Mit der Apple Watch vom Bewegungsmuffel zum Athleten
Wenn Sie diese Geschichte schon kennen, springen Sie doch gleich zur letzten Aktualisierung, ab der Überschrift “Die Vermessung der Welt”. Was alles in dieser Geschichte passiert:
– Unser Autor testet einen Monat lang die Apple Watch im Hinblick auf ihr Versprechen für mehr Fitness und Gesundheit
– Die Aktivitäten-App und ihre Versuche zur Motivation ist gut gemacht, präziserer Einblick in die Daten wäre wünschenswert.
– Der Kalorienverbrauch ist nur geschätzt, die Uhr zeichnet auch nicht alle Aktivitäten akkurat auf
– Apps von Drittherstellern sprechen nicht immer präzise mit Lösungen von iOS und der Apple Watch
– Das Training zeigt Effekte, die Uhr hält erstaunlich lange durch
– Beim Protokollieren der Ernährung sind die derzeit erhältlichen Lösungen noch nicht zufriedenstellend
– Die Pulsmessung ist im Vergleich zu den Methoden anderer Geräte erstaunlich präzise, auch bei der Berechnung von Kalorienwerten weiß die Apple Watch zu überzeugen
– Bei der Verwaltung und beim Export der Daten herrscht noch Nachbesserungsbedarf, weitere Sensoren sollten künftige Generationen der Apple Watch bringen.
Auch nach gut einer Woche fühlt sie sich wie ein Fremdkörper an – beinahe hätte ich sie heute daheim liegen lassen. Abgemacht war aber, dass ich im Juli die Apple Watch im Alltag teste und meine Schlussfolgerungen zum Nutzen der Uhr öffentlich mache. Also das Fahrrad gewendet, die paar Meter wieder zurück und die Uhr vom Ladekabel gerupft, an dem sie seit gestern Abend hing. Ich darf mich vorstellen: Peter Müller, in Sachen Apple Watch bei der Macwelt der Juli-Mann und insbesondere für das Thema Fitness beauftragt.
Während unsere Kollegen in Hamburg die Apple Watch schon seit dem Erstverkaufstag am 24. April in den Händen halten und uns seither mit allerlei Ratgebern zur Einrichtung und Nutzung versorgen, haben wir für die Redaktion in München die Uhr erst recht spät bestellt. Während des Juni trug der Kollege Patrick Woods das Produkt am Handgelenk und reagierte zusehends genervt, wenn schon wieder eine per tactile Feedback auf sich aufmerksam machende Nachricht ihn ablenkte. Sein Fazit bei der Übergabe Ende Juni fällt daher auch durchwachsen aus. Schon raffiniert, das Gerät, aber so richtig überzeugt ist er nicht, privat würde er sich zumindest jetzt noch keine anschaffen. (Siehe Video)
Das war bis dato auch meine Einstellung. Schließlich trage ich seit etwa drei Jahren keine Armbanduhr mehr. Irgendwann war deren Lederarmband ziemlich runtergewirtschaftet und dann auch noch die Batterie leer – Anlass, die Uhr zu verräumen und die Zeit von all den vielen Uhren abzulesen, die mich umgeben. Von der Wanduhr in der Küche. Von den Leuchtziffern auf dem Radiowecker. Von der Menüleiste des Mac rechts oben. Von der altmodischen Bahnhofsuhr, die zur vollen Minute gerne einmal kurz auf der 12 verweilt. Vom iPhone, das man meist recht flott aus der Tasche ziehen kann. Vom Fernsehapparat im Videotext, wenn nicht ohnehin die Uhrzeit im Programm eingebettet ist. Sprich: Ich brauche keine Armbanduhr mehr. Aber nach einiger Zeit habe ich mich dabei ertappt, wie ich bei der Lektüre der gedruckten Zeitung nach rechts oben lure, um die Uhrzeit zu erfahren. So ganz bin ich für das Prinzip Armbanduhr womöglich doch nicht verloren, schließlich habe ich ein analoges Leben auch noch.
Apple Watch: Gewiss mehr als ein Zeiteisen
Die Apple Watch auf ein teures und technisch raffiniertes Produkt zum Ablesen der Zeit zu reduzieren, würde aber bedeuten, das iPhone ausschließlich zum Telefonieren und zum Simsen zu verwenden. In der Theorie löst die Apple Watch ja einige Probleme, die das iPhone erst geschaffen hat: Nicht nur ich habe in den letzten Jahren die Armbanduhr abgelegt. Seit wirklich (fast) jeder ein Smartphone dabei hat, greift die Unsitte um sich dem Bildschirm mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als dem Gegenüber. Der kurze Blick auf die Uhr, um nachzusehen, ob die gerade eingetroffene Mail eher wichtig oder eher hinderlich ist, bringt nicht gleich Knigge-konforme Umgangsformen zurück, ist aber weit weniger unhöflich als das Starren auf das iPhone.
