
Die ersten Reaktionen auf die Ankündigung von Final Cut Studio 2 waren verhalten wenn nicht sogar enttäuscht. Nach zwei (beinahe) Update freien Jahren hatte man sich mehr versprochen, zum Beispiel eine vollständige Integration des mittlerweile als Freeware erhältlichen Compositing-Programms Shake, oder eine All-in-One Schnitt-Effekte-Audio-DVD-Applikation, umso mehr, da Adobe zum Gegenangriff auf den Video-Mac-Markt rüstet. Doch es blieb während der NAB-Messeankündigung bei ein paar neuen Funktionen, einem neuen Farbkorrektur-Werkzeug und sonst… nichts. Selbst an der Bedienoberfläche von Final Cut Pro oder Motion hat Apple kaum etwas geändert.
Neues unter der Haube

Doch halt! Man tut Apple unrecht, wenn man seiner Enttäuschung allzu laut Luft macht, denn viele der neuen Funktionen haben es wirklich in sich, zum Beispiel die Open Format Timeline. Sie erlaubt das Schneiden unterschiedlicher Videoformate in nur einer Timeline. Was vor nur wenigen Jahren nur mit unglaublich teurer Zusatzhardware möglich war (was ist eigentlich aus Media 100 Blue geworden?!?), lässt sich nun in Final Cut Pro 6 auf jedem halbwegs aktuellen Mac durchführen. Musste man in Version 5 noch umständlich umkonvertieren oder gar rendern, so lassen sich in der neuen Version von Final Cut Pro die Formate SD und HD, PAL und NTSC sowie alle anderen gängigen Formate von HDV bis XDCAM problemlos mischen und ohne großartige Berechnung in Echtzeit schneiden. Innerhalb eines Projekts erkennt Final Cut Pro sogar Größe und Format des aktuellen Clips und legt die neue Sequenz automatisch in den korrekten Einstellungen an; eine Funktion auf die manch Anwender seit nunmehr acht Jahren wartet (und was After Effects seit dem späten Mittelalter beherrscht).
Neuer HD-Codec
Mit dem neuen Codec Prores 422 ermöglicht Final Cut Pro 6 ferner die Bearbeitung von HD-Material in SD-Dateigröße weitestgehend ohne Kompressionverluste. Bei dem Codec handelt es sich um einen Algorhythmus mit variabler Bitrate, der in zwei Qualitäten zur Verfügung steht und über den Media Manager aktuelles HD-Material umwandelt, ähnlich der Bearbeitung von DV in winzigem Offline-RT-Format – nur in ganz groß und ganz schön. Aus Shake hat Apple die Technologie Smooth Cam übernommen, die es dem Anwender ermöglicht, verwackelte Aufnahmen schnell und präzise zu stabilisieren; auch dies ein dringend notwendiges Update zum verstaubten Stabilisierungs-Filter. Die Funktion Smooth Cam analysiert den Clip im Hintergrund, während man im Vordergrund weiter schneiden kann. Nach erfolgreicher Analyse wird der betroffene Clip entsprechend automatisch stabilisiert und gleichfalls auch skaliert, damit keine sichtbaren schwarzen Ränder im Bildausschnitt sichtbar sind. Auch die Zusammenarbeit zwischen Final Cut Pro und Motion haben die Entwickler verbessert, wobei der Anwender in Motion 3 Templates für Bauchbinden oder ähnliche Grafiken erstellen und per Drop-Zone im Schnitt integrieren kann. Ein neues Overlay-Fenster ermöglicht hierbei sogar das automatische Update oder das Ersetzen aller in der Timeline oder im gesamten Projekt verwendeten Grafiken.
Mehr Raum für Motion

