
Vor allem in folgenden Bereichen kann es zu Problemen mit Schriften kommen:
– Beim Transfer von Layoutdokumenten, etwa aus Indesign oder Xpress, vom Mac auf den PC. Herkömmliche Postscript- oder Truetype-Schriften lassen sich hier nämlich nicht einbetten, sondern müssen auf der anderen Seite mit entsprechenden PC-Versionen der jeweiligen Schrift substituiert werden.
– Beim Umgang mit Fremdsprachensatz. Ursache sind (teilweise) andere Zeichen und abweichende Tastaturbelegungen. In der Praxis treten derartige Probleme vor allem auf beim Setzen oder der Weiterverarbeitung von Dokumenten in mitteleuropäischen Sprachen auf, in Griechisch, Kryrillisch oder Türkisch. Die hier verwandten Zeichensysteme sind zwar Ableger oder nahe Verwandte des lateinischen Alphabets, kommen beim Satz herkömmliche Schriftformate zum Zug, müssen jedoch entsprechend internationalisierte Versionen angewandt werden.
– Beim typografisch korrekten Formatieren. Gut ausgebaute Postscript-Textschriften offerieren zusätzliche Fontdateien mit entsprechenden Zeichen für Kapitälchen, Mediaevalziffern, Zierzeichen und Brüche. Der Wechsel zwischen Normalfont und Zusatzzeichen-Font ist aber ebenso aufwändig wie das Jonglieren mit unterschiedlichen Sprachversionen.
Opentype: Leistungsprofil

Der Einsatz von Opentype-Schriften verspricht Arbeitserleichterungen in jedem der aufgeführten drei Bereiche. Anders als herkömmliche Postscript- oder True-type-Fonts basieren sie nicht auf dem betagten Mac-ASCII, sondern dem moderneren Unicode. Vorteil: Die 16-Bit-Codierung von Unicode ermöglicht nicht nur die Implementierung einer weitaus höheren Zeichenanzahl; Zeichenausstattungen in fünfstelliger Höhe sind technisch gesehen kein Problem. Da die Unicode-Definition zusätzlich für jedes existierende Sprach- und Zeichensystem einen festgelegten Sektor definiert, beseitigt sie auch die früher so lästigen Zeichen-Differenzen zwischen Mac-ASCII und Win-ASCII. In der Praxis sind aktuelle Opentype (OT)-Schriften zwar recht unterschiedlich ausgestattet. So gibt es das von Adobe entwickelte, ambitionierte Spezialformat Opentype Pro. Schriften in diesem Format – beispielsweise die Adobe Garamond Pro oder die Myriad Pro – enthalten Tausende von Zeichen: nicht nur die normalen Standardzeichen des herkömmlichen Alphabets, sondern zusätzlich unterschiedliche Varianten wie Standardziffern, Mediaevalziffern, Bruchziffern, Kapitälchen, Ziervarianten, Schmuckzeichen und so weiter. Zudem sind Pro-Schriften für unterschiedliche Sprachsysteme ausgestattet. Einige verfügen neben den nötigen Akzentzeichen für mitteleuropäische Sprachen auch über Zeichensets für Kyrillisch und/oder Griechisch.
Bislang sind derart ausgestattete Super-Satzschriften noch in der Minderheit. Zusätzliche Zeichensets, die die Standardbelegung ergänzen, enthalten allerdings viele Opentype-Fonts – vor allem arrivierte, gut ausgebaute oder neue Textschriften. Der Nutzen beim Einsatz von Opentype-Schriften zeigt sich vor allem im Alltag. Besser als bislang bewältigen lassen sich mit ihnen vor allem die drei oben aufgeführten Problemfälle: die systemübergreifende Weitergabe offener Satzdaten, der Fremdsprachensatz sowie die Formatierung mit (allen) typografischen Finessen.
Am einfachsten gestaltet sich die systemübergreifende Verwendbarkeit. Während bei herkömmlichen Schriften stets eine identische Mac- und PC-Version vorhanden sein muss, lassen sich Opentype-Fonts sowohl auf dem Mac als auch auf dem PC installieren. Als Folge sinkt die Gefahr, dass Umbrüche aufgrund abweichender Schriftversionen unterschiedlich dargestellt werden, drastisch. In den zwei anderen Bereichen – dem fremd- oder gemischtsprachlichen Satz sowie der typografisch korrekten Feinformatierung – ermöglichen Opentype-Fonts vor allem das Ausschöpfen bestimmter Automatismen. Da pro Schnitt nur noch ein Font nötig ist, erübrigt sich das ständige Wechseln zwischen unterschiedlichen Sprach- und Zeichenversionen. Für das Sprach-Handling sowie das Arbeiten mit den mehr oder weniger zahlreichen zusätzlichen Zeichen stellen Betriebssystem und Anwendungsprogramme unterschiedliche Hilfsmittel bereit. Moderne Layout- und Grafikapplikationen wie Indesign, Xpress und Illustrator haben hier zum einen spezielle Formatierungsfunktionen in petto, mit denen sich die entsprechenden Attribute leicht zuweisen lassen, zum anderen sogenannte Glyphen-Paletten. Nutzen lassen sich diese Zeichenübersichten nicht nur zur Anschauung, sondern auch als alternatives Arbeitswerkzeug für die Eingabe von Spezialzeichen, die über die Tastatur entweder nicht oder nicht so einfach angesteuert werden können.
Systemübergreifende Verwendung