Apple suggeriert in seiner Werbung ja zweierlei: Die Apple Watch kann dank Apps alles, was das iPhone auch beherrscht, nur weit bequemer und persönlicher und außerdem rettet sie uns allen das Leben, weil wir von Couchpotatoes zu begeisterten Sportlern werden. Die Idee, Nutzer elektronischer Geräte zu mehr Bewegung zu animieren, ist grundsätzlich nicht schlecht, warum die Apple Watch den Job aber besser erledigt als diverse Fitnessapps und -armbänder, muss sie erst mal beweisen. Ich bin weder Bewegungsmuffel noch Sportfreak, sitze abends aber schon gerne auf der Couch oder wie zu dieser Jahreszeit, im Lehnstuhl auf der Terrasse. Zudem bin ich in einem Alter, in dem man besser mal auf seine Ernährung, Gesundheit und Beweglichkeit achtet, will man den Renteneintritt noch bei vollem Bewusstsein erleben. Ich bin an sich genau in der Zielgruppe derjenigen, an die sich die Apple Watch mit ihrem Fitnessversprechen richtet. Hilft mir die Technik weiter, ist sie lästig oder zu kompliziert, was hat die Apple Watch mir darüber hinaus noch zu bieten? Und würde ich privat dann eine kaufen, wenn im August der nächste oder die nächste für den Dauertest eingeteilt ist? Ich habe einen Monat Zeit, das herauszufinden.
Das erste Training
Ich übernehme die Uhr an einem Dienstag Nachmittag – es ist sogar noch Juni – und richte sie so flott ein, wie man das von Apple-Produkten gewöhnt ist. Selbst der Austausch des Armbandes (Mann, hat der Kollege dünne Arme…) gelingt flott und ohne Fummelei. Die Aktivitäten-App zeigt in ihrem Kreisdiagramm auch sofort an, wie weit ich von den Zielen entfernt bin. Konfigurieren kann ich die nicht, die Uhr empfiehlt mir bei meinem Alter und meinem Gewicht 30 Minuten tägliches Training und dabei einen Kalorienverbrauch von 860 Kcal. Dazu die obligatorischen 12 Stunden, in denen man mindestens eine Minute pro Stunde stehen oder noch besser, sich bewegen soll.

Ich bin wie im Sommer meistens mit dem Radl in die Arbeit gekommen, für den rund einstündigen respektive 20 Kilometer langen Rückweg berechnet mir die App einen Energieverbrauch von knapp über 500 Kcal. Die gemessenen Werte für die Strecke sind recht genau und stimmen mit dem des Tachometers am Fahrrad gut überein – kein Wunder, ich hatte den ja vor anderthalb Jahren mit einem iPhone kalibriert, allerdings einem anderen als dem, von dessen GPS-Sensor die Apple Watch ihre Daten bezieht. Ein wenig unschön: Die App merkt nicht, wie einige andere Fitnessapps (Runkeeper und Runtastaic sind da hervorzuheben) und sogar der Tacho am Lenker, wann ich an der Ampel stoppe. Die Uhr läuft weiter, die anschließende Durchschnittsgeschwindigkeit ist die der gesamten Reise und nicht die der reinen Fahrzeit, auf die es eingentlich ankäme. Ich habe aber noch ausreichend Gelegenheit, andere Apps zu testen, mal sehen, welche Daten die liefern und was man daraus lernen kann. Die Aktivitäten- und die Sport-App gehen nicht ins Detail, es interessiert wirklich nur der Gesamtverbrauch. So zeichnet sie nicht die Strecke auf – aber ich weiß ja, wo ich lang gefahren bin. Für den Puls gibt sie auch nur einen Durchschnittswert aus, der mir realistisch scheint. Bei Gelegenheit wird das aber mit einem Brustgurt und einer dedizierten Sportuhr verifiziert. Am ersten Abend habe ich aber zwei der Ziele verpasst: Der Kalorienverbrauch war nicht im vorgegeben Rahmen und gestanden bin ich auch nicht lange genug. Aber meine Entschuldigung habe ich mir ja schon weiter oben geschrieben: Die Uhr trage ich ja erst seit dem Mittag.
Smartwatch ist nicht immer schlau
Tags darauf wechsle ich die Sportart, ich bin mit Rudi ( Name geändert ) zum Tennis verabredet. Der Sport-App der Uhr gebe ich vor dem Einschlagen an, ich würde nun nicht draußen laufen (hey, was würde das GPS des in der Tennistasche verbliebenen iPhones für hübschen Unfug messen?), sondern eine „Sonstige“ Aktivität betreiben. Die Apple Watch erklärt dann auch gleich, was sie damit meint: Für den Energieverbrauch wird einfach ein „Schnelles Gehen“ veranschlagt. Komisch, woher weiß die Uhr, wie ich Tennis spiele?
