München/Macwelt – Es ist Sommer und Apple hat erst vor kurzem neue Hardware vorgestellt, die überfällig war. So schießen derzeit wieder Spekulationen ins Kraut, welches revolutionäre Produkt der Mac-Hersteller als nächstes bringen wird. Dabei beteiligen sich nicht nur die einschlägigen Gerüchtesites, sondern auch von der seriösen Presse kommen die wildesten Vorschläge. So hat der Autor John Markoff für die New York Times einen Blick in die Glaskugel geworfen und ist dabei zum Schluss gelangt, Apple würde ein Kombigerät aus PDA und Mobiltelefon, das iPhone, in Entwicklung haben und bald vorstellen. Die Indizien, die Markoff anführt, sind jedoch dünn. So habe Apple mit Pixo, der Company, die die Software für den iPod entwickelte, einen Vertrag über ein zweites Produkt abgeschlossen. Die in Mac-OS X 10.2 integrierte Handschriftenerkennung mache am meisten mit einem PDA ähnlichen Gerät Sinn. Apple, vom “Gerangel” mit Palm um die Verbindung derer PDAs mit Mac-OS X genervt, könnte nun selbst ein Gerät entwickeln. Doch dabei bliebe es nicht bei einem bloßen Palm-Konkurrenten, denn Steve Jobs habe selbst oft genug PDA-Plänen eine Absage erteilt und angemerkt, dass Mobiltelefone in Zukunft die Funktionen von PDAs mit übernähmen. Mit der Implementierung von Bluetooth in das Betriebssystem und der Synchronisation von Handy via iSync habe Apple bereits deutliche Schritte in diese Richtung unternommen. Der Needham-Analyst Charles Wolf legt daher Markoff nahe: “Wenn man alle Punkte verbindet, kommt man zu einem Telefon”.
Andrew Orlowski von The Register , der britischen Nachrichtensite, die mit ihren Spekulationen über neue Prozessoren und Geräte auch oft daneben lag, hält die Interpretiationen Wolfs für nicht präziser als die Ergebnisse eines Rorschach-Tests. Wolf sehe Konturen in Tintenklecksen, ziehe aber falsche Schlüsse. Warum, so Orlowski, sollte Apple ein Smartphone, ein Mobiltelefon mit PDA-Funktionen selbst herausbringen, wenn Sony Ericsson die Entwicklung eines solchen Gerätes bereits abgeschlossen hat? Im dritten Quartal soll das Smartphone Sony Ericsson P 800 in Europa erscheinen und im Weihnachtsgeschäft auch in den USA zur Verfügung stehen. Während seiner Keynote zur Macworld Expo in New York ließ Steve Jobs den Präsidenten des japanisch-schwedischen Joint Ventures, Kasumi Ihara, das neue Gerät vorstellen. Stolz erwähnte Steve Jobs daraufhin, dass Apple nun auch das Handy in den digital hub eingebunden habe: “Das ist der Beginn von etwas ganz Großem.”
Das einzige externe “Device”, das Apple für den digitalen Lebensstil bereit stellt, ist der iPod. Vage hat Cupertino zwar immer wieder angedeutet, dass weitere Geräte folgen werden. Steve Jobs hat immer wieder betont, einen MP3-Player hätte Apple selbst gebaut, weil es auf dem Markt keine zufrieden stellende Geräte von Drittherstellern gäbe. Das Sony Ericsson P 800 dürfte kaum Gegenstand einer Jobs-Keynote gewesen sein, wenn der Apple-CEO es für untauglich hält.
Der Respekt stößt laut The Register auf Gegenliebe in London, dem Hauptsitz des gemeinsamen Unternehmens. Dort sei man sehr bemüht, die neuen Smartphones kompatibel zum Mac zu gestalten.
Das Sony Ericsson P 800 verwendet als Betriebssystem Symbian-OS, eine Fortentwicklung des Psion-Betriebssystems EPOC. Sony Ericson hat die grafische Oberfläche UIQ (“Thin Quartz”) weiter entwickelt, andere Handy-Hersteller haben diese in Lizenz genommen. Für Smartphones scheint sich Symbian OS immer mehr als Standard zu etablieren, zumal Microsoft mit dem Versuch gescheitert ist, auf Nokia-Smartphones sein Betriebssystem Stinger integrieren zu lassen. Das neue Adressbuch in Mac-OS X 10.2 will Apple für den besseren Datentausch mit Smartphones optimiert haben.
Apple wird weiterhin an der Strategie festhalten, Soft- und Hardware für den digital hub zu liefern und dabei nicht unbedingt auf eigene “Devices” setzen. Deutlich betonte Steve Jobs in seiner Keynote in New York, wie sehr die neuen Entwicklungen auf Industriestandards aufbauten. So wird Apple gemeinsam mit Sony Ericsson neue Standards vorantreiben wollen, anstatt erneut Milliarden von Dollar in Forschung und Entwicklung zu stecken, wie es beim Newton der Fall war. Das iPhone mit Apple-Logo bleibt ein frommer Wunsch. Das Sony Ericsson P 800 hat mit seinem Aqua-Look in Hard- und Software aber durchaus das Zeug, das inoffizielle Apple-Handy zu werden. pm