Am pflegeleichtesten verhalten sich Opentype-Fonts bei der systemübergreifenden Verwendung. Beispiel: Soll ein auf einem Mac erstelltes Indesign-Layout, das die Schriften Adobe Garamond Pro, Tekton Pro und Myriad Pro enthält, an einen PC-Arbeitsplatz weitergegeben werden, genügt es, wenn die entsprechenden Opentype-Fonts dort ebenfalls installiert sind. Weitere Vorsichtsmaßnahmen entfallen. Wie bislang sollten Sie lediglich die Voreinstellungen des Dokuments im Blick behalten. Auch bei Opentype-Schriften gilt generell: Von begründeten Ausnahmen abgesehen, empfiehlt es sich, Dokumente immer mit den Voreinstellungen des Absenders öffnen.
Von Postscript zu Opentype
Zeichentechnisch etwas spezieller gestaltet sich das Ersetzen einer Schrift in einem alten, herkömmlichen Format durch eine neuere Opentype-Version, beispielsweise bei einem in der Adobe Garamond gesetzter Text, der nun mit der Opentype-Variante Adobe Garamond Pro neu formatiert werden soll. Bei stetig wiederkehrenden Aufträgen mit Fremdsprachensatz und/oder typografischen Zusatzzeichen macht ein derartiger Umstieg durchaus Sinn.
Das Problem in diesem Beispiel ist: Die Abweichungen zwischen Unicode-Belegung und Mac-ASCII sind zwar weitaus weniger gravierend als diejenigen zwischen den ASCII-Belegungen auf Mac und PC, trotzdem sorgt die Umstellung auf Unicode immer wieder für falsch umgesetzte Zeichen. Da hierfür viele Ursachen möglich sind (Schrift, System, Textimport-Einstellungen, Programmversion und so weiter), hilft letzten Endes nur ein visueller Dokument-Check. Tipp: Anführungszeichen sind mit die ersten Kandidaten bei fehlerhaften ASCII–Unicode-Konvertierungen.
Ähnliche Konstellationen treten auch bei dem im nächsten Absatz beschriebenen Fremdsprachensatz auf – etwa dann, wenn der Text mit einer CE-Schrift in einem herkömmlichen Format formatiert wurde und diese nicht zur Verfügung steht. Da es auch hier oft auf die Details ankommt, sollte man im Zweifelsfall darauf achten, dass Ausdrucke des Originaltextes zur Verfügung stehen. Bei der Verwendung einer Opentype-Schrift sollte man beim Konvertierungsvorgang auf die Zielcodierung achten. Bei manchen Dokumenten hilft es, die passende Codierung über eine Art Textwäsche in Textedit zuzuweisen. Der Texteditor von Mac-OS X enthält in den Einstellungen unter „Öffnen und Sichern“ unter dem Punkt „Codierung“ eine Liste gängiger Zeichencodierungen. In vielen Fällen – insbesondere bei Texten aus dem Internet ohne weitere Formatierung – sorgt das Zuweisen der Einstellung Unicode (UTF-16) für die richtige, Opentype-like Konvertierung.
Satz international

