Kaum zu glauben: Während praktisch jedes Programmentwicklerteam mit einer Versionskontrolle hantiert, sind bislang kaum Anbieter auf die Idee gekommen, so etwas auch für den Rest von uns anzubieten – also allen, für die Coding, Terminal und Commandlines Fremdwörter sind und bleiben sollen. Dabei wimmelt es auch außerhalb der Programmierstuben von Versionen: Textentwürfe, Layouts, Anzeigenformate, Videoclips oder Portraitbilder in verschiedenen Beautyretuschestadien, um nur einige Beispiele zu nennen. Anhand welcher bereits vorhandenen Tools Kreative sich mit Versionskontrolle anfreunden könnten, behandelt dieser Artikel.
Layouter, Grafiker und Bildbearbeiter arbeiten regelmäßig mit verschiedenen Versionen ihrer Werke. Im Entstehungsprozess einer Druckpublikation beispielsweise werden viele Arbeitsschritte in eigenen Versionen der Arbeitsdatei abgeschlossen – vom Entwurf über die erste Seitengestaltung, dem Einfügen der vorläufigen und finalen Bilddateien, den Korrekturläufen und Freigaben bis zur Weitergabe als druckfertige Datei. Das birgt Fehlerquellen, wenn man ausschließlich willkürlich Dateiversionen auf seiner Festplatte speichert. Dateien werden versehentlich überschrieben oder gehen verloren. Kein Grafiker, dem dies noch nicht passiert wäre.
Diese Zielgruppe wird nun von ersten Anbietern entdeckt und mit spezieller Versionskontrolle-Software bedacht. Anwender von Adobes Programmen der Creative Suite sind dabei besonders im Fokus. Zum einen erhalten sie mit Adobes Creative-Suite-Bundles der Master-Collection und für Design und Web bereits eine Versionsverwaltung namens Version Cue, zum anderen werden die Binary-Dateitypen dieser Programme auch von den hier besprochenen zwei Lösungen Flow und Timeline unterstützt. Web-Designer, die letztendlich HTML-Code programmieren, können außerdem auf neue Tools für die besonders verbreitete Versionskontrolle-Software Subversion zugreifen (siehe Kasten “Subversion und Clients”), die den Umgang mit Subversion erleichtern.
Versionskontrolle
















Die einfachste Form einer Versionskontrolle ist das mehrfache Speichern einer Designdatei im Entstehungsprozess unter verschiedenen Dateinamen. Die einzelnen Versionen (beispielsweise “Design_Entwurf1.indd”, “Design_Entwurf2.indd”,…) spiegeln dabei beispielsweise den zeitlichen Verlauf der Entstehung wieder. Andere Möglichkeiten sind Photoshops Protokoll-Funktion, die Arbeitsschritte und Schnappschüsse (allerdings nur) während einer Arbeitssitzung aufzeichnet und zu beliebigen Schritten zurückgehen lässt, oder eine Versionserstellung über das wenig beachtete Ebenenkompositionen-Bedienfeld. Auch in Xpress oder InDesign lassen sich über verschiedene Ebenen etwa für verschiedene Landessprachen Versionen innerhalb einer Datei erstellen.

Spezielle Lösungen zur Versionskontrolle bieten einen organisierteren Weg der Versionsverwaltung und daneben auch eine Wiederherstellungsmöglichkeit, wenn etwa eine lokale Datei beschädigt wird. Mit diesen Versionierungsprogrammen werden die Versionen in einer eigenen Datenbank gespeichert, die allgemein als Repository (auf deutsch Aufbewahrungsort, Lagerstätte) bezeichnet wird. Änderungen in einer Datei werden dabei getrennt von der Datei selber gespeichert und aus der Versionshistorie lassen sich einzelne “Dateizustände” wieder herstellen. Wer nicht alleine, sondern zusammen mit anderen an Designs und Layouts arbeitet, kann eine Versionskontrolle auch zur sicheren Weitergabe einer Dateiversion an andere verwenden. Repositories lassen sich auch auf Netzwerk-Laufwerken oder auf einem File-Server im Internet einrichten, womit auch ortsunabhängig und von verschiedenen Rechnern auf Versionen zugegriffen werden kann.