So wird natürlich nicht berücksichtigt, wie sehr die Sprints in die Ecken, in die mich Rudi jagt, den Energieverbrauch nach oben treiben. Andererseits ist das Warten auf Rudis zweiten Aufschlag wieder sehr entspannend. Während der gesamten Zeit läuft die Uhr, wie ich in einer Spielpause am Netz zeigen kann: Auch im Stand geht die Anzeige der verbrauchten Kalorien stets nach oben.

Was auf dem Platz aber nicht funktioniert: Ich bekomme keine Pulsmessung angezeigt. Die Uhr sitzt entweder zu locker oder die 33 Grad auf dem Platz lassen auch beim Standtennis den Schweiß derart fließen, dass die Messung mit den Leuchtdioden keine sinnvollen Werte mehr liefert. Auf dem Radl sitzt man eben deutlich ruhiger.
Beim After-Matchball-Bier sinnieren wir über sinnvolle Apps für Tennisspieler. Wie wäre es etwa mit einer einfachen Zähl-App, bei der man nur oben oder unten tippen muss, je nachdem, wer den Punkt gewonnen hat und man so den Spielstand stets im Auge behält? Mit Watch OS 2 wird es Entwicklern möglich sein, Zugriff auf einige Daten der Beschleunigungssensoren zu erhalten. Wie wäre es dann mit einer App, die den Schwung des Schlagarms misst und darüber Auskunft gibt, wie gut man den Ball beim Aufschlag, beim Volley, beim Rückhand-Slice und beim Vorhand-Topspin getroffen hat? So ist die Uhr auf dem Tennisplatz noch relativ witzlos.
Immerhin zeigt die Karten-App nach dem Bier auch gleich ungefragt den Heimweg an und die dafür veranschlagte Fahrtzeit. Ist schon ein bisschen unheimlich: Das iPhone weiß genau, an welchen Wochentagen ich mich wann bevorzugt wo aufhalte und wo ich in der nächsten Zeit wohl hin möchte. Am Abend auf dem Sofa trickse ich die Uhr nochmal aus. Ich solle mal wieder aufstehen und mich eine Minute lang bewegen. Ich schlenkere stattdessen eine Minute lang wie wild den Arm – Ziel erreicht. Aber auch ohne den Trick hätte ich an dem Tag das Stehziel erreicht.

Eher nicht wasserdicht
Nach zwei weiteren Tagen mit beruflich bedingten Radtouren und jeweils drei erreichten Trainingszielen geht es am Wochenende an den Badesee – nicht nur zur Entspannung. Denn die Uhr kann gewisse Dinge auch ohne iPhone, man muss sie nur dafür anlernen. Einmal schnell mit Uhr und iPhone um den See spaziert – mindestens zwanzig Minuten lang – und schon kann die Apple Watch aus den gemessenen Schritten Rückschlüsse auf die Streckenlänge ziehen, ohne das GPS des iPhone auszulesen. Stimmt: Ich gehe nach abgeschlossener Aktivität „Gehen outdoor“ die exakt selbe Strecke noch mal ohne iPhone – und die gemessene Strecke ist mit nur einem geringen Fehler die gleiche wie zuvor. An dem Tag erreiche ich mein Kalorienziel laut Watch nicht. Ich war zwar länger als 30 Minuten trainieren, aber flottes Gehen ist nicht so anstrengenden wie Joggen. Dafür misst die Uhr mein Schwimm“training“ nicht – das soll sie auch nicht, Apple empfiehlt, sie vor dem Duschen, Abspülen und im See plantschen abzunehmen. Andere Sportuhren machen auch das mit, aus technischen Gründen aber ohne Pulsmessung per Leuchtdiode. Ich schätze aber mal, die zum Tagesziel fehlenden Kalorien habe ich im See verbrannt. Der war am Nachmittag auch deutlich wärmer als noch in der Früh…
Fortsetzung vom 8. Juli: Radln mit Apps
Ein wenig unbefriedigend finde ich wie erwähnt die Anzeige der Aktivitäten-App und ihre Ermittlung der Durchschnittsgeschwindigkeit. Aber wenn man es genauer wissen will, stehen jede Menge Sport-Apps im App Store zur Verfügung, die bereits ihre Dienste für die Apple Watch anbieten. Ich probiere mal zwei davon beim Radln ins Büro aus: Runtastic auf dem Hinweg und B.iCycle auf dem Rückweg. Beide Apps können auf der Apple Watch ihr Potential noch nicht ganz ausspielen, schließlich dient ihnen die Uhr derzeit nur als verlängerter Bildschirm. Mit Watch OS 2 wird sich das ändern, dann können die Apps auch von Daten der Uhr zugreifen, und zum Beispiel die Herzfrequenz mit protokollieren. Der Hinweg mit Runtastic bringt eine erste kleine Enttäuschung: Ich habe vergessen, mir die Einstellungen der App vor Antritt der Fahrt anzusehen. So kann Runtastic nicht auf den GPS-Sensors des iPhones zugreifen und schreibt auch keine Werte in die Health-App. Hätte ich mal Runkeeper genommen, dort waren die Einstellungen bereits getroffen. Aber den Runkeeper habe ich auch schon öfter verwendet. Immerhin ermittelt die Apple Watch aus den Daten von Runtastic (1 Stunde Fahrradfahren) einen gewissen Kalorienverbrauch und schreibt den mir in der Aktivitäten-App zu Gute.