Hier ist generell zu unterscheiden zwischen Texteingabe und Weiterverarbeitung. Technisch gesehen sind für das Eingeben von Texten in Ungarisch, Litauisch oder Griechisch drei Dinge vonnöten: a) eine an die jeweilige Landessprache angepasste Tastatur, b) eine korrespondierende Tastatur-Einstellung (zu finden unter „Systemeinstellungen > Tastatur > Landessprache“) und eine Schrift, die die benötigten Zeichen enthält. Kürzere Texte in mitteleuropäischen Sprachen lassen sich zur Not zwar auch mit der Basisausstattung hierzulande üblicher Latin-West-Schriftfonts bewältigen. Bei professionellem Fremdsprachensatz ist jedoch eine internationalisierte Fontversion vonnöten. Entsprechend ausgestattete Opentype-Fonts funktionieren hier noch bequemer. Da die Opentype-Schrift die entsprechende Zeichenbelegung bereits enthält, entfällt vor allem das lästige Hin-und-Her-Switchen bei gemischtsprachlichen Dokumenten. Umzustellen ist bei der Verwendung von Opentype-Schriften (oder entsprechend ausgestatteten Systemfonts) lediglich noch bei der eigentlichen Texteingabe: die Tastatureinstellung im Tastaturbelegungsmenü des Finders. Beim Formatieren hingegen spielt die Spracheinstellung keine Rolle mehr. Ob Französisch, Deutsch, Kroatisch oder Russisch: Enthält die gewählte Opentype-Schrift die entsprechenden Zeichensets, kann die Standard-Tastatureinstellung (in der Regel: Deutsch) weiter verwendet und einfach losformatiert werden.
Typografisches Finetuning

Beim Formatieren mit allen edeltypografischen Finessen spielt Opentype seine Vorteile voll aus. Über die Zeichenattribute von Indesign, Xpress und Illustrator lassen sich die gewünschten Opentype-Eigenschaften bis ins letzte Detail festlegen. Mediaevalziffern statt Standardziffern? Kapitälchen? Zier-Großbuchstaben am Wortanfang? Richtige Bruchziffern inklusive Bruch-Schrägstriche anstatt schlecht aussehender Behelfs-Brüche in Standardzeichen? Alles kein Problem. Der Vorteil: Über die Opentype-Untermenüs der jeweiligen Paletten lassen sich die gewünschten typografischen Detaileigenschaften ohne weitere Probleme zuweisen. Beispiel: Ist für einen Grundtext der Zifferntyp Mediaevalziffern definiert und enthält dieser Text Tabellen, in denen die standardmäßig verwandten Versalziffern sinnvoller sind, genügt es, den Text der entsprechenden Tabellen zu markieren und die abweichende Opentype-Eigenschaft über das Opentype-Untermenü auszuwählen.

Eine weitere Möglichkeit, den Zeichenvorrat einer Opentype-Schrift sinnvoll auszuschöpfen, stellen die korrespondierenden Glyphen-Paletten zur Verfügung. Das gilt auch für Absatz-Bullets oder Zierzeichen, die über die Tastatur entweder nur schwer oder gar nicht ansteuerbar sind. Indesign CS3 ermöglicht darüber hinaus, unterschiedliche Zeichen aus unterschiedlichen Schriften in sogenannten Glyphen-Sammlungen zusammenzustellen und bei Bedarf aufzurufen. Erwähnt werden sollte an dieser Stelle noch, dass sich Opentype-Eigenschaften – ebenso wie andere Zeichen- und Absatz-Attribute – selbstredend auch in Formate und Stilvorlagen einbetten lassen. Die typografischen Opentype-Fähigkeiten aktueller Anwendungen erschließen sich in der Praxis meist recht leicht; das Problem ist weniger das technische „wie“ als vielmehr das mangelnde Bewusstsein der Möglichkeiten, die diese Art des mikrotypografischen Finetunings erlaubt.
Fazit

