
Die Frage, ob möglichst neutrale oder möglichst stimmungsvolle Bildfarben am besten sind, ist alt. Da die Geschmäcker unterschiedlich sind und beide Zielvorgaben ihre Berechtigung haben, hängt der “Look” eines Bildes vom jeweiligen Einsatzzweck ab. Maßgeblicher Entscheidungsfaktor dabei ist das zu bearbeitende Bild. Grundsätzlich ist natürlich erlaubt, was gefällt. So spiegelt die professionelle Bilderlandschaft die Koexistenz unterschiedlichster Bild- und Farb-Looks. Da sind zum Beispiel die entsättigt-blaubraunstichigen Bilder in der Technik- und Automobil-Werbung, die Brauntöne in der Vorabend-TV-Werbung, die nach wie vor ungebrochene Beliebtheit von Schwarzweißbildern oder der jüngste Trend: experimentierfreudige, farbenfrohe Spontan-Bilder im Street Look.
Farbeffekte in Photoshop
Für das Erzeugen eines bestimmten Farbstylings stellt Photoshop ein vielseitiges Instrumentarium zur Verfügung. Die Mehrheit der im Menü “Bild > Anpassungen” gelegenen Bildbearbeitungsbefehle ist für die Veränderung von Bildfarben entweder geeignet oder sogar extra darauf abgestellt. Als erweitertes Instrumentarium kommen Ebenen, Auswahlen und Füllmethoden hinzu. Kreativ gesehen sind die Möglichkeiten für die Erzeugung von Farblooks eine wahre Spielwiese. Die beiden Basistools – Farbton/Sättigung und Farbbalance – sind nicht nur einfach zu bedienen, sondern stehen jeweils auch für die beiden wichtigsten Farbveränderungstechniken:
a) Veränderungen der Farbbestandteile an sich, in der Praxis vor allem der Farbsättigung und
b) Erzeugen einer Farbfilter-ähnlich wirkenden Farbtönung, bei der eine Farbe mehr oder weniger dominiert und andere Farben in den Hintergrund drängt.
Eine dritte Grundtechnik ist für das Erzeugen von Farblooks ebenfalls nicht unwichtig: das Verschieben von Farbspektren. So wird aus Cyan Rot, aus Blau Gelb, und so weiter. Gängigstes Photoshop-Spezialtool für etwas “psychedelischere” Farbgebungen ist der Kanalmixer. Farbton/Sättigung, Farbbalance, Kanalmixer, Selektive Farbkorrektur, Fotofilter, Variationen, Verlaufsumsetzung sowie die Basisbefehle Tonwertkorrektur und Gradationskurven sind zwar auch alleine mächtige Werkzeuge. Versiertere Effekte lassen sich oft allerdings nur mit mehreren Funktionen erzeugen. Vorteilhaft beim Erzeugen von Farbeffekten ist insgesamt das Arbeiten mit Einstellungsebenen. Auch Aktionen sowie Ebenen-Sets mit unterschiedlichen Einstellungsebenen können das Zuweisen von Farbeffekten immens vereinfachen. Weitere Tipps für die konkrete Arbeitsorganisation gibt es in den Infokästen “Einstellungsebenen” und “Farbeffekte in Serie”. Im Mittelpunkt der folgenden Workshop-Beispiele stehen einige gängige, immer wieder anstehende Farbeffekte. Hinweis: Da die konkrete Farb- oder Effekt-Dosierung stark vom entsprechenden Bild abhängt, empfiehlt es sich, die vorgestellten Techniken vor allem als kreative Anregung zu betrachten und mit den beschriebenen Einstellungen weiterzuexperimentieren.
Effekt 1: Monochrom-Look
Beispiel 1.
Einen kühl-blaustichig-entsättigter Bildlook wie in der Automobilwerbung erreicht man mit zwei einfachen Einstellungsebenen. Erste Einstellungsebene: Farbton/Sättigung. Ein Reduzieren des Sättigungs-Werts unter “Standard” (Beispielbild: -34) fährt die Farbsättigung deutlich herunter. Mit einer zweiten Einstellungsebene vom Typ “Farbbalance” legt man im Anschluss die Farbwirkung fest. Eine ähnliche cyanstichige Wirkung lässt sich auch mit “Gradationskurven” erzielen. Im Beispielbild ist hinter “Kanal” der Rot-Kanal ausgewählt und durch Abdunkeln der Mitteltöne der Cyan-Eindruck verstärkt. Ein Anheben der Mitteltonwerte im Kanal “RGB” erhöht schließlich noch die allgemeine Helligkeit. Die beschriebene Kombination aus Entsättigung und forciertem Farbstich ermöglicht eine breite Palette von Farbeffekten.
