Die in einer Black Box eingebauten Stimmenrekorder und Datenspeicher können bei einem Flugzeugabsturz oft als einzige Quelle die Fragen über die Gründe der Katastrophe beantworten.
Mit einem „Stimmenaufzeichnungsgerät“ oder einer„Datensammeleinheit“ können die meisten Menschen wahrscheinlich recht wenig anfangen. Hier reichen die Vermutungen von einem tragbaren Diktiergerät bis zu einem Tablet-Computer. Den umgangssprachlichen Begriff einer Black Box hingegen kennt nahezu jeder, der einmal die Nachrichten über einen schrecklichen Flugzeugabsturz gesehen hat. Die jüngsten Abstürze der beiden Maschinen von Malaysia Airlines – nämlich MH370 über den Indischen Ozean und MH17 über der Ost-Ukraine – sowie vor allem die Germanwings-Tragödie sind die aktuellsten Beispiele. Denn so schlimm es auch ist: Erst wenn sich wieder einmal eine Flugzeugkatastrophe ereignet hat, kommt die in jedem Passagierflugzeug mit über 17 Tonnen Gewicht eingebaute Black Box ins Spiel.
Black Box ist orange
Dabei ist eine Black Box gar nicht „schwarz“, sondern„signalrot“; ein rötliches Orange, das das Auffinden der Schuhkarton-großen Metallbox in schwer zugänglichem Geländeverbessern soll. Die doppelwandige Hülle dieses Flugschreibers besteht dabei meistens aus Titan oder Edelstahl und kann extremen Stürzen standhalten. Ob ein Absturz aus 10.000 Metern Höhe oder Feuer mit 1.000 Grad Celsius – eine solche Blackbox übersteht diese hohen Belastungen meist problemlos. Man könnte deshalb vermuten,dass es einfach wäre, gespeicherte Inhalte einer gefundenen Blackbox auszulesen – einfach aufbrechen und am Computer anschließen. Das ist aber ohne Spezialwerkzeug und -wissen unmöglich.
Eine Black Box – zwei Komponenten
Ein Flugschreiber besteht dabei im Wesentlichen aus zwei Komponenten: Dem Stimmenrekorder und dem Flugdatenschreiber. Je nachdem wie sich die konkrete Katastrophe ereignet hat, liefert entweder der Cockpit Voice Recorder oder die sogenannte Flight Data Acquisition Unit (FDAU), also der Flugdatenschreiber, die entscheidenden Informationen, um die Absturzursache herauszufinden.
Cockpit Voice Recorder
So konnte man bei früheren Abstürzen, die durch Abschüsse durch Militärs, Unwetter oder Ausfälle wichtiger Systeme verursacht wurden, die schrecklichen letzten Gesprächs-Minuten aus dem Cockpit auf den vom Voice Recorder gespeicherten Aufzeichnungen hören. Allein aus den letzten Sätzen der Besatzung konnten die Absturzaufklärer dabei wichtige Informationen ziehen.

©Kroll Ontrack Deutschland
Je nach Ausführung und Hersteller der Black Box werden die Gespräche im Cockpit inklusive aller Nebengeräusche auf Magnetbändern oder Speicherchips mit einer Kapazität von jeweils 30 bis 120 Minuten gespeichert. Allerdings werden die Gespräche, sobald das Ende der Aufnahmezeit erreicht wurde, permanent vom Anfang her wieder überschrieben, sodass immer nur die letzten aufgenommenen Soundfiles den späteren Ermittlern zur Verfügung stehen(diese Vorgehensweise ähnelt also der von Dashcams).

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Wenn der Voice Recorder analog, also mit einem Magnetband, bestückt ist, werden die aufgenommenen Daten während des Fluges stückweise in ein digitales Format konvertiert, so dass immer die letzten Minuten digital vorhanden sind. Aus diesem Grund können auch immer nur maximal die letzten zwei Stunden eines Fluges abgehört und analysiert werden, denn das digitale Material wird, wie bereits erwähnt, systembedingt ständig neu überschrieben. Grundsätzlich beginnt die Aufzeichnung des Geräts immer bereits vor dem Start und endet erst dann, wenn die gesamte Crew das Flugzeug verlassen hat.
Flight Data Acquisition Unit
Die zweite Komponente ist der eigentliche Flugdatenschreiber. Er speichert mindestens 25 Stunden lang die wichtigsten Systemdaten eines Fluges, die von den vielen Sensoren einer Passagiermaschine geliefert werden. Die Sensoren erfassen dabei alle wichtigen Daten, von der jeweiligen Flughöhe und -geschwindigkeit bis hin zur eingeschlagenen Richtung oder der jeweiligen Rotorengeschwindigkeit der Turbinen. Moderne SSD-Chipskönnen bis zu 700 verschiedene Systemwerte speichern. Ermittler nutzen das aufgezeichnete Material einer Black Box später, um soviel wie möglich über den Flugverlauf vor dem eigentlichen Unglück zu erfahren.
