
Noch vor zwanzig Jahren war es Usus, das Gepäck für den großen Urlaub um eine ordentliche Fotoausrüstung samt Diafilmen zu erweitern. Zurück aus dem Urlaub, gab man die Filme zur Entwicklung und schaute sie ein paarmal mit Freunden oder Verwandten an. Wer sich diese Dias heute einmal anschaut, wird mit Schrecken feststellen, dass die Bildqualität dramatisch nachgelassen hat.
Gründe dafür sind nicht nur eine unsachgemäße Lagerung in Kartons oder etwa eine zu warme Umgebung der Bildträger. Auch die seinerzeit meist verwendeten Chemikalien auf den Dias sind stetem Zerfall unterworfen.
Rettung vor dem Zerfall
Während sich alte Schwarz-Weiß-Filme als relativ resistent erweisen, sind Farbnegativfilme und Diapositive mit organischen Farbstoffen in der Emulsion wesentlich anfälliger. Sie bleichen gern aus. Einzig der Kodachrome-Diafilm ist beständiger gegen das Altern, die Farben sehen oft nach sechzig Jahren aus wie neu. Das liegt daran, dass der Kodachrome-Film die Farbstoffe nicht in der Emulsion eingelagert hatte: Im Prinzip bestand das Filmmaterial aus drei Schwarz-Weiß-Schichten, welche für die unterschiedlichen Grundfarben sensibilisert waren. Nach der Entwicklung wurden die Farbstoffe in einem komplizierten chemischen Prozess von außen an die entsprechenden Filmschichten herangespült.
Fotos digitalisieren
Möchte man die alten Bilder retten, sollte man jetzt zur Tat schreiten. Die Lösung für das Problem ist recht einfach, sie führt über das Digitalisieren der Vorlagen mittels eines Scanners. Wer dabei gute Ergebnisse erzielen will, muss allerdings eine ganze Menge beachten.
Sollen bestehende Dias und Negative möglichst vollwertig digitalisiert werden, führt kein Weg an einem hochwertigen Scanner vorbei.
Sind professionelle Anwendungsbereiche wie Druck oder Grafikbearbeitungen angedacht, kommt man um teure Technik nicht herum. Dabei steigen Zeitaufwand und Dateigröße pro Bild beträchtlich. Deshalb unterscheiden sich auch die auf dem Markt befindlichen Scannertypen. Einen “besten Scanner” für alle Anwendungsbereiche gibt es nicht; Fotografen haben meist mehrere Scanner in Betrieb.
Die optimale Bildqualität entsteht zudem nicht allein im Scanner. Entscheidend ist die Verarbeitungskette “Scannen – Scansoftware – Bildbearbeitung”. Neben der eingesetzten Hard- und Software sind auch Vorkenntnisse für die Güte des Endergebnisses entscheidend.
Scannerkriterien
Wichtigstes Stichwort: die Auflösung des Geräts. Je größer die Zahl, umso besser auch die Bildqualität – sollte man meinen. Gern wird jedoch ein wenig bei den Angaben auf der Verpackung geschummelt. Meist ist die tatsächliche Auflösung nur etwa halb so groß wie angegeben. Die Bilddaten werden dann interpoliert, wodurch großvolumige Dateien mit einem hohen Anteil von nutzlosem Datensalat entstehen.
Doch welche Auflösungen liefert das fotochemische Ausgangsmedium an? Bei Negativen und Dias aus Amateurkameras ist eine Scanqualität von etwa 3000 dpi bereits mehr als ausreichend. Das entspricht ungefähr einem Digitalfoto mit einer Auflösung von etwa 10 Megapixeln. Bei Fotos, die mit hochwertigen Spiegelreflexkameras und ausgezeichneten Objektiven gemacht wurden, bringt unter Umständen eine Scanauflösung von 4000 dpi noch einen gewissen Qualitätssprung – sofern die Fotos optimal belichtet wurden. Aber spätestens dann ist beim Kleinbild einfach Schluss.
