Nun haben sie doch noch bekommen, was sie seit über einem Jahr gefordert haben. Apple öffnet sein Kulttelefon iPhone fremden Entwicklern und könnte damit einen gewaltigen Ansturm von Programmierern auslösen. Auf einem speziell für die Presse und einige Analysten anberaumten „Special Event“ gab Apple-Chef Steve Jobs die Marschrichtung vor. So werde man ab sofort an alle Programmierer ein Softwareentwicklungs-Kit (SDK) herausgeben, das es Programmierern ermöglicht, Software für das iPhone und den iPod Touch zu schreiben. Diese Software basiert nicht mehr auf reinen Internet-Applikationen sondern kann lokal auf dem iPhone und iPod Touch gespeichert werden. Dies war stets die wichtigste Forderung der Software-Entwickler.
Und auch eine zweite wichtige Forderung hat Apple erfüllt: So gibt es kaum Einschränkungen, welche Hardware Entwickler mit ihren Programmen ansprechen dürfen. So sind hardwareseitig auch Zugriffe auf die Kamera und die im iPhone verbauten Sensoren erlaubt, auf der Softwareseite können Entwickler zum Beispiel auf das Adressverzeichnis oder Core Location zugreifen, also Applikationen schreiben, die von Ortsinformationen des iPhone Gebrauch machen. Auch andere Dienste wie Audio, Video und 3D-Beschleunigung stehen den Entwicklern zur Verfügung.
Apple-Tools für alle
Laut Apple geht die Öffnung des iPhone SDK sogar soweit, dass Entwickler die gleichen Tools an die Hand bekommen, die auch Apple selbst für die iPhone-Entwicklung verwendet. So haben die Apple-Ingenieure die Apple-Entwicklersoftware Xcode speziell für das iPhone weiterentwickelt. Da der Unterbau der iPhone-Software Mac-OS X ist, lag dieser Weg nahe. Nur auf der obersten Ebene, bei der Benutzerschnittstelle, musste sich Apple von Cocoa (Mac) verabschieden und eine neue schaffen, die mit dem Touchscreen des iPhone zurecht kommt. Apple nennt sie Cocoa Touch, die notwendige Schnittstelle ist ebenfalls in Xcode eingebaut.
Apples Entwicklungs-Chef Scot Forestall demonstrierte, wie Apple-Entwickler nach seinen Angaben in nur zwei Wochen ein komplettes Spiel programmiert hatten – inklusiver beschleunigter 3D-Animation. Dem Spielehersteller Electronic Arts war es vergönnt, als eine der ersten die Spielfähigkeiten des iPhone zu testen. In nur zwei Wochen habe man eine erste Portierung des Spieles Spore auf das iPhone hinbekommen – einschließlich der Verwendung der iPhone-Sensoren.
Nach Electronic Arts durften noch ein paar andere Dickschiffe der Branche ihre ersten Gehversuche mit dem iPhone demonstrieren. Der Online-Vermarkter Salesforce zeigte eine Lösung, mit der Außendienstmitarbeiter eine komplette Anbindung an ihre Sales-Lösungen erhalten. Auch AOL, Betreiber der Instant-Messaging-Plattform AIM, zeigte sich angetan, wie schnell man das iPhone für AIM fit gemacht habe. So dürfte es nicht mehr lange dauern, bis einer der Hauptwünsche vieler iPhone-Anwender in Erfüllung geht: Chatten am iPhone. bislang gab es dafür von Apple nämlich noch keine Lösung.
Eigener Store für Programme
Mit großer Spannung war auch erwartet worden, wie Apple die Verteilung der Software regeln wird. Als nahe liegende Lösung bietet sich iTunes an, über das bereits die Software-Updates an die iPhones und iPods verteilt wird. Zudem bietet iTunes ein funktionierendes Bezahlsystem mit Millionen registrierter Kunden an.
Tatsächlich hat sich Apple für eine ganz ähnliche Lösung entschieden, allerdings ohne den Umweg über iTunes. Wie beim WiFi Music Store kann man Software nämlich direkt vom iPhone aus kaufen. Diese wird direkt drahtlos über die Telefonverbindung oder WiFi übertragen.
Bei den Verkaufsbedingungen hat Appe dabei einen für Entwickler günstigen Weg gewählt. Wie beim Musikverkauf gibt es freie Bereiche, vergleichbar den Podcasts, in denen Software für das iPhone kostenlos unter das Volk gebracht werden kann. Bezahlprogramme werden ebenfalls wie Musik über iTunes verkauft, wobei Apple einen Teil des Softwarepreises, 30 Prozent der Verkaufspreises, als Dienstleister einbehält. Apple verdient also an jeder Software mit. Nur bei Gratis-Downloads gibt es nichts.
Einen anderen Weg, Software auf das iPhone zu bekommen, wird es nach dem Willen Apples nicht geben. Apple-Chef Steve Jobs hatte dies schon früher damit begründet, dass nur über iTunes gewährleistet sei, dass die Software gewissen Qualitätsansprüchen genüge. Dies war auch schon in der Vergangenheit das Hauptargument gegen eine Entwicklungsumgebung gewesen. Apple, so Jobs, müsse dafür sorgen, dass sich Software auf dem iPhone gut benimmt und keinen Schaden anrichte. Über iTunes habe man die Möglichkeit, Wildwuchs und schädliche Software zu kontrollieren.
Obwohl gerade diese Kontrolle vielen Entwicklern ein Dorn im Auge ist, werden sie sich wohl oder übel dran halten müssen. Zu verführerisch sind die Möglichkeiten, die sich mit Programmen für die iPhone- und iPod-Plattform bieten. Allein 10 Millionen iPhones möchte Apple dieses Jahr verkaufen. Hinzu kommen die iPod Touch, die sich Marktanalysen zufolge ebenfalls gut verkaufen. Ein weiteres Argument ist, dass Apple iPhone und iPod Touch zu einer Plattform ausbauen will – der nach eigenen Angaben ersten WiFi-Plattform für das mobile Internet. Somit wird Apple bei den beiden Modellen sicher nicht halt machen.
Und so bietet die iPhone/iPod-Touch-Plattform enorme Möglichkeiten für Softwareentwickler. Wer hier von Anfang an dabei ist, kann sich ein sehr solides Geschäftsfeld erobern. Der kleine „Haken“ mit der Distribution über iTunes ist da sicher zu verschmerzen.
Start im Juni
Laut Steve Jobs steht das Entwickler-Kit ab sofort zur Verfügung. Allerdings müssen Kunden noch bis Juni warten, um al die neue Software auch nutzen zu können. Dann wird das nächste große Update der iPhone-Software auf den Markt kommen. Version 2 wird laut Apple eine Fülle an neuen Funktionen enthalten und als kostenloses Update an alle iPhone- und iPod-Touch-Besitzer verteilt werden.