Für iPhone-Enthusiasten ist es fast wie Weihnachten: Apple hat das neue iPhone 6S gebracht und man muss es natürlich sofort und am besten noch als erster haben. Zwar sind die Zeiten längst vorbei, als die enttäuschten Kunden zumindest in China einen Apple Store mit Eier beworfen haben , aus Wut und Enttäuschung, dass sie kein Gerät mehr bekommen haben. Doch auch hierzulande kommt es vor, dass selbst in den größten Apple Stores die neuen iPhones am ersten Verkaufstag bereits gegen Mittag ausgehen. Der Rest der Schlange guckt in die Röhre und muss sich auf den nächsten Tag oder mit einem Mobilfunkanbieter vertrösten lassen.






©Nikolaus Netzer

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Sommercamp-Stimmung für die Fans
Nicht anders sieht es auch in diesem Jahr aus. Als erster war quasi der Berliner Apple Store “belagert”. Der 47-jährige Soldat Helge Bruhn kampiert dort seit letzter Woche. In München , Frankfurt und Düsseldorf sind die Fans ebenfalls nachgezogen. Für die meisten geht es um das Gemeinschaftserlebnis: Das Treffen mit Freunden und Gleichgesinnten in Sachen Apple und iPhone aus anderen Gegenden, die man sonst nicht treffen würde – so zumindest begründet Helge Bruhns Macwelt gegenüber seinen Einsatz vor dem Apple Store. Weitere Gründe sind die traditionelle Vernetzung der Apple-Jünger noch aus den Zeiten als man sich als Underdog zusammeschloss, der fortwährende Hype um jedes neue iPhone, aber auch mangelnde Verfügbarkeit neuer Geräte sorgt für die langen Schlangen in den Innenstädten rund um den Globus.
Wegen der großen Menschen-Massen und des neuen Produkts sind auch Mikrofone und Kameras großer wie kleiner Medien auf die Stores gerichtet. Es gibt die obligatorische La-Ola-Welle der Apple-Mitarbeiter, die Nahaufnahmen von den iPhone-Stapeln, glückliche Kunden, die die neuen Geräte in den Händen halten und natürlich ein Interview mit dem ersten Käufer, der aus dem Store mit dem neuen iPhone 6S herausspaziert. Und wenn die vielen Medien eh schon da sind, sehen viele Firmen im Verkaufsstart Möglichkeiten für eigenes Windschatten-Marketing – elegant in die Berichterstattung eigenes Logo platziert sollte dies der besseren Wahrnehmung der eigenen Marke dienen. Manche Firmen machen es ganz einfach: Ist die Schlange lang genug, erscheinen Helfer und verteilen Kaffee, Brötchen, Äpfel, andere Snacks oder mal auch die Decken mit einer Firmenschrift. Hauptsache, die Helfer sind in den Firmen-Farben gekleidet und mit Firmen-Logos ausgestattet.
Andere machen es auf die harte Tour und schicken die eigenen Mitarbeiter gleich als Camper vor die Stores. So hat es 2013 eine Reparatur-Firma in München gemacht: Zwei Mitarbeiter haben sich ganz nach vorne gestellt und gleich nach der Eröffnung mehrere iPhones gekauft. Das obligatorische Interview gab es auch . Wer seine Mitarbeiter nicht fünf bis sieben Tage entbehren kann, macht es schlauer: Man tritt an die Menschen, die eh schon in der Schlange stehen und versorgt diese mit eigenen gebrandeten Waren. So war es zum Beispiel im vergangenen Jahr zu der Kooperation zwischen Helge Bruhn und einem Mobilfunk-Provider gekommen. Zwei Monate vor dem Verkaufsstart hatte Bruhn einen Vertrag bei dem Anbieter unterschrieben und dabei auf Twitter den Social-Manager der Firma kennen gelernt . Als er dann in der Schlange stand, wurde die Kooperation ausgemacht, der Provider hat Bruhn daraufhin einige Sachen mit großem Firmen-Logo zur Verfügung gestellt . Diese nutzt Bruhn übrigens noch heute.
Ähnlich läuft es in diesem Jahr auch ab: Die ersten in der Schlange werden frenetisch von den Store-Mitarbeitern, Mitstehern und Medien gefeiert. Bejubelt wie die Sportler sehen sie zunehmend wie diese aus, mit Logos, in schrillen Farben werden sie zu einer Werbefläche für die Firmen.
Zur Frage, wie weit die Schlangen vor den Apple Stores dem Marketing dienen, haben wir einen Experten befragt. Prof. Dr. Joost van Treeck unterrichtet an der Hochschule Fresenius in Hamburg Wirtschaftspsychologie. Hier sein Kommentar:

©Hochschule Fresenius
„Bei solchen Tricks handelt es sich um ein sogenanntes Ambush-Marketing, so heißt das, wenn sich ein Unternehmen die Events und Veranstaltungen eines anderen Unternehmens zu Nutze macht. In manchen Fällen, wie zum Beispiel bei der Mario-Götze-Vorstellung bei FC Bayern sind solche Maßnahmen illegal . Im Fall von Apple könnte das Unternehmen dies gar nicht unterbinden, denn es würde damit in die Persönlichkeitsrechte der Käufer eingreifen. Maßnahmen, wie zum Beispiel einen Menschen in der Schlange auszumachen und ihn mit einem Pulli mit dem eigenen Logo auszustatten, ergreift man eher mit einem Augenzwinkern. Es ist natürlich nett, aber solche Tricks sind nur wenig effektiv: Wenn da ein einzelner Mensch aus der iPhone-Schlange in dem Pulli mit dem Logo zufällig in der medialen Berichtserstattung auftaucht, wird das die Zahlen bei Vertragsabschlüssen nicht steigern. Dies erhöht natürlich etwas die Sichtbarkeit der eigenen Marke, ist ein nettes Product-Placement, spielt jedoch bei der Marketing-Strategie einer großen Firma nur eine Nebenrolle.
Die Rolle von Apple
“Ganz anders sieht es hier für Apple aus. Anfang des Jahres war in der Werbe-Fachpresse eine Meldung erschienen, die neue Marketing-Chefin Angela Ahrends werde in Europa – oder zumindest in Deutschland – die Schlangen vor den Stores abschaffen . Denn Apple hat einen Einfluss auf diese Schlagen am ersten Verkaufstag. Bei den iPhones 3G und 3GS konnte man noch nachvollziehen, dass die Geräte nicht in genügend hohen Stückzahlen produziert werden konnten und die Menschen sich in Warteschlangen einreihen mussten wie zu DDR-Zeiten für Bananen. Mittlerweile sind die Logistik und die Produktion bei Apple so weit fortgeschritten, dass sie auch große Nachfrage abdecken können. Jeder iPhone-Erstverkaufstag ist ein fein ausbalanciertes Spiel von Apple, um die Attraktivität der neuen Geräte und eine gewisse Unnahbarkeit zu zeigen. Es wird eine künstliche Verknappung erzeugt. So hat mir ein Student seine Erfahrungen von der Schlange in Hamburg im letzten Tag erzählt. Er hatte in der Schlange angestanden, die neuen iPhones 6 waren jedoch ausverkauft, kurz bevor er in den Store gehen durfte. Seiner Meinung hätte Apple sehr wohl gewusst, wie viele iPhones noch im Lager waren und die Leute vorwarnen können. Darüber hat er sich bei dem Geschäftsführer beschwert und am Abend des selben Tages noch das begehrte Gerät erhalten. Denn Apple verdient Geld nicht mit den Leuten, die vor den Stores campieren, sondern mit Geräten. Sie wissen, wenn ein Kunde zu lang warten muss, kauft er sich womöglich ein Samsung.”