Die Farbe von Bildern aus Digitalkameras legt entweder der Hersteller fest oder sie ist – im Fall von RAW-Aufnahmen – über ein Kameraprofil des RAW-Konverters definiert. Im ersten Fall sind dies Farbinterpretationen, die in der Kamera instant auf JPEG-Aufnahmen angewendet werden. Die meisten Kamerahersteller bieten dafür Bildstile wie “Neutral”, “Lebhaft” oder “Portrait” an. Bei RAW-Aufnahmen übernimmt das Kameraprofil des RAW-Konverters die Aufgabe der Farbinterpretation und in den allermeisten Fällen verwenden Anwender ein mitgeliefertes Standardprofil. Bei Camera Raw, dem RAW-Konverter für Photoshop, und bei Lightroom, das mit derselben Technik arbeitet, finden sich diese Profile im Reiter “Kamerakalibrierung” beziehungsweise im gleichnamigen Bedienfeld im Modul “Entwickeln”.

Für alle RAW-Bilder, die Camera Raw und Lightroom als erste Applikation öffnen, werden die Entwicklungsvorschauen entsprechend der Farbtabellen des aktiven Profils eingestellt – worum sich die meisten Anwender nicht weiter kümmern. Mit dem voreingestellten Standardprofil können aber nicht gleichzeitig eine neutrale Farbwiedergabe (was in den meisten Fällen langweilig aussieht), ansprechende Hauttöne und lebhafte Landschafts- und Himmelfarben erziehlt werden, und das auch noch bei allen Lichtarten, unter denen fotografiert wurde.
Nun könnte man im Camera-Raw-Dialog oder in Lightroom die Farben ändern und dies als Entwicklungseinstellung speichern. Solche Farbbeeinflussungen sind aber nur grob möglich. Will man etwa einen bestimmten Grünton über das Bedienfeld “HSL/Graustufen” anpassen, gilt die Einstellung für alle anderen Grüntöne. Besser ist es, verschiedene Kameraprofile mit exakteren Farbanpassungen anzulegen.

Ab Camera Raw 5.2 und Lightroom 2.2 bietet Adobe zusätzlich zu seinen Standardprofilen für Kameras großer Hersteller weitere Profile an, die die kamerainternen Bildstile, die beim Fotografieren auf JPEG-Aufnahmen angewendet werden, auch für RAW-Bilder nachbilden. Dazu zählen etwa Nachbildungen von Nikons Vivid-Stil oder Canons Portrait-Picturestyle. Diese Nachbildungen haben den Namensvorsatz “Camera”.
Der DNG Profile Editor
Noch vor der Veröffentlichung der “Camera”-Bildstile stellte Adobe das kleine Programm DNG Profile Editor kostenfrei (und ohne Supportunterstützung) bereit, mit dem sich eigene Kameraprofile erzeugen lassen – entweder auf Basis eines vorhandenen Kameraprofils oder auf dem Weg einer Kamerakalibrierung mit einer Colorchecker-Farbtafel von Xrite. Das englischsprachige Programm ist über die Adobe-Labs erhältlich. Der DNG Profile Editor erkennt (als Vorlage und Ausgangsbasis) das Kameraprofil, mit dem eine DNG-Datei gespeichert wurde, und liest zusätzlich alle anderen für das Kameramodell verfügbaren Kameraprofile aus der DNG-Datei aus.
Man speichert also eine passende RAW-Datei aus dem Dialog “Camera Raw” oder aus Lightroom und öffnet diese DNG-Datei im DNG Profile Editor. Im Pop-up-Menü zu “Base Profile” wählt man das Profil, auf dessen Grundlage die Farben bearbeitet werden sollen. Das Programm liest nun die zwei Farbtabellen des Profils aus, die nun die Grundlage für eigene Editierungen bilden. Standardmäßig werden beide Farbtabellen für 2.850 Kelvin und 6.500 Kelvin gleichzeitig bearbeitet.

