, auf die ihr Profil matcht, übermitteln wir Ihnen per SMS ein Kurzexposé auf das Display.” Klingt äußerst innovativ, auf dem kleinen Kasten prangen Namen von im DAX geführten Hightech-Unternehmen – leider funktioniert es nicht: Anstelle von Jobangeboten erhalte ich an jeder zweiten Straßenecke Kurzexposés von Arbeitslosen, die dasselbe Profil haben wie ich. Rasende Hoffnungslosigkeit steigt in mir auf – schweißgebadet wache ich auf.
Zugegeben: Die Berater, die die Nürnberger Arbeitsmarktstrategen für den Relaunch ihres Internet-Auftritts engagiert hat, haben bessere Arbeit abgeliefert als jene, die Manfred Stolpe zum grandiosen LKW-Maut-Desaster verholfen haben. Doch arbeitsagentur.de – seit 1. Dezember 2003 online – stellt hohe Anforderungen an die Technik und die Geduld bei Arbeitssuchenden und Arbeitsvermittlern gleichermaßen, eine Job-Maschine ist das Angebot nicht: Ohne ein brandaktuelles Betriebssystem und eine zügige DSL-Verbindung – bekanntlich die Standardausrüstung eines jeden Arbeitslosen – läuft auf dem virtuellen Arbeitsmarkt der Bundesanstalt für Arbeit (BA) gar nichts. Sogar Mac OS X 10.2.6 hat mit der Darstellung unter Safari noch massive Probleme. Da arbeitsagentur.de auch BA-intern eingesetzt werden soll, werden die Mitarbeiter ab Frühsommer 2004 vor ähnlichen Problemen stehen: In den Regionalniederlassungen der BA, früher bekannt unter dem Namen “Arbeitsamt”, stehen auf vielen Schreibtischen 486er-Windows-Computer, die dank liebevoller Systempflege bereits mit PDF- oder JPEG-Dateien überfordert sind.
Doch die Nürnberger Zentrale ist nicht untätig: Während des Macwelt-Browsertests wurde beispielsweise die Eingangsseite neu bearbeitet – mit dem Erfolg, dass bei Eingabe von www.arbeitsagentur.de in die Adressleiste der BA-Server zwar abgefragt wird, er jedoch den Hauptframe nicht mit den gewünschten Informationen bestückt – drei Viertel der Seite bleiben nackt. Ein Update scheint auch die Suchabfrage erhalten zu haben: Wer sich zum Überbrückungsgeld informieren möchte, hat zwar die Suchergebnisse erhalten, konnte aber nicht die Quelldokumente laden. Gut gemeint ist der Sicherheitsstandard, gut gemacht ist er nicht: Die gesamte Site inklusive aller Infoangebote ist SSL-verschlüsselt, nach zehn Minuten ohne Server-Anfrage wird der Benutzer, der über seiner Selbstdarstellung und dem eigenen Profil brütet, aus der Sitzung rausgeworfen, die Daten sind verloren. Clever, wer dann seine Texte offline mit Word & Co. vorbereitet und einfach nur noch in die entsprechenden Formularfelder kopiert – doch der Frust folgt sofort: Das Auftreten eines deutschen Sonderzeichens kann serverseitig nicht interpretiert werden und reißt Safari in den digitalen Abgrund.
So geht es weiter und weiter und weiter, hinter vorgehaltener Hand sprechen BA-Mitarbeiter an der Vermittlungs- und Trainingsfront von einer “Katastrophe”. Zum 15. Januar bereits sollte das alte Stelleninformationssystem (SIS) aus dem Internet verschwinden, aber Totgesagte leben länger – vielleicht sogar noch bei Erscheinen dieser Macwelt. Ach ja, eine trockene Zahl sei nachgereicht: 15 Millionen Euro hat der Steuerzahler bereits in dieses System investiert.