
©2015
Mit dem klassischen Point-and-click-Adventure lassen sich nicht mehr allzu viele Digital-Abenteurer anlocken. So versuchen die Spielehersteller auf geschickte Weise, das traditionelle Genre mit aktuellen Features auszustatten und Rätselfreunde neu an den Monitor zu locken. Jüngste Beispiele dieser Art sind etwa Uru: Ages beyond Myst sowie Baphomets Fluch 3, die beide aktuelle Nachfolger der Klassiker im 3-D-Stil oder sogar mit Online-Welten (Uru) generieren, ohne dabei lieb gewordene Werte wie das Lösen kniffliger Rätsel zu vernachlässigen. Einen noch anderen Pfad betritt In memoriam von Ubisoft, das ohne “modernen” Internet-Zugang und E-Mail-Client gar nicht zu lösen ist. Es setzt dabei ausgiebig auf Internet-Recherche – bevorzugt bei Google – und elektronische Post, die der Spieler nach Anmeldung seines Accounts mit wichtigen Spielehinweisen immer wieder erhält.
Serienmorde und Esoterik
Doch von Anfang an: In memoriam beginnt mit einem Amateurfilm im Super-8-Format, der zunächst harmlose Urlaubsszenen zeigt, dann aber unvermittelt einen Mord wiedergibt. Der Film stammt aus den 70er Jahren. Beim Versuch, den mysteriösen Serienmörder Phoenix zu ermitteln, sind bereits ein Journalist und seine Assistentin spurlos verschwunden. Nachdem dessen Agentur eine CD-ROM mit Fragmenten seines gefilmten Tagebuchs und einer Sammlung merkwürdiger Daten erhalten hat, ist es nun am Spieler, die Wahrheit über die Morde und das Verschwinden des Journalisten Jack und seiner Freundin Karen herauszufinden. Damit befindet man sich in einem Plot, der sehr intensiv an berühmte Serienkiller-Thriller aus dem Kino erinnert. Das Ganze ist gewürzt mit einer gehörigen Portion Esoterik (Hermes Trismegistos, Alchemie, Runenlehre, Astrologie) und einer Verschwörung um den Geheimbund Manus Domini (“Hand des Herrn” – Lateinkenntnisse sind in dem Spiel öfter von Vorteil ), mit dem die Ermordeten in Verbindung standen. Entsprechend stimmungsvoll und symbolhaft sind die zahlreichen Rätselbilder gestaltet, so dass eine sehr dichte und bedrohliche Atmosphäre das Spiel durchzieht. Zumal der Serienkiller, dessen Name sich bald als “Phoenix” herausstellt, deutlich sadistische Neigungen durchblicken lässt.
Wie gut ein Adventure letztlich ist, hängt nicht nur von der Stimmung, sondern insbesondere von der Qualität der Rätsel ab. Im Prinzip folgt der Ablauf von In memoriam einem klaren, bisweilen etwas starren Schema: Mit weißer Schrift auf schwarzem Grund und unheimlichen Hintergrund-Sounds präsentiert Phoenix Puzzles der unterschiedlichsten Art, durch deren Lösung man Zugang zu Videos erhält, die Jack selbst während seiner Ermittlungen gedreht hat. Allein dass sie im Besitz des Phoenix sind, lässt Schlimmes ahnen. Entsprechend bekommen wir Filmaufnahmen zu sehen, die der Phoenix von seinen späteren Opfern gedreht hat.
Drei Elemente sind es insgesamt, die das Spiel voranbringen: Die vom Phoenix vorgelegten Rätsel, meistens als Flash-Games; im Zusammenhang damit Internet-Recherche oder E-Mail-Botschaften, ohne die eine Lösung letzterer – etwa durch die Eingabe eines Namens oder Passworts – unmöglich ist; schließlich die eingespielten Videos, mit denen der Spieler das Schicksal von Jack und Karen nacherlebt, aber auch weitere wichtige Informationen erhält.
Knackiges Rätselniveau
Die Flash-Spiele erfordern oft nicht nur sehr viel Hirngripps und Kombinationsgabe, sie sind häufig auch motorisch sehr knifflig und benötigen eine ordentliche Portion Geduld, Geschicklichkeit und Reaktionsfähigkeit beim Spieler. Je nach Mentalität können manche Aufgaben auch ziemlich nervig werden. Doch spätestens wenn man eine etwas makabre Abart des klassischen Pacman oder auch einen Space-Invader-Klon spielen darf, ist man völlig versöhnt. Daneben sorgen gelegentliche Bild- und Soundanalysen mit speziellen Tools für Abwechslung.