Auf dem Rückweg setze ich zwei Apps gleichzeitig an: Die Aktivitäten-App starte ich auf der Apple Watch und den Fahrradcomputer B.iCycle auf dem iPhone. Denn der lässt sich im Gegensatz zu Runtastic und Runkeeper auch nur dort starten – das muss mit Watch OS 2 besser werden. Dann füllt die App auch die Felder mit dem aktuellen und dem durchschnittlichen Puls. Auf der Uhr ist nur das zu sehen, was die App auf dem iPhone anzeigen würde: Wahlweise die aktuelle Geschwindigkeit, das Durchschnittstempo, die Höchstgeschwindigkeit, Wegstrecke, Zeit und überwundene Höhenmeter – letztere misst das GPS des iPhone erstaunlich präzise, die insgesamt vier Autobahn- und Eisenbahnbrücken auf der Strecke ergeben summiert ein Geklettere von 51 Metern – das stimmt wohl ziemlich genau. B.iCycle stellt dann auch – nur auf dem iPhone – die gefahrene Strecke schön auf einer Karte dar, die während der Fahrt nicht auf der Uhr zu sehen ist. Den Tag beschließe ich mit einem neuen Rekord beim Kalorienverbrauch, da hat wohl die unpräzise Berechnung am Vormittag Ihr Übriges getan. Andererseits hatte es brüllend heiße 35 Grad. Und während bei solchen Temperaturen sich manche Kollegen mit Macbook in den Biergarten verkriechen , stemme ich mich Abends gegen den heißen Westwind, der erst spät in der Nacht Abkühlung bringt. Höherer Kalorienverbrauch als sonst war gewiss gegeben, darauf eine Hopfenkaltschale. Oder zwei.
Fortsetzung vom 10. Juli: Sinnlose und sinnvolle Ergebnisse
Endlich Abkühlung, bevor am Wochenende der Sommer wieder zurückkehrt. Ideale Gelegenheit also, auf dem Tennisplatz nicht nur herumzustehen, sondern auch mal ein bisschen zu laufen – und das Gegenüber laufen zu lassen. Unter den von der Sport-App angebotenen Aktivitäten ist wie bereits erwähnt keine geeignete dabei, ich versuche es mal mit “Gehen outdoor”, schließlich hatte ich die Uhr dafür ja kalibriert. Funktioniert aber wirklich nur wenn man kontinuierlich geht. Die kurzen Sprints und langen, ruhigen Phasen dazwischen kann die Uhr überhaupt nicht interpretieren, die Strecke und damit der Kalorienverbrauch bleibt leer. Das iPhone auf den Platz mitzunehmen und per GPS eine Strecke messen zu lassen, wäre aber vollkommen sinnlos gewesen. Denn: In den Hosentaschen sind der zweite und der dritte Ball. Außerdem ist eine Hälfte eines Spielfeldes 12 Meter lang und 8 Meter breit – das ist kaum größer als der Messfehler von GPS. Nur Sensoren in den Schuhen würden bessere Ergebnisse bringen. Heute, exakt 30 Jahre nach Boris Beckers erstem Wimbledonsieg, zeigt mir die Apple Watch trotz Trainings an, ich hätte mein Kalorienziel verpasst.