Dichte
Kommen wir zur Dichte, dem Kontrastumfang: Darüber liefern die Scannerhersteller selten Angaben. Der Kontrastumfang, also der Bereich zwischen hellster und dunkelster Bildstelle, sollte so groß wie möglich sein, damit Schattenpartien wie auch Lichter im Bild noch Zeichnung haben und nicht als schwarze oder weiße Flächen übertragen werden. Insgesamt wird der Dichteumfang in fünf Abstufungen definiert, wobei die Farbe Weiß den Wert 0 hat und Schwarz den Wert 5. Ein guter Dichtewert bei Scannern liegt etwa bei 4. Der Kontrast- und Dichteumfang ist kein genormter Wert; nicht nur der Übertragungsbereich, sondern auch die Minimal- und Maximaldichte sind entscheidend.
Kombi-Geräte
Auf dem Markt gibt es Kombi-Geräte, also Flachbettscanner mit einer Durchlichteinheit für Negative und Dias. Eigentlich eine praktische Lösung: nur ein Gerät für alle Scanner-Anwendungsbereiche – könnte man denken. Allerdings steckt hier die Tücke im Detail: Papierbilder können nur einen wesentlich geringeren Dichtewert übertragen – er liegt ungefähr bei 2 -, und mehr schafft der Scanner dann meist bei Durchsichtvorlagen auch nicht.
Software und Extras
Höherwertige Scanner haben mit dem ICE-Verfahren Bildverbesserungssysteme per Hardware eingebaut, die tatsächlich eine Verbesserung bringen (jedoch erhöht sich die Scandauer). ICE (Kasten links) wurde für eine Qualitätssteigerung bei großen Papierbelichtungsmaschinen von einer Kodak-Ablegerfirma entwickelt und wird mittlerweile an Scannerhersteller lizenziert.
Scanner kommen heutzutage meist mit einer Sammlung an Treibern und eigener Bildbearbeitungssoftware daher. Diese erweist sich aber häufig als wenig brauchbar. Auf dem Markt hat sich die Scansoftware Silverfast durchgesetzt, die manchen Geräten in einer Voll- oder Light-Version beiliegt. Das Programm gibt es für fast alle Scanner in einer angepassten Version. Der Vollversion liegt zudem ein Kalibrierungsdia bei, mit dem ein individuelles Farbprofil des verwendeten Scanners erstellt werden kann.
Das richtige Format
Dient der Scan als Datensicherung, sollte man ein nicht komprimiertes Datenformat wählen, etwa TIFF. So bleibt die volle Scanqualität für weitere Bearbeitungen erhalten. Dateigrößen von 80 Megabyte pro Bild sind aber keine Seltenheit. Datenreduzierte Formate wie JPEG belegen wesentlich weniger Platz, lassen jedoch keinen Spielraum für spätere Korrekturen. Auch die Auflösung und die Farbtiefe (am besten 48 Bit) sind für die Scanqualität entscheidend und schaffen Spielraum für spätere Farb- und Helligkeitskorrekturen.
Zeitaufwand
Angesichts der vielen Bildaufbesserungssysteme wird klar, dass ein Scan mit ICE, ROC, GEM und Mehrfachscan oder Multiexposéfunktion keine “schnelle Welle” ist:
Scanzeiten von 30 Minuten pro Bild und mehr kommen schnell zusammen. Zum Digitalisieren größerer Mengen an Dias und Negativen ist deshalb ein Scanner mit Stapel- oder Rolleneinzug im Vorteil, den man dann weitestgehend unbeaufsichtigt laufen lassen kann.
So sollte man sich gut überlegen, wofür man die digitalisierten Daten benötigt und den Zeitaufwand grob überschlagen: Die Größe der eigenen Sammlung, die Bildauflösung und der Einsatz etwaiger Bildaufbesserungssysteme wirken sich entscheidend auf die Scandauer aus.
Alternative: Scanservice
Wer sich die Mühe und vor allem den Zeitaufwand sparen will, der kann den Scanjob auch von einem Dienstleister erledigen lassen. Wir haben zum Test einen Satz Dias (200 Stück) beim Foto-Discounter Photo Dose abgegeben, danach beim Dienstleister Digiscan .

