Trotz des neuen Verkaufsrekordes für die iPhones des Jahrgangs 2013 stellt sich nicht nur Investoren die Frage, was wohl Apples „nächstes großes Ding“ sein werde. Schon länger kursieren Spekulationen über einen Fernsehapparat von Apple, der die Wohnzimmer der Welt erobern soll. Doch denkt Apple auch in die andere Richtung und bringt den Bildschirm noch näher an den Körper, eine Smartwatch aus Cupertino könnte schon 2014 Realität werden. Eine Datenbrille wie Google Glass hingegen hält Apple derzeit für nicht interessant. Die Miniaturisierung der Technik schreitet weiter voran, was Geräte wie iWatch oder Google Glass erst ermöglicht. Was wird aber sein, wenn natürliche Grenzen erreicht sind und alte Strategien nicht mehr greifen? Wie verdient Apple in zwanzig Jahren sein Geld? Wir wagen einen weiten Blick voraus.
Das Ende der Geschichte
Das 1965 aufgestellte und seither gültige empirische Gesetz von Gordon Moore (siehe Kasten) hat die digitalen Revolutionen erst ermöglicht. Sogar Vorhersagen ließen sich treffen. War es den Technikern und Geschichtenerzählern um Ed Catmull und John Lasseter bei Pixar im Jahr 1986 bei Steve Jobs’ Einstieg mit der damals vorhandenen Technik nur möglich, wenige Sekunden Filmmaterial zu rendern, konnten sie anhand des Moore’schen Gesetzes hochrechnen, dass der erste komplett vom Computer berechnete abendfüllende Spielfilm in zehn Jahren ins Kino kommen würde. Toy Story kam Ende 1995 in den USA in die Kinos. Seither hat sich nicht nur die Komplexität von Pixar-Filmen exponenziell vergrößert. Auch das Moore’sche Gesetz stößt allmählich an seine physikalischen Grenzen – bei Intel geht man davon aus, dass dies etwa im Jahr 2022 geschehen werde. Gordon Moore hat selbst diesen Zeitrahmen genannt und der Intel-Forscher Paolo Gargini bestätigt ihn mit seiner 2004 getroffenen Einschätzung, das Gesetz werde noch 15 bis 20 Jahre gelten.
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Computer können danach nicht mehr durch bloße Verdoppelung der Transistoren auf einer gegebenen Fläche schlauer und effizienter werden, dem Mac Pro des Jahres 2022 wird dann womöglich nicht drei bis fünf Jahre später eine nächste Innovationsstufe folgen, und auch iPad und iPhone werden irgendwann nicht mehr weiter zu verbessern sein. Gegen Mitte und Ende der zwanziger Jahre werden aber ohnehin die Computer von heute aus unserem Alltag verschwunden und in etwas völlig anderes übergegangen sein. Die nächste Revolution hat womöglich schon begonnen: Wearable Devices, allgegenwärtig und perfekt miteinander vernetzt.
Tragbar in die Post-PC-Ära
Tragbare Rechner kennt die Welt schon länger, dem ersten Mac hatte Steve Jobs beschieden, deswegen vertrauenswürdig zu sein, weil man ihn an seinem Griff packen und mitnehmen konnte – ein ungeheuerlicher Vorgang zu einer Zeit, als noch Großrechner dominierten. Der erste wirklich zum Mitnehmen gedachte Apple-Rechner wog dann aber dank seines Bleiakkus nicht weniger als neun Kilogramm – der Macintosh Portable war mehr ein Schlepptop als jeder seiner Nachfolger. Fast 30 Jahre später liefert Apple mit dem Macbook Air des Jahrgangs 2013 einen Mobilrechner aus, der nicht nur einen Tag lang Leistung ohne Anschluss an die Steckdose verspricht, sondern das auch einhält, wie unsere Tests zeigen.
Die Geräte der Post-PC-Ära schließlich, iPhone und iPad, kommen je nach Einsatz auch mehrere Tage mit einer Akkuladung aus und sind dank ihrer Ausmaße und ihres Gewichts tragbarer als jeder Mobilrechner der PC-Ära. Das iPhone ist in Hosen- oder Hemdtasche immer dabei – aber ein Wearable Device ist es trotz allem nicht.