Beispiel 2.
Das zweite Bildbeispiel geht stark in den Sepiaton-Bereich. Dafür wurde die Sättigung stärker, nämlich um den Wert -75, verringert. Als zweite Einstellungsebene dienen nicht die Gradationskurven, sondern die Farbblance. Die Mitteltöne akzentuieren hier stark Gelb (+24) und Rot (-15). Will man einige Farbspots der ursprünglichen Bildversion retten, empfiehlt sich folgendes Vorgehen: Über das Guckauge-Symbol schaltet man die Ansicht aller Ebenen bis auf die Hintergrundebene aus, aktiviert den Befehl “Auswahl
Effekt 2: Schwarzweißbild mit Hintergrundfarbe
Beispiel 1.
Beliebt ist dieser Effekt insbesondere in der Trend- und Modefotografie. Anders als bei Duplex-Effekten bildet die zweite Farbe einen farblichen Hintergrund. Nähert man den Farblook dem herkömmlichen Duplex an, erzeugt man weiße Blitzer, die ganz interessant wirken. Hier zwei Vorgehensweisen. Bei der ersten generiert man zunächst eine Schwarz-weiß-Bildversion – entweder über eine Einstellungsebene “Kanalmixer” (Modus: Monochrom) oder in Photoshop CS3 über eine Einstellungsebene “Schwarzweiß”. Liegt eine geeignete Graustufenversion vor, legt man eine Füllebene vom Typ “Volltonfarbe” darüber, stellt die Füllmethode auf “Multiplizieren” und wählt im Photoshop-Farbwähler die gewünschte Farbe – hier ein zartes Pink. Um ein Mittelding aus Hintergrund-Farbfond und Duplex-Effekt zu erzeugen, kopiert man die Volltonfarbe-Einstellungsebene, setzt die Deckkraft der alten auf 30, die der neuen auf 70 Prozent und stellt die Füllmethode der oberen auf “Farbe”.
Beispiel 2.
Bei Druckbildern bietet das Arbeiten in CMYK etwas mehr Kontrolle. Bei dieser Vorgehensweise beginnt man ebenfalls mit einem Graustufenbild, kopiert es, wandeln das Gesamtbild in den Modus “CMYK” um und füllt es mit weißer Farbe. Im Anschluss markiert man in der Kanäle-Palette den Kanal “Schwarz”, setzt dort das Graustufenbild ein und korrigiert gegebenenfalls Helligkeit und Kontrast. Grundsätzlich ist hier das Arbeiten mit Einstellungsebenen ebenfalls möglich; Graustufenversion plus via “Multiplizieren” eingeblendete Volltonfarbe-Füllebene ergibt auf jeden Fall ein sattes Schwarz. Da Farben im Modus CMYK anders reagieren als unter RGB, ist das Finetuning des Spitzlichter-Zusatzeffekts allerdings etwas kniffeliger.
Effekt 3: Zwei-Farben-Effekte
Beispiel 1.
Für poppige Zweifarbeffekte ist die Funktion “Verlaufsumsetzung” prädestiniert. Anders als ein über dem Bild angeordneter und mit einer bestimmten Füllmethode eingeblendeter Verlauf verwendet “Verlaufsumsetzung” für die Festlegung der Farben die Graustufenwerte des Bildes: Weiße Bildpixel setzt die Funktion in der Farbe des Verlaufsbeginns um, schwarze Pixel mit der Farbe des Verlaufsendes und graue Pixel mit dem entsprechenden Wert dazwischen.
Im Beispielbild ist das eine Einstellungsebene vom Typ “Verlaufsumsetzung” mit einem Verlauf von Gelb nach Rot. Auch diese Einfärbemethode ermöglicht zahlreiche Abwandlungen. Stellt man die Füllmethode auf “Farbe”, wird das Ergebnis mit den Helligkeitswerten des Bildes verrechnet und beinhaltet in diesem Fall auch Schwarz- und Weißtöne.
Beispiel 2.
Dezentere Effekte mit einen Touch Original-Bildfarben erzielt man durch Verringerung der Deckkraft. Im Beispielbild verstärkt eine auf 40 Prozent Deckkraft gesetzte Einstellungsebene “Schwarzweiß” die Graustufenwirkung. Die gelb-rote Verlaufsumsetzung erscheint in der Ebenen-Palette dupliziert. Beide Ebenen sind in der Deckkraft herabgesetzt (30 Prozent); die obere steht auf “Farbe”, die untere auf “Normal”.
