Der Konsolidierungsprozess im zweitgrößten Medienkonzern Europas, dessen Führung er im Sommer 2002 von seinem Vorgänger Thomas Middelhoff übernommen hatte, steht vor dem Abschluss. Alle Augen sind auf Wachstum gerichtet, auch wenn es die ganz großen Sprünge durch spektakuläre Zukäufe nicht geben wird.
«Am Ende dieses neuen Prozesses wird ein Bertelsmann mit sechs starken Bereichen und vielen neuen Unternehmen und Zukunftsgeschäften stehen», sagt Thielen. Und sein Management scheint ihm zu folgen. Am Ende eines zweitägigen Strategiekongresses in Berlin erhoben sich am vergangenen Freitag 600 Führungskräfte von ihren Stühlen, um ihrem Boss zu applaudieren. Der Vorstandschef hat nach dem ungeliebten Konsolidierungsprozess mit starker Kostenorientierung die zweite Phase seiner Amtszeit eingeleitet.
Den beschwörenden Reden ließ der Konzernlenker dann noch einen Paukenschlag folgen: Thielen (61), will trotz deutlichen Überschreitens der Altersgrenze über 2005 hinaus weiter machen. Auch sein Vize, der gerade erst als Testamentsvollstrecker des Firmenpatriarchen Reinhard Mohn abgesetzte Finanzvorstand Siegfried Luther, hat noch Pläne im Konzern, wie er dem «Handelsblatt» (Montagausgabe) sagte. Kontinuität ist offenbar angesagt in Gütersloh.
Die vier Unternehmensbereiche Gruner + Jahr, Arvato, Random House und die RTL-Group machen schon bisher ordentliche bis sehr gute Geschäfte und sollen sie ausbauen. Die Sorgenkinder DirectGroup und die Musiksparte BMG nähern sich der Nulllinie von unten. Die DirectGroup hatte im vergangenen Jahr ein operatives Minus von 150 Millionen Euro ausgewiesen. BMG war nach Gewinnen im vergangenen Jahr in der ersten Hälfte 2003 von der Krise im Musikgeschäft erfasst und heftig in die Verlustzone katapultiert worden. Beide werden dieses Jahr «nicht wesentlich» zum Konzernergebnis beitragen können, wie Finanzvorstand Luther dem «Handelsblatt» sagte.
Der Bertelsmann-Supertanker mit einem Jahresumsatz von 18 Milliarden Euro und 75 000 Mitarbeitern war in den vergangenen Monaten in unruhiges Fahrwasser geraten. Nach der Trennung von Middelhoff machten nicht nur die schwachen Geschäfte der DirectGroup und von BMG den Managern zu schaffen. Im Streit um die jetzt auf den Weg gebrachte Musikfusion mit dem japanischen Elektronikriesen Sony trat Bertelsmann-Urgestein und Aufsichtsratschef Gerd Schulte-Hillen zurück. Schließlich brummte eine kalifornische Jury dem Konzern noch eine 209-Millionen-Euro-Last auf, die Bertelsmann an zwei frühere Manager aus dem Verkauf von AOL Europe zahlen soll. «Das bringt uns nicht aus der Spur», heißt es nach außen. Intern weicht die Zornesröte aber kaum aus den Gesichtern.
Das alles ist nicht vergessen, spielt aber in der Vergangenheit. Thielen und seine Vorstandskollegen haben es zu ihrer Maxime gemacht, nach vorne zu blicken. Zwei Milliarden Euro wollen sie in den nächsten drei Jahren investieren und den Gewinn bis 2008 verdoppeln. Bertelsmann will den Wachstumsmarkt China erobern, neue Märkte in Osteuropa erschließen, seine Produkte und Dienstleistungen auch in Indien verkaufen. In China wurde bereits ein Buchclub gegründet, der in den nächsten drei Jahren von 1,5 Millionen auf 5 Millionen Mitglieder wachsen soll. Die Dienstleistungssparte Arvato hat den Aufbruch ins Reich der Mitte ebenfalls begonnen, auch die Verlagsgruppe Gruner + Jahr ist dort schon mit Magazinen erfolgreich.
Große Zukäufe werde es nicht geben, kündigte Thielen an. Nur entlang der Kernbereiche könnten kleinere Aquisitionen die Bertelsmann-Unternehmensfamilie ergänzen – «dort wo es Sinn macht», wie er in einem internen Brief an seine Mitarbeiter schreibt. «Es wird keine Zukäufe in der Größenordnung oder von der Bedeutung eines kompletten neuen Konzernbereiches geben», heißt es in dem Schreiben. Die Wachstumsmaschine soll in einer Zeit der sich erholenden Weltwirtschaft vielmehr durch die Kreativität der Führungskräfte und der Mitarbeiter angeworfen werden. «Wir brauchen einen Wettlauf um die besten Ideen für neues Wachstum». Die Kreativen unter den Bertelsmännern haben das Signal mit Wohlwollen aufgenommen.