
App Store zeigt sich verschlossen
Alex Sokirynsky versteht die Welt nicht mehr. Apple hat abgelehnt, seine Applikation Podcaster im App Store zum Verkauf anzubieten: “Das Tool hilft beim Vertrieb von Podcasts, das doppelt sich mit Funktionen von iTunes”, sollen ihm die Verantwortlichen geschrieben haben. Ja, auch iTunes biete Podcasts an, veröffent-licht Sokirynsky später in seinem Blog. Aber nur als Desktop-Lösung – und mit dem Nachteil, stets iPhone und iPod mit einem Rechner synchronisieren zu müssen. Mit Podcaster aber gelangen Audiostücke direkt auf das mobile Gerät.
Die Geschichte des Podcasters ist ein schönes Beispiel für die aktuelle Situation des Online-Softwareladens App Store. Eigentlich ist Apples digitaler Shop ein gigantischer Erfolg. Aktuell stöbern Nutzer durch rund 3000 Programme, seit dem Start im Juli 2008 sollen sie innerhalb von zwei Monaten bereits über 100 Millionen Kopien heruntergeladen haben. Dennoch schimpfen manche Entwickler über Apples wenig transparente Politik bei der Qualitätskontrolle der Applikationen. Klar ist nur: Apple prüft jedes eingereichte Tool und dessen Updates vor seiner Veröffentlichung. Allerdings kennt niemand außerhalb des Unternehmens die Regeln dafür.
Aber das ist Apples Strategie in seinem Universum aus iTunes, iPhone, iPod Touch und App Store. “Vertikal” bezeichnen es Experten, wenn ein Unternehmen alle Services streng in einer Reihe anbietet. Wer ein iPhone besitzt, kann es nur via iTunes freischalten und mit dem Rechner synchronisieren. Gleichzeitig dient ausschließlich iTunes als Plattform für den Kauf von Musik und nun eben auch von Applikationen. Das ist ein eingeschränkter Nutzungsweg, aber er ist simpel und bequem. Und die sensationellen Download-Zahlen seit dem Start im Juli zeigen: Er funktioniert. Da kann Apple vereinzelte Misstöne souverän weglächeln.
Konträres Modell zur geschlossenen Apple-Welt
Nun aber startet ein absolut konträres Modell. Die “Open Handset Alliance” unter Googles Führung kopierte das Linux-Prinzip auf den Smartphone-Markt und veröffentlichte jüngst das offen entwickelte Betriebssystem Android – an Bord des HTC-Handy Dream G1. Dieses ist seit Ende Oktober in den USA erhältlich und kommt Anfang 2009 nach Deutschland, an weiteren Android-Handys sollen Samsung, Motorola, oder China Mobile arbeiten.
Das G1 ist mit großem Erfolg gestartet. Provider T-Mobile hatte noch vor Verkaufsstart in den USA bereits 1,5 Millionen Vorbestellungen registriert. Dazu bietet Google die Betaversion des Android Markets, eine digitale Verkaufstheke für mobile Applikationen ähnlich dem App Store. Dieser aber heißt nicht zufällig “Market”. Im Gegensatz zu einem unternehmerisch gelenkten “Store” will Google diesen Umschlagplatz überwiegend sich selbst überlassen, bis auf rechtliche und sittliche Kont-rollen. Der Entwickler registriert sich kostenlos und erläutert, was sein Programm kann. Allerdings findet sich auch hier eine Klausel, die es dem Anbieter erlaubt, Programme wie im App Store zu entfernen.
“Android ist die mächtigere Plattform für Entwickler”, sagt Henning Böger von Sky Coders, der bei Googles Entwickler-Wettbewerb “Android Developer Challenge” mit dem Taxi-Ruf-Tool Cab4me in den Top-10 gelandet ist. Android ist für ihn interessanter, weil das iPhone keine Interaktion mit anderen Anwendungen zulässt und andere Applikationen nicht im Hintergrund laufen dürfen. “Das macht es unmöglich, zum Beispiel einen Musikspieler zu entwickeln”, erklärt Böger. Android beschränkt hier nicht. Der Anwender entscheidet, ob ein Programm auf andere Tools zugreifen darf.
Freie Entfaltung versus Sicherheit und Kompatibilität
Ein Modell, das auch Alex Sokirynsky begrüßt. Er hat bereits angekündigt, Podcaster für den Android Market zu entwickeln. Für Entwickler birgt das App-Store-Konzept ein großes Risiko: Wer steckt schon viel Zeit und Geld in eine Entwicklung, die vielleicht nicht auf der bislang einzig relevanten Plattform veröffentlicht wird. Ein deutlicher Nachteil der geschlossenen Strategie von Apple.