Die Einfärbe-Potenziale dieses Tools verdeutlicht das zweite Bild. Hier dient ein Verlauf von Blauviolett nach Orange als Vorlage. Der Deckkraft-Wert der Einstellungsebene steht auf 50 Prozent; die Füllmethode ist auch hier “Farbe”.
Effekt 4: Selektive Sättigung
Beispiel 1.
Wie erhöht man Sättigung und Leuchtkraft von Bildfarben? Gängiger Weg ist eine Erhöhung der Farbsättigung unter “Farbton/Sättigung”. Auch dieser Befehl steht als Einstellungsebene zur Verfügung. Da eine lineare Erhöhung der Sättigung bei vielen Bildern unproduktiv ist und schnell zu übersättigten Kunstfarben führt, sollte man alternative Methoden ausprobieren. Eine ist die gezielte Erhöhung der Farbsättigung für einzelne Farbbereiche. Dazu wählt man unter “Bearbeiten” einen Farbbereich (zum Beispiel Blau) und erhöht anschließend den Wert für Sättigung. Das Bild enthält leuchtende Farben ohne postkartenbunt zu wirken.
Beispiel 2.
Eine andere Methode erhöht den Reinheitsgehalt der Grundfarben Rot, Gelb, Grün, Cyan, Blau und Magenta. Als erstes erstellt man eine Einstellungsebene “Selektive Farbkorrektur”. Im Funktionsdialog reduziert man für Rot-, Gelb-, Grün-, Cyan-, Blau- und Magentatöne den Anteil der Komplementärfarbe: bei den Rottönen also den Cyan-Anteil, bei den Gelbtönen den Cyan- und Magentaanteil, und so fort. Als Ergebnis dieser Bearbeitung erlangen die Reinfarben im Bild eine stärkere Präsenz. Meist fällt dieser Farbsättigungseffekt recht moderat aus. Die Dosis lässt sich über das Duplizieren der Einstellungsebene erhöhen. Ähnlich wie beim Kanalmixer sind auch bei den Einstellungen unterschiedliche Misch-Varianten denkbar. Für einen grelleren Effekt etwa kann man den Wert für die Eigenfarbe erhöhen, bei den Rottönen also das Rot. Zugegeben: Das Einrichten von sechs Farbbereichen ist aufwändig; allerdings lassen sich unter “Selektive Farbkorrektur” getroffene Einstellungen abspeichern und bei Bedarf aufrufen.
Effekt 5: Farbstyling via Tonwertkorrektur
Eine recht intuitive Einfärbe-Methode besteht darin, eine neue Einstellungsebene “Tonwertkorrektur” zu erzeugen, im Anschluss die mittlere Pipette anzuklicken und im Bild einen Referenzwert für 50 Prozent Neutralgrau zu suchen. Normalerweise dient diese Funktion dem Entfernen von Farbstichen. Folgerichtig sucht man sich in diesem Fall einen möglichst neutralgrauen Punkt. Klickt man allerdings in einen mehr oder weniger farbigen Bildbereich, verstärkt Photoshop den entsprechenden Komplementärfarbenbereich: bei gelblastigen Referenzpunkten Blau, bei rotlastigen Cyan, und so fort.
Im Beispielbild wurde der Referenz-Grauton unterhalb des Kinns aufgenommen. Die beiden Pipetten für Schwarz- und Weißpunkt bergen ebenfalls manipulatives Potenzial, sind allerdings sehr abweichungsempfindlich und verursachen schnell posterizierungs-ähnliche Tontrennungen. Regulieren lässt sich auch diese Methode über den Deckkraft-Wert sowie die Füllmethode “Farbe”. Die drei Pipetten für die Aufnahme von Referenzwerten sind übrigens nicht nur unter “Tonwertkorrektur” zu finden, sondern auch im Dialog von “Gradationskurven”.
Effekt 6: Crossentwicklungs-Effekt
In der traditionellen Fotografie versteht man unter Crossentwicklung wahlweise die Positiv-Entwicklung eines Farbnegativfilms oder die Negativ-Entwicklung eines Farbpositivfilms. Aufgrund der entsprechenden Normierungen sind die Verfahren als C-41 zu E-6 oder als E-6 zu C-41 bekannt. Während das erste Verfahren Gelb- und Türkistöne hervorhebt und in der Kontrastgebung eher moderat ist, wirken Bilder, die mit dem zweiten Verfahren behandelt wurden, überbelichtet und blaustichtig. Die Ergebnisse dieser experimentellen Verfahren sind nicht präzise berechenbar. Aufgrund des etwas surrealen Eindrucks sowie der psychedelischen Farben haben sich Crosseffekte besonders in der Mode- und Zeitgeist-Fotografie einen festen Platz gesichert.