Designer, Layouter und Bildbearbeiter müssen mit einem Versionskontrolle-System also nicht mehr manuell verschiedene Kopien einer Arbeit speichern und benennen. Wann immer im Arbeitsprozess eine Dateiversion erhalten bleiben soll, schickt man sie an das Repository und Dateien und ihre Versionen bleiben zentral in diesem verwaltet. Auch Backups (Kreative, macht ihr Backups?) werden vereinfacht, da man sich nicht mehr um verteilte Speicherorte kümmern muss, sondern seine Versionen an einem zentralen Speicherort findet.
Für Photoshop: Timeline
Die britische Firma Pixel Novel hat die einfache und einfach anzuwendende Photoshop-Versionskontrolle Timeline programmiert, anhand der sich hier auch Grundlagen der Open Source Lösung Subversion erklären lassen, denn Timeline ist nicht die eigentliche Versionsverwaltung, sondern eine Schnittstelle zu diesem mit einem grafischen Interface, das direkt aus Photoshop arbeitet. Vor der Anwendung von Timeline auf dem eigenen Mac muss man zunächst ein Subversion-Repository einrichten. Solche Repositories lassen sich über Subversion-Clients (siehe Kasten) einfach erstellen. Auch von Hand ins Terminal-Programm getippt sollte das Aufsetzen des Servers sogar einem notorisch wenig den Kommandozeilen zugeneigten Kreativen möglich sein, denn er muss nach Download und Installation von Subversion (link siehe Kasten “Subversion und Clients”) nur folgende Zeile fehlerfrei im Terminal-Programm tippen können:
/opt/subversion/bin/svnadmin create /arbeit/mein_lager/

In diesem Beispiel wird auf einem lokalen Volume im Dateipfad “arbeit” das Repository namens “mein_lager” angelegt. Jetzt kommt Timeline ins Spiel, und zwar in der Standalone-Version, die als Photoshop-Zusatzmodul installiert wird. Über den Projektassistent von Timeline verbindet man Photoshop mit dem lokalen Repository und bestimmt einen Ordner, der die Arbeitsdatei enthält. Ab jetzt können direkt aus Photoshop Änderungen an der Arbeitsdatei auch als Version einschließlichlich eines Kommentartexts im von Timeline verwalteten Repository festgehalten werden. Über das Timeline-Dialogfenster in Photoshop lässt sich anschließend eine beliebige Version als Arbeitsdatei aktivieren, sei es eine frühere oder spätere. Direkt über den Finder sind diese Versionen allerdings nicht als Dateien verfügbar, man muss sie erst in Photoshop via Timeline “erstellen”. Die Versionen im Repsository sind auch keine vollständigen Bilddateien – entgegen häufiger Meinung kann Subversion auch bei Binärdateien nur die Änderungen beziehungsweise Unterschiede im Repository festhalten.
Für den Einzelplatz-Anwender bietet das Speichern mit Timeline auf seiner lokalen Festplatte den Vorteil eines zentralen Speicherorts seiner Photoshop-Dateien mitsamt der Historie, außerdem spart er gegenüber manuell erzeugten Versionen Speicherplatz. Jedoch sollte man auschließlich im PSD-Format arbeiten, das alle Photoshop-Speicheroptionen wie Ebenen und 16-Bit-Modus beherrscht, und einen Wechsel des Dateiformats etwa von JPEG zu PSD vermeiden, weil man sonst anschließend erneut mit der Versionierung einer weiteren Datei beginnen müsste.
