Kaum ist das neue iOS-Update installiert, wirkt das alte iPhone träge und langsam – meinen viele User bereits beobachtet zu haben. Das scheint nun eine Studie, die die Wirtschafts-Doktorandin Laura Trucco an der Harvard-Universität durchgeführt hat, zu belegen: Die Wissenschaftlerin fand heraus, dass mit jedem iOS-Release die Google-Suchanfragen nach dem Begriff “iPhone slow” explodieren. Trucco leitet daraus ab, dass die Beobachtung vieler User stimmt. Indirekt wirft Sie Apple damit geplante Obsoleszenz vor.
Im Rahmen ihrer Studie untersuchte Trucco die These, dass Menschen, die mit der Leistung ihres Smartphones unzufrieden sind, bei Google nach einer Lösung suchen. Deshalb untersuchte Sie Daten, die Google zum Suchbegriff “iPhone slow” liefert und fand dabei eine interessante Koinzidenz: Immer, wenn ein neues iOS-System (und damit auch ein neues iPhone) herauskam, nahm die Anzahl der Suchanfragen zu diesem Begriff bei Google massiv zu. Für einen Vergleichswert wertete sie auch die Suchanfragen “Samsung Galaxy slow” aus – hier kam es zu keinem derartigen Ergebnis. Vorhandene iPhone-Hardware, so scheint es, wird regelmäßig langsamer, sobald ein überarbeitetes iOS-System installiert wird.
Wir können die suggerierten Ergebnisse der Studie im Test allerdings nicht bestätigen: In unserem Performance-Check zum iOS 7-Release konnten wir selbst auf den ältesten noch von iOS 7 unterstützten Gerät, dem iPhone 4, nur einen minimalen Performance-Verlust feststellen. Und nicht nur das: Tatsächlich waren manche Anwendungen wie etwa Safari mit dem neuen Betriebssystem auf der alten Hardware sogar schneller geworden. Zudem sperrt Apple grundsätzlich gar zu alte Hardware für neue Updates – das iPhone 3GS ist nicht mehr für iOS 7 geeignet – eine Vorgehensweise, die in der Technologiebranche gang und gäbe ist.

Trotzdem: Der Vorwurf geplanter Obsoleszenz wiegt natürlich schwer, suggeriert er neben der Geldmacherei auch unnötige Umweltbelastung. Apple nimmt als größter Geheimniskrämer der Technologiebranche zu derartigen Vorwürfen traditionell nicht Stellung, kursierende Verschwörungstheorien werden durch die legendäre Verschwiegenheit des Unternehmens aber verstärkt.
Doch wie kommt es zu den gesteigerten Suchanfragen? Professor Sendhil Mullainathan, Doktorvater von Laura Trucco, schreibt in einem Artikel in der Online-Ausgabe der New York Times , dass die von Trucco erhobenen Daten ausschließlich Korrelationen enthielte, aber keine Schlussfolgerungen zuließen. Stattdessen gäbe es nur zwei Erklärungen: Eine großangelegte Verschwörung durch Apple – oder harmloser technologischer Fortschritt. “Korrelationen motivieren uns allerdings, weiter zu forschen”, so der Professor, nimmt aber gleichzeitig allen Verschwörungstheoretikern den Wind aus den Segeln: “Es gibt zwei einfache Gründe, warum geplante Obsoleszenz nicht den Profit maximiert: Einerseits das juristische Risiko. Andererseits der Wettbewerb und die Vernunft der Verbraucher, die eine solche Strategie vereiteln würden.”
Kommentar: Korrelationen sind keine Zusammenhänge
Die Datenanalyse von Google hat unbestreitbare Vorteile. So kann man wunderbar den Verlauf einer Grippewelle nachvollziehen, wertet man die Orte von Suchabfragen nach Symptomen aus. Das ist das prominenteste Beispiel von Big Data. Laura Trucco hat aus den von ihr ermittelten Daten jedoch voreilig Schlüsse gezogen – und große Teile der Presselandschaft stimmen in die an Apple gehenden Vorwürfe wegen geplanter Obsoleszenz ein. Dass ein neues iOS ein ein oder zwei Jahre altes iPhone deutlich langsamer macht, lässt sich nicht beweisen, unsere eigenen Test finden darauf keinerlei Hinweise. Aber selbst wenn ein neues iOS ein “altes” iPhone langsamer machen sollte, ist Apple damit keine Absicht bewiesen, das Gerät vom Vorjahr zum Alteisen werden zu lassen. Schon gleich gar nicht, zieht man den Konkurrenten Samsung zum Vergleich heran. Denn kaum ein Galaxy-Nutzer wird sein gebrauchtes Smartphone mit der neuesten Android-Version ausstatten, wenn ein neues Modell auf den Markt kommt. Zyklen von Hard- und Software sind in der Androidwelt nicht gekoppelt wie bei Apple, hinzu kommt die oft erwähnte “Fragmentierung” von Android: Was einmal installiert ist, bleibt meist auf dem Androiden.
Wenn Sie also vermutlich Mitte September die Gelegenheit haben, ihr iPhone 4S, 5, 5C oder 5S auf iOS 8 zu aktualisieren, können Sie das bedenkenlos tun. Eine Warnung nur: Wenn Sie das iPhone 6, oder wie auch immer das Modell von 2014 heißen mag, einmal in der Hand hatten, halten Sie Ihr “Altgerät” wahrscheinlich wirklich für langsamer. Peter Müller