Dann halt wieder Fahrrad fahren, jeweils mit Aktivitäten-App und Runtastic auf der einen respektive Runkeeper auf der anderen Strecke. Für das Radeln sind beide Apps unterschiedlich gut geeignet – und bei beiden besteht Verbesserungsbedarf. Runkeeper beispielsweise lässt sich war von Uhr aus Starten und Stoppen, verfügt aber über keinen “Check” auf der Apple Watch (im englischen Apple-Sprech heißt das Glances). Dafür schreibt die App Ihre Daten auf dem iPhone in die Health-App. Runtastic hingegen bietet einen Check, lässt sich auf der Apple Watch aber nicht stoppen – und Daten schreibt sie auch nicht in die Fitnessdatenbank auf dem iPhone. Beide Apps können mit kompatiblen Pulsmessern die Herzfrequenz messen und aufzeichnen, aber natürlich noch nicht von der Apple Watch. Positiv: Die Sport-Apps halten optional ihre Kilometerzählung und Zeitmessung an, wenn man an der Ampel stehenbleibt, die Apple eigene Sport-App müsste man per Hand stoppen und starten – Siri kann das auch nicht. Da ich aber höchst ungern freihändig fahre, lasse ich die Messung einfach laufen. So bin ich mit Runtastic/keeper scheinbar schneller unterwegs als mit der Sport App der Uhr. Immerhin wird mir der Energieverbrauch nicht doppelt angerechnet, wenn ich zwei Apps gleichzeitig nutze…

Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Messwerts für die verbrannten Kalorien beschleichen mich dann doch. Denn was würde die Apple Watch errechnen, wenn ich statt eine Stunde 20 Kilometer in der Ebene eine Stunde 20 Kilometer bei durchschnittlich acht Prozent Steigung fahren würde? Leider kann ich das mangels eines Klettergens, wie es die Bergfahrer bei der Tour anscheinend haben, nicht ausprobieren. Aber die Vermutung: Die Apple Watch versucht anhand des Pulses auf den höheren Energieverbrauch zu schließen. Um den aber exakt zu messen, bräuchte man nicht nur professionellere Apps, sondern vor allem Sensoren, welche die auf das Hinterrad gebrachte Leistung messen und eben Apps, die diese Daten auswerten. Immerhin zeigen unsere Daten einen etwas erhöhten Energieverbrauch, wenn die Außentemperatur für einen höheren Puls sorgt.
Ich werde weiter beobachten, welche Hersteller in naher Zukunft welches Zubehör für welche Sportarten bereit stellen – und darüber berichten. Fazit bis hierher: Die Aktivitätszählerei der Apple Watch ist nice to have, die höheren Ansprüche einer tieferen Analyse kann sie aber noch nicht erfüllen.

Randerscheinungen I
Ein wesentlicher Grund, die Armbanduhr abzunehmen, war vor drei Jahren für mich, dass das Lederarmband schnell unansehnlich wurde, nimmt man die Uhr beim Sport nicht ab. Und mit Sport ist bei mir eben auch der rund einstündige Weg mit dem Fahrrad in die Arbeit gemeint. Das Plastikarmband der Apple Watch überrascht mich positiv. Weder schwitzt man darunter besonders stark, noch verschmutzt es über Gebühr. Nach etlichen Tagen sind zwar Spuren unverkennbar, auch Gehäuse und Display der Uhr werden leicht schmutzig. Aber für beides gibt es einfache Lösungen: Die Uhr lässt sich wunderbar mit einem Brillentuch putzen, das Armband ist mit Wasser und Seife abwaschbar (vorher natürlich von der Uhr entfernen!). Im Frühjahr hatte es eine kleine Aufregung gegeben, gerade das weiße Sportarmband sei empfindlich und würde die Farbe von gefärbten Haaren oder der Jeans annehmen. Kann ich nicht bestätigen, weder färbe ich die Haare noch trage ich im Hochsommer Bluejeans. Aber auch jenes “Braceletgate” war nur ein Sturm im Wasserglas, die Farbe lässt sich problemlos entfernen.
Etwas hartnäckiger ist der Straßenschmutz, den ich mir bei einer Reifenpanne zugezogen hatte (absurd eigentlich, war ich doch gerade wegen eines Problems mit der Kurbel auf dem Weg in die Werkstatt und dann geht mir am Vorderrad die Luft aus…). Während des weiteren Verlaufs des Flickens verschwand die Uhr dann aber besser in der Rucksacktasche, bevor sie noch völlig verschmutzt. Die Aktivität habe ich dann auch besser abgebrochen, deshalb an dem Tag das Kalorienziel laut Uhr nicht erreicht. Aber die zählt ja nicht mit, wenn man bei 30 Grad im Schatten verzweifelt nach einem winzigen Loch an der Seite des Schlauches sucht…
Randerscheinungen II
Recht aktiv war ich in den letzten Wochen, selbst dann, wenn ich die Apple Watch nicht getragen habe – etwa im Badesee. Auch abends lasse ich sie immer öfter weg, am Ende kündigt ein kurzes Klopfen auf dem Handgelenk noch das Ende des Feierabends an, weil eine eingegangene E-Mail eine Reaktion erfordert. Die Aktivitätsziele hinsichtlich Trainingszeit, Kalorienverbrauch und häufiges Aufstehen erreiche ich so fast immer, nach gut zwei Wochen meldet mit die Aktivitäten-App, sie hätte jetzt mein Kalorienziel auf 950 herauf gesetzt. Schön, mit zweimal einer Stunde radeln komme ich ohnehin auf 1200 und mehr Kalorien. Nur scheint die Uhr dann doch nicht umzusetzen, was sie angekündigt hat, schon am nächsten Tag steht das Ziel wieder bei den ursprünglichen 860 Kalorien. Was denn nun? Wie gesagt: Eine manuelle Einstellmöglichkeit fehlt.