Pixelnovel bietet das Timeline-Zusatzmodul auch für zwei Hosting-Services, den eigenen und einen von der Firma Beanstalk, an. Bei diesen kostenpflichtigen Online-Services werden die Repositories beim Hosting-Anbieter angelegt, der auch für regelmäßige Backups sorgt. Auf die Versionen kann wahlweise über das Photoshop-Zusatzmodul, einen anderen Subversion-Client oder ein Webbrowser-Interface zugegriffen werden. Nutzbar wäre so ein Hosting-Service beispielsweise für den gemeinsamen Zugriff auf Design-Versionen mit einen Kunden oder im Designteam. Nachteil: In der Online-Variante ist das Ein- und Auschecken von Photoshop-Dateien langsam und kann einem bei großen Arbeitsdateien auf die Geduldsprobe stellen.
Big Brother: Gridiron Flow
Wenn der Schreibtisch seines Macs (oder auch der, auf dem der Mac steht) von Dokumenten übersät ist, dann ist man ein potentieller Kandidat für Gridiron Flow. Diese ungewöhnliche visuelle Versionskontrolle wendet sich an kreative “Chaoten” (vornehmlich als Einzelplatz-Anwender), denen es Kontrolle über die in einem Projekt verwendeten Assets wie Bilder, Grafiken und Layouts verschafft, ohne dass dabei die gewohnte Arbeitsweise und Dateistruktur geändert werden muss. Flow wird einfach installiert und übernimmt von da an im Hintergrund laufend die Aufzeichnung aller Aktivitäten mit unterstützten Dateiformaten. Es empfiehlt sich auch, nach der Installation von Flow über Nacht einen Scan der lokalen Festplatten zuzulassen. Anschließend kann Flow zu jeder Datei eines unterstützten Formats Links und Verwendungen anzeigen.

Startet man Flow als Interface-Programm, stellt es in so genannten Share Maps die Verbindungen, Versionen und weitere Verwendungen aller in einem Projekt eingebundenen Dateien dar. Flow unterscheidet dabei zwischen direkten Verknüpfungen (links) und Datenknoten (nodes), die beispielsweise auf eine aus einer Indesign-Datei erzeugten PDF-Datei verweisen. Optional verfolgt Flow auch, wo sich Kopien einer Datei befinden. Bei größeren Projekten wird die dargestellte Share Map sehr komplex, aber durch die klare Anordnung der Assets, eine unterschiedliche farbige Markierung und das Hervorheben von Verknüpfungen zu einer in der Map ausgewählten Datei lässt es sich gut zurechtfinden. In gewissem Umfang lässt sich eine Share Map auch bearbeiten, beispielsweise indem man unnötige Verbindungen “kappt”. Aus den Share Maps können Dateien auch direkt geöffnet werden sowie die beteiligten Dateien auf ihrem aktuellen Stand in Paketen gesammelt werden. Nützlich hierbei ist die Fähigkeit, auch nicht verknüpfte Dateien in eine Share Map aufnehmen zu können, um per Drag-and-drop etwa ein Storybord, ein Begleit-PDF oder anderes Material hinzuzufügen.
Zusätzlich zum eigenen Interface stellt Flow auch Flash Panels für Adobe CS4-Anwendungen wie Photoshop, Indesign, Illustrator und Flash bereit, die entsprechende Auskünfte für die aktive Datei zeigen. Die Versionen der Dateihistorie zeigt der Bereich rechts der Share Map, durch Doppelklick auf eine frühere Version kann man diese wieder zu aktuellen Versionen umzuwandeln. Ein Beispiel dafür wäre die Wiederherstellung der Ebenen einer versehentlich reduzierten Photoshop-Datei. Auch beim Verschieben und Löschen von in Projekten verwendeter Dateien warnt Flow den Anwender – dazu dient unter anderem das Flow-Dashbord auf dem Desktop. Es warnt allerdings nicht beim Löschen von Dateien, bei denen keine Verbindungen zu anderen Dateien bestehen. Neben dieser Versionskontrolle kann man sich in Flow die auf Dateien und Projekte verwendete Arbeitszeit anzeigen und im Tabellenformat exportieren lassen.
