
In unserer höchst subjektiven Musikkritik der Reihe „Neues aus dem iTunes Store“ geht es nicht ohne Vorurteile. So haben wir uns schon vor dem ersten Hören des Erstlingsalbums „ On My Mind “ des Münchener Newcomers Tommy Reeve die Schlagzeile „Er schlappt nur einen Sommer“ zu recht gelegt. Nach dem Hören steht für uns fest: Vielleicht passiert das auch so. Es wäre aber schade.
Der Reihe nach: Ab Juli bekam der bei Universal unter Vertrag stehende Münchener Musiker Tommy Reeve im Formatradio ungewöhnlich viel Airplay und wurde als „Die Entdeckung des Sommers“ gefeiert. Passend zur Jahreszeit leitet sich der Künstlername ab, Tommy Reeve schätzt Flip-Flops der Marke „Reef“ derart, dass diese die Wahl des Pseudonyms inspirierte. Wir schätzen mal, der Vorname „Tommy“ ist an den deutschen Tennisprofi Thomas Haas angelegt, denn Tommy Reeve kann nicht nur mit Tasten, Sticks und Saiten umgehen, sondern schwingt das Racket auch so passabel, dass er beinahe Tennisprofi geworden wäre. Für die ATP-Tour hat es nicht gereicht, eine gewisse optische Ähnlichkeit mit Tommy Haas ist jedoch nicht zu leugnen. Reeve verdiente sich mit Trainerstunden und Musikunterricht die Musikerkarriere, die mit dem Album „ On My Mind “ einen Kickstart erhält.
Schon der iTunes Store tut sich schwer bei der Einordnung der Scheibe, in Apples Downloadangebot ist sie in der Kategorie „Alternative“ aufgehängt. Kinder der Neunziger verbinden „Alternative“ eher mit Pearl Jam , Soundgarden oder Nirvana , so richtig „Pop“ ist Tommy Reeve aber auch nicht. „Rock“ wäre mit Sicherheit eine ebenso falsche Einordnung, wie „Soul“, unter welchem Label man Tommy Reeve in vielen Besprechungen seiner Musik findet. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, Reeve hat gewiss die Stimme für Soulballaden und mal gelingt es ihm auch kurz an Lenny Kravitz und an Prince zu erinnern, aber ein Stimmwunder wie der kürzlich besprochene Mika ist er nicht.
Die zwölf Songs von „ On My Mind “ klingen eingängig, sind gefällig arrangiert und mit derart hoher Qualität abgemischt, dass ein klarer und dennoch druckvoller Sound aus den Boxen des Computers, des iPod Docks oder der Stereoanlage perlt. Dennoch folgen sie oft einem nur simplen Aufbau, einzig der Opener „ Can’t Stop Falling “ überrascht an manchen Stellen seines Arrangements. Ins Ohr gehen die geschmeidigen Melodien aber, insbesondere die Single „ I’m Sorry “ sowie „ Nomansland “ und „ Day by Day “ seien hervorgehoben. Stilistisch tummeln sich die in Rockbesetzung (Gitarren, Bass, Drums, Keyboards und Gesang) eingespielten Songs wie bereits erwähnt zwischen Rock, Pop und Soul, in einigen Tracks kommen Streicher als ,Zuckerguss zum Einsatz. Wenngleich deren Klangteppiche man als verzichtbar empfinden könnte, versüßen sie den schmackhaften Kuchen nicht unzulässig.
Wer meint, Songs wie die der zwölf auf „On My Mind“ schon einmal gehört zu haben, liegt nicht völlig verkehrt. Völlig daneben liegt aber der Rezensent „Monterey“, der im iTunes Store „On My Mind“ grammatikalisch unzureichend abkanzelt: „noch ein Blunt solangsam wird es fad“. Kritiker von James Blunt , der dieser Tage sein zweites Album veröffentlicht, halten diesen ja für weinerlich und schmalzig, Reeve hingegen klingt nur in der erwähnten Single ein wenig larmoyant, kann es aber durchaus krachen lassen.
Das Album „On My Mind“ lohnt sich bis zu letzt, selbst nach dem wie ein Schlusspunkt klingendem „Day By Day“ sollte man noch dranbleiben. Denn der Track „ 3 Little Words “ überrascht doch noch und lässt einige Soundexperimente hören, wie sie sich Pink Floyd 40 Jahre zuvor auch hätten ausdenken können.
Im Sommer 2008 wird das Formatradio einen anderen Newcomer bejubeln, ob sich der geneigte Hörer dann noch an Tommy Reeve erinnert, ist höchst ungewiss. Falls es nicht mehr für ein zweites Album reichen sollte, wäre das allemal schade.