Wenn in einer Passagiermaschine der Strom ausfällt, ist die Black Box so ausgelegt, dass sie sich automatisch von allen elektrischen Systemen der Maschine trennt. Ab diesem Zeitpunkt schaltet sich nicht nur die eingebaute Notstromversorgung in Form einer Batterie ein, die Black Box sendet auch rund um die Uhr ein Notsignal. Dieses Signal ermöglicht so den Rettungskräften oder Ermittlern, nach einem Flugzeugabsturz die Black Box auch in unzugänglichen oder großen Gebieten, wie z.B. einem Ozean, zu finden. Allerdings nur so lange, wie der Strom im Akku reicht.
Herstellerspezifische Datenrettung nötig
Ist die Black Box schließlich gefunden, beginnt die Arbeit von spezialisierten Datenrettern. Im Gegensatz zu früher ist hier der Aufwand seit einigen Jahren deutlich gestiegen. Denn waren es in den Anfängen auch bei der Datenspeicherung einer Black Box Magnetbänder, die zum Einsatz kamen, so sind es heute neben Festplatten überwiegend die modernen SSD-Speicher, die wegen ihrer Schnelligkeit beim Speichern eingesetzt werden. Während die meisten Festplatten kaum eine Herausforderung für Datenrettungsspezialisten wie beispielsweise von Kroll Ontrack darstellen, können SSDs schon für allerlei Schwierigkeiten sorgen.
Denn die SSDs werden in der Regel direkt auf den Leiterplatten der Geräte neben allen anderen elektronischen Komponenten verdrahtet. Dies führt dazu, dass die Fehleridentifizierung und Reparatur deutlich komplexer ist als bei einer austauschbaren Festplatte.
Zunächst werden die Leiterplatten (printed circuitboards /PCBs) und Chipsätze vorsichtig entfernt. In einem besonderen Prüfstand können sie anschließend mit spezieller Analysesoftware der jeweiligen Black-Box-Hersteller überprüft werden. Datenrettungs-Ingenieure müssen dabei entweder alle beschädigten Speicherkarten reparieren oder „nur“ die Tracing-Daten, die von einem Chip zum anderen repliziert werden,wiederherstellen, um an die Daten heranzukommen. Jeder Fall ist dabei anders und hat unterschiedliche Herausforderungen. Dies hängt davon ab, wie groß der physikalische Schaden bei der Black Box ist und welcher Grad an Datenverschlüsselung eingesetzt wurde. Denn obwohl es nur eine Handvoll Hersteller dieser Geräte gibt, setzt nicht nur jeder eine spezielle Verschlüsselung ein, sondern auch spezielle Dateiformate für die Speicherung. So ist der permanente Austausch zwischen Datenrettern und Herstellern eine weitere wichtige Grundlage für den Erfolg.
Grundsätzlich wird dabei an den aus der Black Box entnommenen Speichern – egal ob Magnetband, Festplatte oder SSD –nicht direkt gearbeitet. Nachdem, wenn vorhanden, ein mechanischer Schaden beseitigt wurde und die Speicher ansprechbar sind, werden 1:1-Kopien angefertigt und auf die Server des Datenrettungsunternehmens kopiert. Erst dann werden die Daten entschlüsselt und extrahiert. Da auch bei Flugschreibern Daten in komplexen Strukturen gespeichert werden, können nur Ingenieure mit dem richtigen Maß an technischem Know-how und der Fähigkeit, sich ein umfassendes Bild aus verschiedenen, miteinander verwobenen Datenquellen zu machen, eine solch komplexe und anspruchsvolle Arbeit erfolgreich bewältigen.
Arbeit der Datenretter als Grundlage der Absturzanalyse
Die Arbeit an solchen sensiblen Projekten stellt Datenrettungsingenieure vor weitere Herausforderungen. Schließlich müssen die Ergebnisse unter Umstände auch vor Gericht, z.B. bei Schadensersatz-Klagen, Bestand haben. Die Datenrettung von Flugschreibern umfasst deshalb auch immer ein ausführliches Reporting und eine Dokumentation aller geretteten Daten.
Für die Aufklärung von Flugzeugkatastrophen sind die Flugschreiber auch in Zukunft von unschätzbarem Wert. Daran ändern auch aktuelle Tests mit Satelliten-gesteuerter Datenübertragung zwischen Passagierflugzeugen und den verschiedenen Flugüberwachungsstationen auf der jeweiligen Flugroute nichts. Bei rund 30,5 Millionen Flügen jährlich kämen so große Datenmengen zusammen, dass die Verwaltung und Speicherung des Materials schlicht zu aufwendig und viel zu teuer käme.