Im Gegenzug garantiert Apple seinen Kunden, dass Applikationen für iPhone oder iPod Touch funktionieren. Ein Vorteil, den das Konzept des Android Market nicht besitzt. Schließlich wird das Betriebssystem Android auf einer Vielzahl von Smartphones erscheinen. Ein aufwendiges 3D-Spiel zum Beispiel könnte auf einem rechenschwachen Gerät abstürzen. “Will ich nach sechs Monaten Programmieren noch mal sechs Monate brauchen, um das Tool für alle Android-Geräte kompatibel zu machen?”, fragt Steve Demeter, erfolgreicher App-Store-Entwickler des Spiels “Trism”. Niemals, sagt er. “Denn jeder Anwender, bei dem das Tool aus einem neuem Grund abstürzt, wird mich kontaktieren.” Dazu könnte Google ein massives Sicherheitsproblem bekommen: Niemand kann garantieren, dass die Tools keine versteckten Viren oder Spyware enthalten. Ein deutlicher Nachteil der offenen Strategie.
Die totale Offenheit von Adroid
Die gegensätzlichen Strategien setzen sich auf den Endgeräten fort. Während Apple beim iPhone sogar die fest installierte Batterie kontrolliert, schreibt Google Software-Entwicklern, Mobilfunkbetreibern und Smartphone-Herstellern lediglich totale Offenheit vor. Cole Brodman, Chef-Entwickler von T-Mobile USA, verspricht bei der Premiere des HTC Dream G1 (Details und Vergleich zum iPhone: siehe nächste Seite), dass auch VoIP-Telefonie mit dem G1 erlaubt sei. Beim iPhone hingegen sperrt sich T-Mobile Deutschland gegen Gespräche via Internet. Immerhin verlieren die Provider damit wertvolle Gesprächsminuten. Und damit Geld.
Die Finanzen spielen für Google noch keine Rolle. Während Apple seinen Entwicklern 30 Prozent des Verkaufspreises im App Store abknöpft, bietet Google Android und Android Market für Jedermann kostenlos an. Das Unternehmen denkt an die Zukunft. Heute verbindet sich nur jeder zehnte Mobilfunkkunde unterwegs mit dem Internet. In zwei Jahren soll es jeder Dritte sein, wie das Marktforschungsinstitut Gartner prophezeit.
Der Wettlauf um die mobilen Surfer ist in vollem Gange
Dann, wenn die Menschen vermehrt unterwegs ins Internet gehen, will Google bereits da sein: mit dem eigenen Betriebssystem und Anwendungen wie Google Maps, Google Streetview oder Google-Mail. Und seiner Kernkompetenz, der perfekt platzierten Werbung – abgelesen anhand des Surf-Verhaltens der Nutzer. Wer unterwegs oft auf Fußballseiten surft, findet neben seiner Google-Mail eine Anzeige zu Fußballschuhen. So sieht Google-Gründer Sergey Brin das iPhone nicht als Konkurrenten. Es sei ein weiterer Magnet für das mobile Web, der noch mehr Menschen in Googles Arme treibe.

Eingeleitet wird diese Strategie bereits beim HTC Dream G1. Obwohl Google Offenheit fordert, müssen Nutzer sich bei Google-Mail registrieren. Nur so kommen sie in den Genuss eines Push-Dienstes. Eine Anbindung an Microsoft-Exchange ist bislang nicht vorgesehen.
Zudem ist eine Synchronisierung der Daten nur online mit dem Google-Mail-Konto möglich. Wer seine Outlook-Daten auf das G1 heben will, muss diese erst in ein Google-Tool wie Calender kopieren. Dazu hält sich Google die Option offen, ungeliebte Programme von den Geräten der Nutzer zu löschen. Umgekehrt öffnet sich Apples geschlossenes System langsam. Seit September ist eine Verschwiegensheitsklausel außer Kraft, die Entwicklern untersagte, sich mit Kollegen oder Mitbewerbern auszutauschen.
Wiederholt sich Geschichte?

Den Kampf eines geschlossenen gegen ein offenes System gab es bereits vor 25 Jahren. Damals duellierte sich Apples verriegelte Macintosh-Software mit Microsofts offenem Betriebssystem Windows. Das Ergebnis ist bekannt. Wiederholt sich die Geschichte? “Nein”, sagt der US-Analyst Adam Leach. “Der Computermarkt der 80er-Jahre war ein Nischenmarkt. Smartphones heute sind ein Massenmarkt.” Und der kennt andere Gesetze: “Der Kunde von heute will, dass sein Gerät sicher ist und schnell funktioniert”, sagt Leach. Nutzer des Podcasters für Android-Handys könnten zwar in der Theorie frei und direkt Podcasts herunterladen. Ob das Tool allerdings auf ihrem Smartphone funktioniert, steht auf einem anderen Blatt.
App Store und Android Market: Pro und Contra
App Store

+ Vertrauenswürdiges Angebot: Apple garantiert Qualitätsstandard
+ Bequeme Bedienung: Einfache Nutzerführung dank etablierter Plattform iTunes
+ Breite Palette: Bereits jetzt mehr als 3000 Programme online
– Apple-Steuer: 30 Prozent des Verkaufspreises fließen an Apple
– Intransparente Regeln: Keine Richtlinien beim Ablehnen von Applikationen: Entwickler arbeiten manchmal umsonst
– Langwierige Aktualisierung: Entwickler warten oft lang auf Freigabe ihrer Updates
Android Market

+ Kreativität ohne Grenzen: Freie Entfaltung für Entwickler, kaum Restriktionen seitens Google
+ Mehr Geld für Entwickler: Keine Abgaben an Google
+ Simpler Start: Entwickler müssen sich lediglich registrieren
– Probleme der Kompatibilität: Nicht jede Android-Applikation wird auf jedem Smartphone funktionieren.
– Sicherheitsleck: Keine umfassende Qualitätskontrolle durch Google – Gefahren durch Viren und Spyware
– Datensammelwut: Google erfasst auch das mobile Nutzerverhalten