Beispiel 1.
In Photoshop lassen sich ähnliche Auswirkungen mit unterschiedlichen Techniken erzielen. Der abgebildete Beispieleffekt C-41 zu E-6 besteht aus zwei Einstellungsebenen. Die untere davon, “Farbton/Sättigung”, beinhaltetet mehrere Farb-Modifikationen: Für die Rottöne erhöht man die Werte für Sättigung und Helligkeit moderat und verschiebt den Farbwert mehr in den Magentabereich. Ähnlich verfährt man mit Gelb-, Cyan- und Blautönen. In unserem Beispiel gelten folgende Werte. Rottöne: -13, +19, +46; Gelbtöne: 0, +35, +61; Cyantöne: -12, +54, +35; Blautöne: -20, +60, +38. Den letzten Schliff gibt eine Einstellungsebene “Farbbalance” mit unterschiedlich veränderten Werten für Tiefen, Mitteltöne und Lichter. Einstellungen Mitteltöne: -12, 0, 0; Tiefen: -13, 0, +2; Lichter: 0, 0, -22.
Beispiel 2.
Mit einer ähnlichen Rezeptur lässt sich auch der Crossentwicklungs-Effekt E-6 zu C-41 nachstellen. Bei “Farbbalance” sind lediglich die Mitteltöne verändert; Werte: 0, 0 und -29. Um die Kontrastwirkung dieser Entwicklungsmethode nachzustellen, liegt unter der Einstellungsebene “Farbbalance” eine weitere vom Typ “Gradationskurven”.
Neben einer allgemeinen Kontrastanhebung und Aufhellung enthält sie im Kanal “Blau” zusätzlich eine Betonung der Blau-Werte. Letztere bewirkt in den dunkelgrauen und schwarzen Tonwertbereichen einen Blaustich – typisches Merkmal für diesen Effekttyp.
Tipp Einstellungsebenen
Bei den hier vorgestellten Farbeffekten empfiehlt es sich, mit Einstellungsebenen zu arbeiten. Vorteil ist, dass sich die Einstellungen in Ebenen jederzeit wieder verändern lassen. Weiterer Vorteil: Das gilt auch für Deckkraft und Füllmethode. Grundsätzlich kann man Einstellungsebenen auf zwei Wegen erzeugen. Erstens über die Fußleiste in der Ebenen-Palette. Bleibt man mit dem Cursor auf dem Button, springt die Liste mit Ebenentypen auf. Alternativ kann man einen Typ über das Menü “Ebene” auswählen (“Neue Einstellungsebene” oder auch “Neue Füllebene”). Bei diesem Vorgehen kann man vorab Deckkraft und Füllmethode festlegen – ein Zwischenschritt, der beim Anwählen über die Palette-Fußleiste nicht vorgesehen ist. Wem der Weg über das Menü zu aufwändig ist, der kann die entsprechenden Menübefehle über “Bearbeiten
Tipp Farbeffekte in Serie
Automatisieren – oder zumindest halbautomatisch anwenden – lassen sich Effekte auf unterschiedliche Weise:
Aktion aufzeichnen
Über den Befehl “Datei
Vorteil Bei Aktionen lässt sich die Erstellung von Ebenenmasken grundsätzlich mit in die Aktion hineinschreiben.
Ebenen-Sets
Eine andere Möglichkeit ist es, zu einem Effekt gehörende Einstellungsebenen in Ebenen-Sets zusammenzufassen. Zieht man ein Ebenen-Set in ein anderes Bild hinein, überträgt Photoshop die Einstellungen des Sets, und das Set ist in der Ebenen-Palette des Zielbildes vorhanden. Vorsicht ist allerdings bei Effekten angebracht, die Ebenenmasken mit Inhalten aus dem Bild selbst benötigen: Hier wird natürlich diejenige des Originals mit übernommen.
Vorteil Beim Arbeiten mit Sets lassen sich mehrere Effekt-Sets in einem Bild horten und Effekte mithilfe dieses Ausgangsbilds zuweisen.
Ein weiteres Hilfsmittel schließlich sind die “Speichern”-Knöpfe in vielen der aufgeführten Funktionen.
Vorteil Über sie lassen sich getroffene Einstellungen abspeichern und bei Bedarf wieder aufrufen.