Opentype-Schriften bringen vieles wieder, was High-End-Typografen an typografischen Gestaltungsmöglichkeiten bislang vermissten. Ihr Vorteil liegt vor allem in der vereinfachten Bedienweise – vor allem in Situationen, in denen das Arbeiten mit herkömmlichen Schriften schwierig wird. In Sachen Feintypografie ist dabei längst noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Schriftversionen für Kleingedrucktes, Normalschriftgröße und Headlines sind zwar selbst beim Flaggschiff unter den Opentype Pro-Schriften, der Minion Pro, bislang nur über unterschiedliche Schnitte ansteuerbar. Gut möglich jedoch, dass sich Schrift- und Layoutanwendungshersteller auch hier über kurz oder lang feature-gesteuerte Lösungen einfallen lassen werden.
Info: Opentype Standard und Pro

Aktuell gibt es vom Format Opentype zwei unterschiedliche Unterspezifikationen: zum einen das von Adobe auf den Weg gebrachte Format Opentype Pro, zum anderen das „normale“ Opentype-Format, das auch unter der Zusatzbezeichnung Standard (Abkürzung: Std) firmiert. Mit der Kennung „Std“ im Fontnamen warten vor allem die Nicht-Pro-Schriften der Bibliotheken von Adobe und Linotype auf. Bei Opentype-Schriften mit der Zusatzbezeichnung „Pro“ im Namen sind Typofunktionen bis zum Abwinken sowie sprachtechnisch zusätzliche Zeichenbelegungen geradezu Pflicht. Nicht alle Hersteller orientieren sich allerdings an dieser typografischen Oberliga. Viele Opentype-Fonts enthalten lediglich den Zeichensatz herkömmlicher Postscript- und Truetype-Schriften. Andere warten durchaus mit Zusatz-Zeichensets auf – bisweilen sogar in einem Ausmaß, das demjenigen von Pro-Schriften durchaus nahekommt. Welche Zeichenbelegungen eine Opentype-Schrift genau in petto hat, sollten Sie beim Schriftkauf zuvor in Erfahrung bringen. Grundsätzlich gilt: Der Kauf einer Opentype-Schrift ist ein Neukauf. Aufgrund der zusätzlichen Ausstattung warten Opentype-Schriften jedoch oft mit einem besseren Preis–Leistungs-Verhältnis auf. Und ob Pro oder Standard – auf Mac und PC laufen alle gleichermaßen.
Tipp: Datafork Suitcase
Mit Mac-OS X hat Apple ein Schriftformat etabliert, das Opentype in vielerlei Hinsicht gleicht: das Format Datafork Suitcase, kenntlich gemacht mit der Endung .dfont im Namen. Im Unterschied zu „echten“ Opentype-Fonts handelt es sich bei den dfont-Systemschriften um Fortentwicklungen von Truetype-Schriften. Zudem ist das Format proprietär, das heißt: auf PCs sind Lucida Grande, Geneva & Co. nicht einsetzbar. Darüber hinaus haben sie jedoch einige wesentliche Gemeinsamkeiten mit Opentype-Fonts: 16 Bit Datentiefe und Unicode-Codierung. Zeichentechnisch sind einige der von Apple mitgelieferten Systemschriften recht ansehnlich bestückt. Die Lucida Grande etwa enthält nicht nur zahlreiche Zierzeichen, sondern darüber hinaus eine Sprachen-Ausstattung, die diejenige von Opentype-Pro-Schriften teilweise noch übertrifft. Angesichts der fortschreitenden Internationalisierung – insbesondere auch im Internet – sind entsprechende Systemfonts heute so gut wie unabdingbar. Allerdings: Für die professionelle Medienproduktion sind Lucida Grande und Konsorten nicht geschaffen – schon aufgrund der eher rudimentären Schnittausstattung. Hier sollte man in jedem Fall auf echte Opentype-Schriften zurückgreifen.