Für eine erste Programmversion ist Flow bereits sehr stabil, auch die mit der vorhergehenden Beta zu verzeichnenden Einbußen bei der Systemperformance hat der kanadische Anbieter gut in den Griff bekommen. Wieviel Speicherplatz man Flow und seinem Versionsverwaltungsordner zugesteht, lässt sich über die Voreinstellungen regeln, beispielsweise indem man die Versionierung auf bestimmte Dateitypen beschränkt. Die Hintergrundaktivität von Flow macht sich allerdings fallweise bemerkbar: Für die Durchführung von Backups etwa sollte man Flow stoppen. Beim Autor sind aufgrund von Flows Aktivitäten Backup-Ausführungen von Chronosync und Carbon Copy Cloner regelmäßig hängengeblieben.
Selten beachtet: Adobe Version Cue CS4
Die zu Adobes Creative-Suite-Bundles mitgelieferte Versionsverwaltung Version Cue arbeitet etwas anders als Subversion. Hier werden kurz gesagt Versionen auf einem Version-Cue-Server in Projekten ein- und ausgecheckt. Für Einzelanwender ist Version Cue, obwohl machbar, etwas umständlich, dennoch geben wir hier einen kurzen Überblick über Einrichtung und Nutzung. Grundsätzlich muss erst einmal ein Server aufgesetzt werden (der auch auf dem lokalen Rechner sein kann). In den Systemeinstellungen findet sich dazu die entsprechende Version-Cue-Panel, mit dem man grundlegende Servervorgaben trifft und in die Serverwaltung wechseln kann, die in einem Webbrowser-Fenster stattfindet.

Anschließend werden Benutzer angelegt und mit Rechten ausgestattet, was man auch als Einzelanwender tun sollte. Als Zwischenglied zwischen dem Version-Cue-Server kommt nun auch noch Adobe Drive zum Einsatz. Durch Adobe Drive erscheint der Version Cue Server wie eine Festplatte im Finder.

Mit entsprechenden Rechten kann nun auch der Benutzer beispielsweise aus Adobe Bridge ein Projekt anlegen und direkt aus den Adobe-Programmen seine Versionen einpflegen. Dazu muss Version Cue allerdings auch erst einmal in den einzelnen Programmen respektive deren Voreinstellungen aktiviert werden. Das Auschecken einer Datei passiert nun, sobald ein Benutzer anfängt, eine im Projekt enthaltene Datei zu editieren. Um neue Versionen im Projekt anzulegen, muss der Anwender die Datei wiederum über den entsprechenden Befehl im Datei-Menü einchecken. Das Versionen-Dialogfenster ist in den CS4-Programmen etwas versteckt: Unten links im Dokumentfenster einer geöffneten Projektdatei wählt man über das kleine Dreieck im Popup-Menü “Versionen anzeigen”. Im folgenden Dialogfenster lassen sich nun alle eingecheckten Versionen und deren Kommentare sichten sowie anzeigen oder zur aktuellen, neuen Version deklarieren.
Im Prinzip ist Version Cue auch für Einzelanwender gut geeignet, die relativ umfänglichen Administrationsarbeiten muss man schließlich nur einmal machen und kann anschließend die Projekt- und Versionsverwaltung in Bridge CS4 erledigen. Für kleinere Arbeitsgruppen mit Fokus auf Adobe-Anwendungen ist Version Cue die naheliegende Versionsverwaltung, allerdings zeigt sich der gemischte Einsatz von CS3- und CS4-Versionen von Creative-Suite-Programmen und Version Cue als fehleranfällig bis dahin, dass Version-Cue-Server gar nicht erkannt werden. Dass Version Cue sowenig zur Anwendung kommt, liegt auch an der äußerst kargen Dokumentation seitens Adobe. Dabei hat es praktisch jeder Creative-Suite-Anwender installiert.