Einige Virtuosität und Erfahrung im Umgang speziell mit der Suchmaschine von Google erfordern auch die Internet-Recherchen, die häufig auf speziell für diese Spiel angefertigte Sites führen und angeblich von individuellen Personen oder Institutionen beziehungsweise wissenschaftlichen Instituten stammen – man merkt ihnen kaum an, dass sie nicht “echt” sind. Andererseits enthalten sie entscheidende Informationen, um im Spiel voranzukommen. Dies fördert das intensive Gefühl, sich in einer realen Ermittlung und insofern auch Gefahr zu befinden. Dazu tragen die E-Mails, die man Spiel bezogen immer wieder von unbekannten Personen erhält ebenfalls bei. Woher der Server jeweils “weiß”, an welcher Stelle des Adventures sich der Spieler aktuell befindet, ist eine Frage, die sich förmlich aufdrängt. Ubisoft wollte uns auf Anfrage nicht das ganze Geheimnis dazu verraten, aber es findet, wenn der Spieler online ist oder sich ins Spiel unter Angabe seiner E-Mail-Adresse einloggt, eine CD-Abfrage statt, die offenbar die erforderlichen Informationen übermittelt. Der Rest sei quasi Betriebsgeheimnis. Dies ist nun wirklich “real” und mag nicht jedem passen, weil man nicht weiß, welche Daten von der Festplatte möglicherweise sonst noch übertragen werden. Irgendwoher kennt man das doch (aber Microsoft hat mit dem Spiel nichts zu tun ) – im Falle von In memoriam hilft jedenfalls nur eine Portion Vertrauen, wenn man weiter spielen will.
Als Belohnung für erfolgreiche Ermittlungen zeigt uns der Serienkiller jeweils Abschnitte der Videos von Jack oder seine eigenen Aufnahmen. Immer enger verwebt das Adventure den Spieler mit den Ermittlungen des Journalisten, seiner Beziehung zu Karen, aber auch den kranken Fantasien von Phoenix. Die Filmabschnitte sind gut gemacht, bei Jack zum Beispiel mit der Handkamera, was äußerst authentisch wirkt. Auf diese Weise wird man an die unterschiedlichsten Schauplätze geführt, etwa nach Oxford, Neapel, Rom und Venedig, in die Toskana, nach Paris und auch nach Frankfurt am Main.
Eine gewisse Grenze des Spiels zeigt dieses Verfahren allerdings – man bleibt hierbei immer nur der Beobachter, nie begeben wir uns selbst an die Orte des Geschehens, wie man es aus klassischen Adventures gewohnt ist. Das wäre sicherlich für die Programmierer sehr aufwändig gewesen, hätte aber noch einiges zur “Echtheit” im Gefühl des Spielers beigetragen.
Ist man schließlich und nach vermutlich sehr vielen Stunden am Ende seiner Recherchen angegelangt, begegnet man dem Serienkiller “live” bei einem finalen Match im Internet. Leider klappte das bei uns nicht so wie vorgesehen, so dass wir das Spiel nicht ganz beenden konnten. Unter anderem blieb bis heute eine entscheidende E-Mail zur Lösung des Falls aus. Es ließ sich auch gemeinsam mit dem Publisher nicht klären, ob das ein einmaliger Ausfall war oder ein echter Programmfehler.
Damit ein paar Worte zur Technik: In memoriam läuft anstandslos in der Classic-Umgebung von Mac-OS X. Das Spiel kommt mit drei CDs, eine ist zur Installation unter Windows, eine andere für den Mac bestimmt. Die dritte “Black CD” enthält weitere Multimedia-Daten. Der Spielstart inklusive Einloggen ist ausschließlich mit der Installations-CD möglich, das Weiterspielen aber nur mit der schwarzen Scheibe, so dass man leider häufig hin und her wechseln muss. Ein relativ aktueller Quicktime-Player sowie das erforderliche Macromedia Flash 9.0 sind auf CD enthalten. Auf dem Spielbildschirm hilft eine Programmleiste, aus dem Game heraus problemlos ins Internet oder zum E-Mail-Client auf dem Mac zu wechseln. Ebenfalls über diese Leiste kann man sich jederzeit bereits erspielte Videos erneut anschauen.
Fazit
In memoriam geht konsequent neue Wege und hat schon deswegen die Anerkennung der Adventure-Gemeinde verdient. Die Rätsel sind reizvoll und angemessen schwierig, manchmal aber auch nervig. Insgesamt geht das Konzept auf: Viele Stunden extrem spannender und gruseliger Unterhaltung sind für Liebhaber des Genres garantiert. Unsere Kollegen von der Gamestar vergeben gern Prozentpunkte für den Gesamt-Spielspaß. 82 Prozent und ein “Award” für die besondere Atmosphäre sollten aus unserer Sicht angemessen sein.
Info: Ubisoft Entertainment TEL (D) (0211) 3380050 WEB www.ubisoft.de Preis ca. 45 Euro (3 CDs inklusive Mac-und Windows-Version); während des Spiels entstehen zusätzliche Kosten für die Internet-Verbindung
Systemvoraussetzungen: Mac-OS 8. 6 bzw. Classic-Modus unter Mac-OS X (Patch für nativen Betrieb ist laut Hersteller in Vorbereitung), Internet-Zugang und E-Mail-Adresse
USK ab 16 Jahre
:Screenshotgalerie “In Memoriam”