Kalorienzufuhr im Griff
„ Es lebe der Sport, er ist gesund und macht uns hort “, dichtete Reinhard Fendrich einst ironisch. Leistungssport ist zwar gar nicht gesund und beim Triathlon in Frankfurt ist ein Teilnehmer verstorben , weil er zuviel Wasser zu sich genommen hat. Man kann ja alles übertreiben. Mein Ziel ist weder der Iron Man noch eine der Teildisziplinen in der dort absolvierten Länge (3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radln, 42,2 Kilometer Laufen), als Nebeneffekt des Fitnesstrainings erhoffe ich mir aber auch eine Gewichtsreduktion. Denn bei der Macwelt habe ich nicht nur vor fast 20 Jahren angefangen, sondern auch vor annähernd 20 Kilo. Die elende Hockerei, dünner wurden mit der Zeit immer nur die Monitore, Macbooks, iPhones und iPads.
Auch beim Abnehmen könnte ja die Apple Watch helfen? Doch ich sehe mich ein wenig getäuscht.
Im Wesentlichen probiere ich zwei Apps aus, die beim Kalorienzählen helfen sollen und beide eine Verlängerung zur Apple Watch bieten. Recht umfangreich ist MyFitnessPal . Auf der zugehörigen Website kann ich meine aktuellen Daten angeben, die App schlägt mir dann vor, ich solle etwa 0,5 Kilogramm pro Woche verlieren (in rund 40 Wochen wäre ich dann wieder im Prä-Macwelt-Zustand!) und errechnet dafür eine tägliche Nettozufuhr von Kalorien. Damit das aber funktioniert, müsste ich akribisch jede Mahlzeit und jedes Getränk, das nicht Mineralwasser oder ungesüßter Kaffee respektive Tee ist, erfassen. Noch ernster genommen müsste ich auch genau erklären, wie viel Müsli ich beispielsweise in der Früh zu mir genommen habe. Beim Mittagessen weiß ich auch nicht genau, ob das jetzt für die App eine halbe, eine ganze oder anderthalb Portionen Krautsalat waren und zum Stichwort Penne Arrabiata bietet mir die App diverse Fertigprodukte namhafter Hersteller an. Unsere Kantine kocht aber frisch.
Auf der Apple Watch habe mit MyFitnessPal ich keine Möglichkeit zur Dateneingabe, bekomme dafür aber Informationen, welche Art und Mengen von Nährstoffen ich heute zu mir genommen habe oder wie viele Schritte ich gelaufen bin. Ehrlicherweise trage ich auch das Feierabendbier in die Liste ein. Und schon steht eine rote Zahl in der Bilanz. Aber halt: Die Aktivitäten-App der Watch zeigt einen Energieverbrauch von weit über 1000 Kalorien an, die App hat anscheinend aber nur die vom iPhone gezählten Schritte in ihre Rechnung einbezogen. Das hatten wir ja schon weiter oben, die Lösungen sprechen noch zu selten akkurat miteinander, MyFitneePal schreibt zum Beispiel nichts in die Heath-App. Aber wenn ich heute mehr verbraucht als zu mir genommen habe, dann darf ich ja noch ein weiteres Bier trinken. Ist auch wirklich verdammt heiß heute.

Sprechen könnte ich hingegen mit der App Lark , die ähnliche Effekte verspricht und mich bei der Nahrungsaufnahme überwacht. Nett gemacht: erst einmal plaudert die App freundlich mit einem über Gesundheits- und Ernährungsthemen, bevor es in medias res geht. Pünktlich zu den üblichen Essenszeiten fragt Lark mit einem Alarm auf der Apple Watch nach, ob ich denn schon gefrühstückt, zu Mittag oder zu Abend gegessen hätte. Die App spricht aber nur englisch, macht nichts, denke ich mir. Macht schon etwas. Lark verstand nicht einmal, dass ich vor der Heimfahrt ein Affenkotelett, sprich, Banane, zu mir genommen habe – dabei spreche ich gar nicht wie ein Minion. Und den herrlichen bayerischen Krautsalat aus unserer Kantine als Cole Slaw zu bezeichnen, träfe es nicht im geringsten und würde die Messung deutlich verfälschen. Also plaudere ich weiter mit Lark, ignoriere die Benachrichtigungen von MyFitnessPal und schaue selbst drauf, dass ich die Rennerei und Radlerei nicht mit Völlerei konterkariere. Der Effekt bisher, nach gut drei Wochen: Drei Kilo weniger. Dazu muss ich aber sagen, dass meine mechatronische Badezimmerwaage einen Messfehler von anderthalb bis zwei Kilo aufweist. Genaues lässt sich also noch nicht sagen. Vor allem müsste ich das Gewicht regelmäßig in Health manuell eintragen, um einen Verlauf zu erkennen. Da hilft die Apple Watch auch nicht weiter, Zubehör, das direkt mit dem iPhone spricht, wäre toll. Aber das gibt es ja und werde ich mir mal bei Zeiten betrachten.
