Das Synonym für Männermagazine mit erotischen Inhalt ist wohl immer noch der “Playboy”, auch wenn dieser inzwischen online und in seinen Magazinen auf vollständige Nacktheit verzichten will. Doch wenn Männer darin blättern, suchen sie natürlich auch geistige Anregung… Und tatsächlich sind die ausführlichen Interviews des “Playboy” mit bekannten Persönlichkeiten auch jenseits elementarer Instinkte berühmt und beliebt. Diesmal findet sich in der US-Onlineausgabe ein Interview mit Ray Kurzweil (68). Kurzweil hat schon in frühen Jahren an Spracherkennung, Text-to-Speech-Programmen und künstlicher Intelligenz gearbeitet, berühmt ist er auch für seine Entwicklung des Synthesizers mit Namen ” Kurzweil K250 “, zu dessen Fans etwa Stevie Wonder, Eric Clapton und der gerade verstorbene Prince zählten.
Im Playboy-Interview mit David Hochman äußert sich der Erfinder, Ingenieur und Buchautor (“Menschheit 2.0: Die Singularität naht”) sowie Google-Chefingenieur, der beim Suchmaschinenkonzern mit mehr als 40 Mitarbeitern forscht, über Zukunftsthemen wie die “Singularität” der künstlichen Intelligenz, Nanobots und die Möglichkeit, durch rasanten medizinischen Fortschritt ab 2045 praktisch unsterblich zu sein. Schon ab etwa 2029 rechnet der Vordenker damit, dass durch neue Technologien ein Jahr Lebenszeit zu jedem Jahr zur verbleibenden Lebenserwartung hinzugefügt werden könne. Im selben Jahr glaubt Kurzweil, werde es erste Computer mit nichtbiologischer Intelligenz geben, die sich von menschlicher Intelligenz in einer Unterhaltung nicht mehr unterscheiden lassen und so zweifelsfrei den Turing-Test bestehen. Die “Singularität” der künstlichen Intelligenz sagt der Computerspezialist für 2045 voraus – dann werde nichtbiologische Intelligenz erstmals diejenige der Menschen überschreiten, womöglich mit Bewusstsein ausgestattet sein (obwohl Kurzweil einräumt, dass bisher noch keine klare Definition für dieses Phänomen gefunden wurde) und in seiner positiven Sicht der Menschheit beiseite stehen. Auch andere Forscher, zum Beispiel Steven Hawking, und IT-Persönlichkeiten wie Bill Gates rechnen mit einer Singularität, befürchten aber im Unterschied zu Kurzweil negative (dystopische) Konsequenzen daraus und suchen nach Wegen, dieses Ereignis im Ansatz zu verhindern.
Nanobots machen Sapiens noch verständiger
Prinzipiell unbegrenztes Leben und durch nicht-invasive Kombination mit dem Neokortex (Teil der Großhirnrinde ) auch erhöhte Intelligenz hofft Kurzweil vor allem durch die schon erwähnten Nanobots zu erreichen, die das menschliche Immunsystem unterstützen und verbessern sollen, etwa durch nicht-biologische T-Zellen. Schon ab 2030 sollen Nanobots im Blutkreislauf wirksam sein und pathogene Zellen inklusive Tumorzellen zerstören sowie DNA-Replikfehler reparieren. Dadurch werde der Alterungsprozess umgekehrt. Nicht alles, was Kurzweil vorhersagt, klingt wie pure Science Fiction. Für viele seiner Prognosen gibt es nach seinen Worten schon aktuelle Forschungen und Ergebnisse. Er selbst will sich jedenfalls nach mit seinem natürlichen Tod einfrieren lassen, um voraussichtlich 2040 wieder zu Bewusstsein erweckt zu werden und von den dann bestehenden Lebensverlängerungsmaßnahmen profitieren zu können – schon jetzt schluckt Kurzweil jede Menge Pillen und stellt seine Ernährung so ein, dass er den Zeitpunkt seines Todes möglichst weit hinauszögern kann.
Avatare machen uns jünger und attraktiver
Selbstverständlich befragt ihn der Playboy – wenn nicht dieses Magazin, welches sonst?! – auch nach der Art, wie sich Sex in Zukunft entwickeln und anfühlen werde. Hier verweist Kurzweil darauf, dass schon in der Simulation Second Life die Suche nach virtueller Sexualität eine große Rolle spielt. Zukünftig, so glaubt er, werde es Begegnungen im dreidimensionalen virtuellen Raum geben, auch sexueller Art, in dem man auch andere Gestalten seiner selbst (Avatare) annehmen kann, zum Beispiel jüngere und attraktivere. Über die Nanobots, die das Gehirn mit einer speziellen Cloud verwenden, könnten ab 2030 Signale direkt an den Neokortex gesandt werden und physische Sensationen auslösen, die Begegnungen auch sexueller Art völlig real erscheinen ließen.
Ray Kurzweil äußert sich über viele weitere Themen wie Google, Bio-Terrorismus, die Zukunft des Geldes und seinen eigenen vergangenen Drogenkonsum. Ob und welche seiner Vorhersagen real werden, lässt sich naturgemäß schlecht prognostizieren. Immerhin ist er kein abgehobener Futurologe, sondern arbeitet bei Google an milliardenschweren und konkreten Projekten. Die Kollegen von Chip haben in ihrem aktuellen Print-Magazin (5/2016) unter dem Titel “Welcome to the Machine” im vierten Teil ihrer KI-Serie das Thema Singularität und die Thesen von Kurzweil auf mehreren Seiten (S. 48 ff) in lesenswerter Weise verarbeitet. Das Interview mit Kurzweil findet sich online bei Playboy.com .