Apropos Motion: Das umfangreichste Update bekam das Design- und Compositing-Programm Motion verpasst, unter anderem mit neuem 3D-Raum, Malwerkzeugen, Stabilisierern und Trackern sowie einem professionellen Retimer. Apple scheint es mit den Spezialeffekten neuerdings wirklich ernst zu meinen und kämpft mit allen Mitteln gegen den Platzhirschen After Effects an, der seinerseits Schützenhilfe durch das neu aufgelegte CS3-Bundle Production Premium aus dem Hause Adobe auf dem Mac erhält. Von daher ist die Entscheidung, Motion um den 3D-Raum zu erweitern auch der nächste logische Schritt. Mit neuen (3D-)Kameras, unterschiedlichen Lichtern sowie einer verfügbaren Z-Achse lassen sich alle Objekte in Motion dreidimensional darstellen und animieren. Dazu gehören auch Partikel-Systeme, die der Anwender frei drehen und im Raum platzieren kann. Über Replikatoren vervielfacht man einzelne Clips und bildet daraus Muster, und auch die zahlreichen Texteffekte von Motion wurden um den 3D-Raum erweitert. Um die Arbeit auch für den Einsteiger noch einfach und übersichtlich zu halten, steht zusätzlich eine Multiple-View-Darstellung mit unterschiedlichen Blickwinkeln zur Verfügung.
Bessere Werkzeuge
Neue Pinselwerkzeuge mit zahlreichen Voreinstellungen finden sich in Motion 3 neuerdings ebenso wie eine verbesserte Maskierungsfunktion. Auch Stabilisierer und Tracking-Werkzeug zeigen sich verbessert und um die Smooth Cam Funktion aus Shake erweitert, sodass der Anwender trotz Zoom und Schwenk ein verwackeltes Bild noch immer mehr oder minder sauber stabilisieren kann. Über die neue Funktion Optical Flow Retiming ermöglicht Motion 3 das einfache Time-Remapping über nur fünf Regler. Auch hier wird ein Clip wieder im Hintergrund analysiert, bevor man eine Zeitlupe oder eine Beschleunigung anwendet. Zahlreiche Voreinstellungen wie Flash, Loop und Ping Pong erleichtern den Einstieg in die nicht ganz leicht verständliche Technologie der Beschleunigung und Abbremsung bewegter Bilder. Wer viel mit Musik und Video arbeitet, wird sich über das neue Audio-Verhalten freuen, das Filter-Einstellungen oder Animationen automatisch der Musik anpasst. Ein Rechtsklick auf den entsprechenden Parameter des Filters zeigt die Auswahl „Audio“, wobei man sowohl Lautstärke als auch Frequenz eines gewählten Musikstücks als Animationsvorgabe wählen kann. Apple hat in Motion 3 den Keyframe-Editor verbessert und 1500 neue Design-Elemente integriert, zum Beispiel Fotos, Zeichnungen oder frei skalierbare Vektor-Elemente.
Mehr Klang für Soundtrack Pro

Auch Soundtrack Pro wurde einer gründlichen Überarbeitung unterzogen und präsentiert in Version 2 (endlich) eine 5.1-Umgebung sowie verbessertes Projekt-Management. In Zeiten der DVD wird es auch langsam Zeit, dass Apple der Final-Cut-Suite eine brauchbare 5.1-Surround-Mischung verpasst, wobei der Anwender hier an einem einzelnen Track oder in einem gesamten Projekt arbeiten kann. Ein eigenes Panning-Fenster ermöglicht das einfache Verschieben der Lautstärke in Richtung einzelner Speaker, und es stehen neue Filter mit 5.1-Unterstützung zur Verfügung. Apple hat die Soundeffekte-Bibliothek um 1000 neue Samples erweitert, die ebenfalls in 5.1 aufgenommen wurden. Für die Arbeit mit Soundtrack als (Sprach-)Aufnahme-Werkzeug steht in Version 2 ein Multitake-Fenster zur Verfügung, das alle aufgenommenen Takes verwaltet, und in dem der Anwender mittels einfacher Rasierklinge die besten Aufnahme-Teile zusammensetzen kann. Neue Blenden, die in unterschiedlichen Ein- und Ausblend-Formen erscheinen, vereinfachen hierbei die Mischung mehrerer Takes, wobei sich überlappende Elemente automatisch in Blenden verwandeln, wie man es aus professionellen Audioprogrammen kennt. Zu den weiteren Verbesserungen von Soundtrack Pro 2 zählen die J-K-L Steuerung aus dem Schnittbetrieb, der Im- und Export von OMF-Dateien, ein Roll-Edit Werkzeug zum Verschieben von Clip-Inhalten sowie eine Spektrum-Darstellung zu besseren Korrektur fehlerhafter Aufnahmen. Zur optimalen Anpassung des Audiotracks an ein Videobild findet der User eine neue Multiview-Darstellung mit drei Videobildern (In, aktuelle Zeitmarke, Out), während das Scrubbing innerhalb des Audiomaterials verbessert wurde, und auch das Kopieren von Effekten und ganzen Stacks von einem Clip auf einen anderen Clip ist neuerdings in Soundtrack Pro 2 möglich.
Mehr Farbe mit Color