Randerscheinungen III
Wie schon der Kollege Woods im weiter oben eingebetteten Video spricht: Die Akkulaufzeit der Apple Watch ist besser als es viele befürchtet hatten. Auch ich habe Abends noch zwischen 20 und 30 Prozent übrig, einmal hielt die Uhr dann sogar über Nacht durch. Dafür muss das iPhone öfter an das Ladekabel. Fatal: In unserem Haushalt sind zwei Steckdosen für mittlerweile sechs Apple-Geräte (Macbook Pro, zwei iPads, zwei iPhones und jetzt die Uhr) reserviert, gestern Abend habe ich an die Uhr ihr Lagederät gehängt, dann aber übersehen, dass in der Wand ein anderes Kabel steckt. Heute also keine Fitnessdaten, denn bei einer Ladung von zehn Prozent schlägt die Apple Watch vor, die Gangreserve einzuschalten, wie mir dann in der S-Bahn auffiel (Wie gesagt: Radl in der Werkstatt). Dann zeigt sie zwar auf Nachfrage die Uhrzeit an, macht aber sonst nichts. Vorschlag für Apple: Sollte die Nachfrage tatsächlich gesunken sein, wie manche Marktbeobachter unken, hätte ich eine prima Idee, um sie wieder anzukurbeln. Statt den Preis zu senken, einfach ein zweites Ladekabel beilegen und vielleicht noch ein zweites Armband. Denn auch für iPhone und iPad habe ich sowohl zu Hause als auch im Büro Auflademöglichkeiten. Schick und technisch raffiniert ist das induktive Ladegerät allemal, dass sich die Uhr aber wieder nur mit einer proprietären Lösung aufladen lässt und nicht etwa über einen Mini-USB-Port gibt Abzüge in der B-Note.
Die Vermessung der Welt
Der Juli neigt sich dem Ende entgegen und somit auch meine Zeit mit der Apple Watch – die Kollegen scharren schon mit den Füßen. Zwei Tests, die ich aber schon länger im Sinne hatte, setze ich nun noch um.
Wie weiter schon oben erwähnt, fehlen der Apple Watch noch etliche Sensoren, künftige Generation werden die hoffentlich mitbringen. Aus der Not macht die Uhr aber eine Tugend und dafür kann man die Entwickler gar nicht genug loben. Beim schnellen Gehen hatte ich die Uhr schon kalibriert, jetzt ist Laufen respektive Joggen dran. Erst gehe ich mit iPhone und damit einem GPS-Sensor auf die Runde, tags darauf nur mit der Apple Watch. Schauderlich: Das Tempo ist erschreckend niedrig, sogar ich war schon mal schneller. Daran trägt die Watch keine Schuld und auch nicht das unbequem in der Hosentasche schlackernde iPhone, sondern der Trainingszustand. Ab Spätherbst, wenn ich mit dem Radl nicht mehr so oft und weit unterwegs bin, werde ich wieder mehr laufen, versprochen. Aber immerhin merkt sich die Apple Watch das Tempo: Sie weiß, wie viele Meter ich zurücklege wenn ich gehe oder wenn ich laufe, die Runde ohne iPhone hat sie recht genau so gemessen wie die mit. Das Tempo war aber ungefähr gleich. Je öfter man das iPhone beim Laufen dabei hat, desto genauer soll die Längenmessung werden, lautet die Theorie. Die Apple Watch bietet dafür zwei Geschwindigkeitsbereiche an (Laufen und Gehen) und geht davon aus, dass der Hobbysportler nicht heute acht Minuten für den Kilometer braucht und morgen nur noch sechs, sondern sich der Wandel eher gemächlich vollzieht. Immer wieder einmal sollte man daher das iPhone mitnehmen, irgendwann wird man es hoffentlich daheim lassen können, wenn die Apple Watch ein eigenes GPS mitbringt und womöglich eine Internetverbindung auch unterwegs (siehe Embedded SIM ). Aber warum tut Joggen so weh, wenn man auf dem Fahrrad schon so fleißig war? Ein Triathlet wird aus mir nicht mehr.