Bei beiden Anbietern dauerte die Bearbeitung knapp drei Wochen. Die bei Photo Dose eingereichten Dias wurden – ohne dass dazu eine Beratung bei der Annahme stattfand – mit 1500 dpi gescannt, als JPEG gespeichert und uns auf DVD zugeschickt. Aufgrund eines aktuellen Sonderangebots fielen an Kosten pro Scan gut 22 Cent an, inklusive DVD. Die Website von Digiscan ist sehr informativ, wir entschieden uns beim Scanauftrag für folgende Parameter: Scan mit 3000 dpi, digitale ICE mit manueller Bildoptimierung, Fehlerkorrektur GEM, 2-fach Feinscan, Dateiformat TIFF. Inklusive der DVDs und dem Versand entstanden Kosten in Höhe von etwa 43 Cent pro Dia. Die Qualitätsunterschiede sind nicht zu übersehen. Während die Digiscan-Bilder eine sehr gute Grundlage für die weitere Verarbeitung bieten, ist bei den JPEGs nicht mehr viel zu machen. Der Mehrpreis von etwa 20 Cent pro Bild ist gerechtfertigt, will man optimale Ergebnisse. Übrigens ließ Digiscan auch bei der Dateibenennung mehr Sorgfalt walten. Der Test mag zwar nur einen Ausschnitt zeigen, verdeutlicht aber, dass man bei einem spezialisierten Dienstleister sicher besser aufgehoben ist, will man qualitativ hochwertige Ergebnisse.
Tipps zum Schluss
Dias und Negativfilme sollte man vorsichtig behandeln. Man fasst sie am besten nur am Rand und möglichst mit Leinenhandschuhen an. Sinnvoll sind auch ein Fläschchen Filmreiniger und ein Mikrofasertuch. Vorsicht mit scharfkantigen Objekten wie beispielsweise Pinzetten aus dem Hausgebrauch: Dias und Negativfilme sind extrem empfindlich gegen mechanische Beschädigungen.
Die Fotovorlagen sollten nicht in den Müll, denn Originale sind die beste und billigste Datensicherung. Am besten legt man sie nachher sortiert und nummeriert in neue Boxen mit Archivblättern ab und bewahrt sie in einem trockenen Raum kühl auf.
Info Das ICE-Verfahren
Höherwertige Scanner haben hardwarebasierte Bildverbesserungssysteme namens ICE eingebaut. Im Prinzip bestehen diese aus drei Komponenten:

ICE = Image Correction and Enhancement – die Hardwarebasis: Der Scanner hat neben den Sensoren für die drei Grundfarben auch einen für Infrarot eingebaut, der Unebenheiten wie Kratzer und Staub durch die Veränderung der Höhe zum Rest des Bildes erkennt. Die ICE-Software korrigiert daraufhin das Bild an diesen Störstellen. Diese Technik funktioniert am besten bei Farbnegativen und Dias, die ausschließlich organische Farbpigmente im Schichtträger beinhalten. Bei Schwarz-Weiß-Negativen sieht es schlechter aus, denn die Silberkristalle erzeugen Höhenveränderungen in der Schicht, die ICE oft als Störstellen interpretiert – das gesamte Bild wird dadurch leicht weichgezeichnet. Ein ähnliches Problem bringt auch der Kodachrome-Diafilm mit sich. Er besteht ursprünglich aus drei Schwarz-Weiß-Schichten – deren Relikte jedoch offensichtlich das ICE-Verfahren genauso irritieren wie das Silberkorn bei Schwarz-Weiß-Filmen. So bringt die ICE-Technik bei Kodachrome-Dias und Schwarz-Weiß-Vorlagen nichts – außer bei einigen Profi-Geräten jenseits der 2000-Euro-Preisklasse.
ROC = Restauration of Colours – eine dem ICE-Paket beigefügte Software, die ausgeblichene Farben aufbessert. Die Anwendung ist jedoch vom Bildmotiv abhängig. Zum Beispiel entstehen bei Aufnahmen mit zu geringem Kontrastumfang ohne Schwärzungen schnell partiell Farbstiche im Bild.
GEM = Grain Equalization and Management – je höher die Empfindlichkeit einer chemischen Fotoemulsion, umso stärker wird die Kornstruktur der lichtsensibilisierten Substanzen sichtbar. GEM kann diese Kornstruktur reduzieren, da das Programm die Flächen glättet. Je nach Motiv wird aber das ganze Bild leicht unscharf und bedarf einer Nachschärfung.