Das Editierfenster ist in verschiedene Reiter unterteilt, das erste, “Color Tables”, ist zugleich auch das wichtigste. Hier lassen sich für ausgewählte Farborte Farbton (Hue), Sättigung (Saturation) und Farbhelligkeit (Lightness) anpassen. Die Farbproben dazu werden entweder dem DNG-Vorschaubild entnommen oder bei gedrückter Befehlstaste direkt im Farbkreis gewählt. Sie lassen sich mit gedrückter Wahl-Taste aus dem Farbkreis oder durch einen Klick auf den Minus-Button aus der Liste entfernen. Anders als bei Farbregelungen in Camera Raw oder Lightroom kann man hier verschiedene Farbtöne etwa im Grünbereich wählen und sie entweder abändern oder vor einer Beeinflussung schützen, indem man die Farbproben unbearbeitet lässt. Im Menü “Options” lässt sich der Eintrag “Show Affected Colors” aktivieren, um betroffene Bildbereiche im DNG-Bild anzuzeigen. Dies ist beispielsweise nützlich, wenn man Rottöne bearbeitet und sehen will, ob auch Hauttöne davon betroffen sind.
Der nächste Reiter “Tone Curve” lässt die im Profil eingebettete Gradationskurve abändern. Klickt man auf den Button “Show Base Tone Curve” erscheint diese rot. Sie ist für die Umverteilung der linearen Helligkeitsverteilung der RAW-Aufnahme auf eine visuell passende Helligkeit zuständig. Hier sollte man nur vorsichtige Anpassungen vornehmen, beispielsweise wenn alle RAW-Aufnahmen trotz passender Belichtung vom Basis-Kameraprofil zu dunkel interpretiert werden.
Ebenso vorsichtig sollte man im Reiter “Color Matrices” zu Werke gehen – im Normalfall kann man diesen Dialog außer Acht lassen. Die Regler sind aus den Kamerakalibrierungsdialogen von Camera Raw und Lightroom bekannt und für die Grundinterpretation der primären Farborte Rot, Grün und Blau zuständig. Außerdem lässt sich hier die allgemeine Weißbalance-Vorgabe ändern. In Sonderfällen wie bei echten Infrarot-Aufnahmen kann man hier durch Absenken des Farbtemperaturreglers erreichen, dass solche Aufnahmen in den Regelbereich von Camera Raw (2000 bis 50 000 Kelvin) eingepasst werden.
Im Reiter “Options” vergibt man schließlich den internen Namen (wie er im Bedienfeld Kamerakalibrierung von Camera Raw und Lightroom angezeigt wird) des Kameraprofils und ein Copyright. Über “Embedd Policy” wird zudem über die Verwendung des Profils entschieden. Mit “Allow Copying” können andere Anwender das Kameraprofil entnehmen. Der letzte Dialog schließlich betrifft nur die Kamerakalibrierung mit einer oder zwei Aufnahmen der Colorchecker-Farbtafel. Im DNG Profile Editor sind die Sollwerte der Farbfelder enthalten und das Programm startet eine automatische Kalibrierungsroutine.
Profil erstellen
Alle Kameraprofile sind Farbinterpretationen, ob sie nun Farben möglichst neutral wiedergeben oder auf bestimmte Bildsituationen wie Portrait oder Landschaft abgestimmt sind. Im folgenden Beispiel wird ausgehend von einem Adobe-Standardprofil eine lebhafte Wiedergabe von Landschaftsaufnahmen angestrebt:




Rezept und Profil
Die Bearbeitungen im DNG Profile Editor lassen sich als Rezept (Recipe) oder als Kameraprofil speichern. Außer dass man an einem Rezept später weiter arbeiten kann, bietet es sich für weitere Zwecke an. Beispielsweise lässt sich sukzessive mit mehreren DNG-Bilddateien an einem Rezept arbeiten und es so “verfeinern”. Wer ein eigenes Portrait-Standardprofil für seine Kamera anlegen will, öffnet einfach mehrere Portraitbilder nacheinander und nimmt seine Feineinstellungen für verschiedene Hauttöne vor.
Eine weitere Anwendung für ein Rezept ist die Übernahme eines Farb-Looks eines bestimmten Kameramodells, um es auf ein anderes Kameramodell zu übertragen, etwa wenn mit verschiedenen Kameras in derselben Situation fotografiert wurde und die Aufnahmen die gleiche Farbwirkung haben sollen. Da Kameraprofile an bestimmte Kameramodelle gebunden sind, müssen dazu DNG-Bilddateien von beiden Kameras vorliegen.
Speichert man ein Profil, ist es an ein bestimmtes Kameramodell gebunden (was die meisten Anwender nicht kümmert, da sie nur über eine RAW-fähige Kamera verfügen). Damit Kameraprofile auch von Camera Raw und Lightroom erkannt werden, müssen sie im Ordner “Cameraprofiles” im Ordner “/Benutzer/[benutzername]/Library/Application Support/Adobe” gespeichert sein.
Mike Schelhorn