Zwei Häuser, zwei Uhren
Noch ein Test, vorerst der letzte. Wie zuverlässig ist denn eigentlich die Pulsmessung? Und wie komme ich an die von der Apple Watch aufgezeichneten Daten ran? Erste Antwort: Im Rahmen meiner Messungen recht gut. Zweite Antwort: eigentlich gar nicht. Um eine kurze Geschichte lang zu machen (Noch länger? Ich weiß, mythenemetzsche Abschweifung und so…): Ich radle mit zwei Uhren gleichzeitig in die Arbeit, was mir berechtigten Spott der Kollegen einbringt.
Sinn der Versuchsanordnung: Ich habe eine TomTom Multisport (1. Generation) mit Pulsmesser in Form eines Brustgurts aber ohne die Möglichkeit, mir eintreffende E-Mails auf das Handgelenk zu beamen, die mich vom Radl beuteln könnten, versuchte ich sie gleich zu beantworten. Also Sportuhr pur.
Ich stelle fest: Beide Methoden der Pulsmessung – Dioden, die den subkutanen Blutfluss messen und Piezo-Kristall, der nahe des Herzens die regelmäßige Ausdehnung des Brustkorbs registriert – kommen auf ähnliche Ergebnisse. Solange sowohl Uhr als auch Gurt fest sitzen (Mann, was für eine Fummelei!), passt alles. Wenn die Apple Watch nicht richtig sitzt (siehe Kapitel über Tennis), kann man sich auf die Zahlen nicht verlassen. Und wie die Uhr zufällige Messfehler ausfiltert, bleibt Geheimnis. Auf dem Hinweg (bei Rückenwind) misst die Apple Watch einen durchschnittlichen Puls von 119 bpm, die Tomtom kommt auf 122 bpm. Auf dem Rückweg geben beide Systeme einen Wert von 130 bpm aus. Hier wird es interessant: Denn obwohl ich nach Hause im Herbststurm, der Ende Juli niedergeht, länger gebraucht habe, war die Fahrt deutlich anstrengender. Hier gewinnt die Apple Watch, die für die Rückreise einen höheren Kalorienverbrauch angibt als für den Hinweg. Die hat gemerkt, dass hier einer heftig strampelt! Die Tomtom errechnet für beide Fahrten einen Wert, der jenseits von Gut und Böse ist. Demzufolge könnte ich mir am Abend Pizza, Pasta und noch eine Schweinshaxe samt dafür angebrachtem Bier gönnen und ich würde abnehmen – die Werte der Apple Watch scheinen realistischer. Aber auch sie sind errechnet und da wir die Algorithmen nicht kennen, kann ich nicht abschließend beurteilen, wie viel Kalorien ich wirklich verbraucht habe. Sicherheitshalber lasse ich Pizza, Pasta und Schweinshaxe weg.
Wo sind meine Daten?
Vielleicht könnte aber ein Kardiologe anhand der Messungen sagen, ob ich mich dem Alter entsprechend beweg, es übertreibe oder da sogar noch Luft nach oben wäre. Leider bleiben die Daten der Apple Watch ein wenig im Dunklen. In der ohnehin sehr unübersichtlichen Health-App findet man zwar jeden einzelnen Datenpunkt, aber keine Möglichkeit, diese Daten zu exportieren oder einfach nur grafisch darzustellen. Besser ist da die Darstellung der Tomtom, die Pulsdaten etwa auch an die App Runkeeper überträgt. Schade, einerseits, andererseits hat Apple noch Entwicklungspotential. Die Daten sind da, aber wer lehrt uns, sie vernünftig auszulesen?
Fazit
Apple behauptet in der Werbung, die Apple Watch sei das persönlichste Gerät, das Cupertino je gebaut hat. Das kann man so stehen lassen. Insofern werden es persönliche Gründe sein, die einem zu einer Apple Watch überhaupt erst greifen lassen. Eine konkrete Empfehlung ist daher schwierig.
Aus Sicht des Fitnesstrainings: Ja, die Apple Watch kann zu mehr Bewegung, einer bewussteren Ernährung und damit zu einer gesünderen Lebensweise animieren, allein schafft sie das nicht. Der Weg von Passivsportler zum Athleten ist ein weiter, die Apple Watch hilft aber auf den ersten Schritten.
Was aber unbedingt besser werden muss, damit die Motivation auch länger als einen oder zwei oder drei Monate anhält, ist die Auswertung der erhobenen Daten, die geschieht bislang zu oberflächlich. Services wie Runkeeper, Runtastic oder Tomtoms Mapmyfitness machen das besser. Die Apps dafür werden auf der Apple Watch wohl schon im Herbst besser, wünschenswert wäre aber darüber hinaus, dass auch die Bordmittel der Uhr einen tieferen Einblick bieten. Werde ich mir nach dem Ende des Tests die Apple Watch kaufen? Ich denke nicht. Noch nicht.