Anziehend und angezogen
Das nächste große Ding der Computerindustrie wird weniger ein Ding sein, sondern viele kleine, im wahrsten Sinne des Wortes tragbare Geräte, die stets miteinander in Verbindung stehen. Der Computer wird kein Gerät mehr, das man mitnimmt, sondern eines, das man anhat.
Vermutlich wird sich Paul Deneve, bisher CEO des Modemachers Yves Saint Laurent und seit Juli bei Apple für „Special Projects“ verantwortlich, nicht schon um den Mac-Pullover kümmern. Doch würde es passen, kümmerte sich Deneve mit um die Gestaltung von Apples heftig spekulierter iWatch. Für deren Erfolg wäre nicht nur ihre Funktion entscheidend, sondern auch ihr Aussehen. Apple wird nicht nur ein Gerät entwickeln wollen, vom dem die Kunden noch gar nicht wussten, dass es ihnen fehlt. Die iWatch wird auch neue Maßstäbe hinsichtlich des Designs setzen müssen, um erfolgreich zu sein.
Während eine Smartwatch von Apple also nur eine Frage der Zeit zu sein scheint, hat Apple-CEO Tim Cook einem anderen Wearable Device eine klare Absage erteilt. Den Kunden sei es nur schwer zu vermitteln, dass sie eine Brille tragen sollten, eine Uhr hingegen würde wesentlich einfacher ihren Weg an die Handgelenke finden.
Dennoch wird Apple das Prinzip der Datenbrille aber weiter beobachten müssen, mit fortschreitender Miniaturisierung werden die Computerbildschirme der Zukunft Bilder direkt auf die Netzhaut der Nutzer projizieren – von einer Brille aus und sogar auch von Kontaktlinsen. Möglich machen wird das die Nanotechnologie, wenn Silizium als Rohstoff für Prozessoren ausgedient haben wird und Kohlenstoffnanoröhren die Chips der Zukunft errichten. Die aus einer (zusammengerollten) Atomschicht Kohlenstoff (Graphen) bestehenden Nanotubes können dünner als einen Nanometer werden, sie sind elektrisch leitend und extrem belastbar. Computer sind damit an ganz neuen Orten denkbar: Zum Beispiel direkt im menschlichen Auge. Was heute bescheiden als Datenbrille beginnt, kann schon in zwanzig Jahren auf Kontaktlinsen aufgebracht sein. Der Bildschirm wird damit einerseits winzig, die verfügbare Darstellung andererseits riesig.
Infrastruktur und Vernetzung
Der Computer der Zukunft wird also wieder mehr vom Alleskönner zum Spezialisten, Nanotubes werden erst im Zusammenspiel zu einem Computer. So könnten in die Kleidung eingelassene Sensoren etwa die Körpertemperatur, den Puls und den Blutdruck messen und diese Daten auf einen entfernten Server spielen, der sie auswertet und den Anwender vor Gesundheitsgefahren warnt. Techniken wie diese sind heute bereits möglich, die Skepsis angesichts von mitlesenden Geheimdiensten und ganz profanen Datenlecks hindert sie aber noch am Durchbruch. Schon heute sind Schrittzähler für Sportler gang und gäbe, andere Sensoren überwachen den Schlaf und errechnen daraus Faktoren für das Wohlbefinden. Diese Sensoren könnten schon in wenigen Jahren so klein und flexibel sein, dass sie sich in Kleidung oder Bettwäsche einnähen lassen, der Computer verschwindet aus der Wahrnehmung.
Die Herausforderung der Zukunft wird dann nicht in schnelleren Prozessoren oder mehr Prozessorkernen bestehen, sondern in der intelligenten Vernetzung der Dinge. Man wird dann nicht mehr „ins Internet gehen“, da die Kleidung und andere Alltagsgegenstände ständig mit dem Netz in Verbindung stehen, beziehungsweise das Netz ausmachen. Wer Produkte und Services am schlauesten und zuverlässigsten miteinander verbindet, wird das nächste große Ding liefern können. Einmal mehr wird die Software über den Erfolg entscheiden.