Was wurde eigentlich aus Final Touch, dem teueren, mega-professionellen Farbkorrektur-Werkzeug, das Apple vor einiger gekauft hatte? Richtig, Color, eine vielversprechende Dreingabe im Paket Final Cut Studio 2. Ein Klick auf „”Senden an…“ in Final Cut Pro 6 schickt eine gesamte Sequenz an das Programm Color, in dem der Anwender eine umfangreiche Umgebung für die Farbbestimmung und das Finishing eines Videofilms vorfindet. Color ermöglicht hierbei sowohl die primäre als auch die sekundäre Farbkorrektur und liefert für Letztere sogar einen Tracker sowie Splines und Shapes mit. Die eigentliche Korrektur findet innerhalb von Color sowohl auf drei Farbtellern als auch in Kurven oder mittels Reglern statt. Dargestellt werden die Änderungen in Echtzeit sowie innerhalb von Waveform- und Videoscope-Monitoren. Wem es in Color nicht nur um eine einfache Korrektur sondern auch um professionelles Grading geht, findet 30 voreingestellte Farbwerte und kann diese einfach per Drag-and-Drop auf seinem Video anwenden. Color arbeitet hierbei in der aus Shake bekannten Baumstruktur, sodass man die unterschiedlichen Effekte stapeln und neu anordnen kann, oder man speichert eine solche Struktur als eigenen Look um diesen später auf einem anderen Videoclip oder gar einem ganzen Film anzuwenden. Color rendert mit einem Sampling von bis zu 4:4:4 bei 32 Bit und sendet das farbkorrigierte Material bei Bedarf, zum Beispiel zur Weiterbearbeitung oder zur Ausspielung, zurück an Final Cut Pro 6.
Mehr Formate mit Compressor

Zu guter Letzt präsentiert sich auch der Compressor überholt und mit einer neuen, übersichtlicheren Benutzeroberfläche und mehr Formaten ausgestattet, zum Beispiel für Apple TV, den iPod Video oder für Mobiltelefone. Entsprechend dem Surround-Update von Soundtrack Pro ist natürlich auch das Encoding von 5.1-Audiomaterial möglich, wobei hier ein A.Pack-ähnliches Fenster zur Verfügung steht, um die Audiospuren sauber auf die sechs Kanäle verteilen zu können. Verbessert hat Apple im neuen Compressor die Up- und Downscale-Funktion von SD auf HD oder umgekehrt, und auch die Handhabung von Ziel-Volumen ist nun einfacher. Hierbei kann der Anwender sogar einfach per Drag-and-Drop eine Festplatte oder einen Ordner auf einen zu encodierenden Clip ziehen, um das Ergebnis später dort zu platzieren. Und, schlussendlich, wirbt Apple mit einer bis zu dreimal höheren Rechengeschwindigkeit von Compressor 3 gegenüber der Vorversion.
Fazit
Revolutionär ist das Update von Final Cut Studio auf Version 2 sicherlich nicht. Vielmehr ist es die mehr oder minder „normale“ Evolution einer professionellen Studioumgebung im Zeichen der Zeit. Brauchbar jedoch sind die neuen Funktionen auf jeden Fall, zumal sie mitunter durchaus überfällig sind wie im Falle eines guten Stabilisators oder der 5.1-Unterstützung von Soundtrack. Programme wie Final Touch (jetzt Color) als kostenlose Dreingabe oder Shake als Freeware zu verteilen, ist ein gutes Zeichen dafür, dass professionelle Videobearbeitung nicht mehr zwangsläufig teuer und exklusiv sein muss. Einzig der Gedanke der effektiven und kreativen Anwendung bleibt hierbei ein wenig auf der Strecke, denn was nützt das umfangreichste Werkzeug, wenn es kaum jemand bedienen kann? Selbst bei Motion 3 oder Soundtrack Pro 2 wird die Anwendung durch die vielen neuen Funktionen sicherlich nicht einfacher. Nicht mehr durch den Preis von Soft- und Hardware wird sich künftig die Exklusivität einer Produktion zeigen, sondern nur noch durch die Fähigkeit des jeweiligen Anwenders. Wir freuen uns auf jeden Fall ungemein auf die ersten realen Tests und lange Nächte vor Final Cut Pro 6, Motion 3 und Konsorten. Final Cut Studio 2 soll laut Pressemitteilung von Apple „Anfang Juli“ für einen Preis von rund 1300 Euro auf den Markt kommen.