Bereits im Jahr 2011 kursierten erstmals Gerüchte, Apple würde zumindest für einen Teil seiner Notebooks den Umstieg von der Intel- auf die ARM-Plattform planen. Zu der Zeit gab es jedoch noch keine 64-Bit-Chips auf ARM-Basis, in der Leistung hinkten sie noch weit hinterher. Die Jahre vergingen ohne ARM-Macbook. Doch jetzt nehmen die Spekulationen wieder Fahrt auf, nicht zuletzt angeheizt durch Apple selbst.
In unserer Trendstory zur Apple-Hardware 2015 hatten wir bereits im Januar berichtet, dass ein ARM-Macbook technisch allmählich möglich wäre, Apples Chips der A-Reihe boten schon zum Jahreswechsel eine Leistung, die für Notebooks ausreichen würde. Das Problem, damals wie heute, besteht bei der Software. Apple selbst hätte OS X für ARM sicher am Tag der Ankündigung eines erneuten Plattformwechsels fertig, auch die eigenen Programme stünden vom Tag 1 an bereit. Dritthersteller müssten ihre Programme jedoch anpassen, was wie schon beim Umstieg auf die Intel-Plattform im Jahr 2006 und mehr als 10 Jahre zuvor beim Wechsel von 68k auf PowerPC einige Zeit in Anspruch nahm. Bisher hielt sich Apple an unsere Prognose und brachte ein 12-Zoll-Macbook mit der stromsparenden CPU Core M von Intel heraus und kein ARM-Macbook. Das iPad Pro ändert aber die Situation und könnte der erste Hinweis darauf sein, dass Apple Intel als Prozessorlieferanten für Mobilrechner wieder aufgibt. Andererseits ist das iPad Pro das erste ARM-Notebook von Apple, nur läuft es nicht mit OS X, sondern mit iOS 9. Was aber gewiss kein Fehler ist.
Desktop-Leistung mit dem Tablet
Das iPad Pro soll schon heute schneller sein, als 80 Prozent aller Notebooks, behauptet Apple. Die CPU A9 arbeitet noch einmal 1,8 mal schneller als der Vorgänger A8X, seit dem Original-iPad aus dem Jahr 2010 habe Apple die CPU-Leistung um den Faktor 22 gesteigert, die Leistung der Grafik sogar um das 360fache. “Das ist Desktop-Leistung” jubelt daher Phil Schiller, der betont, dass die 5,6 Millionen Pixel auf dem 12,9-Zoll-Display des iPad Pro sogar noch mehr sind als die fast 5,2 Millionen Pixel des Macbook Pro Retina 15 Zoll. Zum iPad Pro liefert Apple optional noch eine Tastatur mit, deren Preis von 170 Euro sollte man aber auf alle Fälle beim Vergleich mit einrechnen: Das iPad Pro mit 128 GB kostet aber auch dann kaum mehr als die Hälfte des Preises des Macbook Pro Retina 15 Zoll mit jedoch 256 GB SSD und 16 GB RAM. Unter den verbleibenden 20 Prozent Notebooks, die eine bessere Performance als das iPad Pro liefern, sollten aber auch alle aktuellen Macbooks, Macbook Air und Macbook Pro liegen …
Reichhaltiges Softwareangebot für alle Zwecke
Und die Software? Die könnte sogar ein noch entscheidenderer Grund für die Anschaffung eines iPad Pro anstatt eines Macbook (Pro) sein. Rund eine Million Programme stehen für iOS-Geräte bereits zur Verfügung, mehrere hunderttausend sind bereits für das iPad angepasst und lassen sich auch unproblematisch für das iPad Pro optimieren. Eine Auswahl, von der Mac-Anwender seit über 30 Jahren vergeblich träumen! Nicht von ungefähr hat Apple auf der Keynote in der letzten Woche auch gleich Microsoft und Adobe Lösungen vorstellen lassen, die dank Unterstützung für den Apple Pencil ideal für das iPad Pro sind. Dank der Kooperation mit IBM kommen auch immer mehr Unternehmenslösungen auf das iPad, von denen Mac-Anwender ebenfalls seit Jahrzehnten träumen oder sie seit dem Intel-Umstieg vor einer Dekade in einer Virtualisierung oder sogar nativ mit Windows auf dem Mac ausführen.
Für Speicherhungrige oder auf großen Arbeitsspeicher und CPU-Leistung angewiesene Programme ist das iPad Pro freilich kein Macbook-Pro-Ersatz, zumal das iPad Pro mit dem Lightning-Anschluss gewissermaßen noch weniger Schnittstellen für Peripherie anbietet als das 12-Zoll-Macbook mit seinem USB-3.0-Port. Für Audio-Recording und Videoschnitt ist das iPad Pro allenfalls eine Ergänzung, aber dafür täte es auch ein iPad Air 2 oder gar ein iPad Mini 4.

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Vorhut für den Wechsel oder weiterer Parallelbetrieb
Ist das iPad Pro aber nun tatsächlich die Vorhut für Macbooks mit ARM-Chip oder werden beide Plattformen mit iOS einerseits und OS X andererseits nebeneinander her bestehen? iOS für Touch, OS X für die Bedienung nur mit Maus/Trackpad und Tastatur? Das wäre eine vernünftige Unterscheidung, Microsoft zeigt ja gerade, was mit einem vereinheitlichten Betriebssystem für beide Ansätze geht und was nicht. Bleibt die Frage, ob der Umstieg für OS X auf die ARM-Basis Sinn ergeben werde. Die Unterschiede der beiden Betriebssysteme sind nicht so gewaltig, Apple hat zuletzt zwar nicht an ihrer Vereinheitlichung gearbeitet aber zumindest eine Art von Feature-Gleichstand herbei geführt. Für Entwickler würde sich die Frage stellen, aus welcher Richtung sie ihre Lösungen für ein hypothetisches ARM-Macbook anpassen würden. Aus der iOS-App die Touchfähigkeit herauslösen? Kaum denkbar! Eine OS-X-App für den anderen Prozessor neu kompilieren? Wohl nicht so anspruchsvoll, aber das ist ja das Problem bei OS X: Das Softwareangebot hinkt dem für iOS deutlich hinterher.
So wird Apple vorerst zweigleisig fahren, ein Macbook mit Touchscreen, das sowohl mit OS X als auch mit iOS booten könnte, wäre nur ein Kompromiss, auf den sich Apple nicht einlassen wird. Im Gegenteil wird der Mac-Hersteller mit immer leistungsfähigeren iPad (Pro) die Hersteller von Low-End- und Mittelklasse-Notebooks vor sich her treiben und mit seinen eigenen Macbooks das High-End-Segment des mobilen Computings bedienen.