Videoüberwachung zählt wohl zu den interessantesten Anwendungsgebieten der Heimautomatisierung: Dedizierte Überwachungslösungen wie D-Links Omna für Homekit bieten eine gute Chance, Einbrecher auf frischer Tat zu ertappen , eignen sich aber auch für allerlei andere Spielereien, etwa zum Überwachen des Nachwuchses oder des Haustiers. Allerdings sind derartige Geräte teuer und deshalb nicht unbedingt für die „kleine“ Beobachtung zwischendurch geeignet: Wer zum Beispiel nur ab und zu nachsehen möchte, was der Hund oder die Katze in Herrchens Abwesenheit treiben oder einfach gelegentlich seinem Nachwuchs im Nebenraum beim Schlafen zusehen will, dürfte kaum Lust haben, für über 200 Euro Homekit-Zusatzhardware anzuschaffen. Das muss aber auch nicht sein: Mit den richtigen Apps lassen sich iPhone, iPad, iPod Touch und Mac als „kleine“ Überwachungslösung, Babyvideofone oder Nanny-Cam missbrauchen.
Die Webcam an Bord
Grundsätzlich sind nämlich sowohl iOS-, als auch macOS-Geräte bereits ab Werk für die Überwachung der eigenen vier Wände ausgestattet: Sie alle besitzen eine (oder sogar zwei) eingebaute Kameras. Beide Geräteklassen verfügen über eingebaute Mikrofone, die Umgebungsgeräusche aufnehmen können. Auch eine aufwändige Einrichtung entfällt, weil sie ohnehin per WLAN ans Heimnetz angebunden sind. Technisch gesehen entspricht das weitestgehend dem, was auch dedizierte Standalone-Kameras leisten. Zumal die „Webcams“ in Apple-Geräten selbst bei schlechtem Licht eine durchaus brauchbare Performance abliefern. Mit den richtigen Apps können die Geräte dann als Webcam verwendet werden.
Das richtige Szenario planen
Grundsätzlich gilt: Vor dem Einsatz einer App sollten Sie planen, was Sie überhaupt überwachen möchten – und von wo aus. Grundsätzlich eignen sich mobile Geräte, also iPhone, iPad und iPod Touch sowie das Macbook, aufgrund ihrer Flexibilität deutlich besser für die Raumüberwachung als zum Beispiel ein iMac. Schlicht, weil sie sich wesentlich flexibler positionieren lassen. Wichtig ist auch, ob Sie nur innerhalb Ihres WLAN-Netzwerks „überwachen“ wollen, etwa in Form einer Art Babyfon – oder ob Sie auch von außen auf dem Kamera-Stream zugreifen möchten. Das ist leider nur bedingt möglich, da Apple hier eine Reihe technischer Sperren verbaut hat, die den Fernzugriff blockieren können. Theoretisch möglich ist es aber immer – wenn Sie ein VPN auf Ihrer FritzBox (oder einem anderen Router) einrichten: Wenn Sie sich von unterwegs mit einem VPN verbinden, haben Sie den gleichen Zugriff auf Ihre Endgeräte, als wären Sie zuhause. Als Sicherheitslösung taugen die Geräte aber nicht: Sie sind selber Diebesgut und noch dazu kaum so diskret aufstellbar wie zum Beispiel eine Webcam – Feinheiten, die Sie bei der „Planung“ berücksichtigen sollten, um nicht später eine böse Überraschung zu erleben.
Kostenlose Heimüberwachung mit Presence
Gerade iOS-Geräte bieten sich an, um schnell im Haus oder einem anderen Zimmer nach dem Rechten zu sehen. Wer im App Store nach „Videoüberwachung“ sucht, findet hier reihenweise Apps, die jedoch teilweise minderwertige Qualität aufweisen. Viele Lösungen verlangen zudem eine Registrierung und verursachen Kosten in Form von Zeiteinheiten. Allerdings gibt es auch Perlen: Kostenlos verfügbar und in der Praxis ausgesprochen nützlich ist die App Presence für iOS- und Android-Geräte: Die Gratis-Version muss einfach auf iPhone und iPad installiert werden. Die Konto-Einrichtung besteht nur aus der Erstellung eines Benutzernamens und eines Passworts, damit sich die Geräte finden. Nach der Anmeldung auf beiden Geräten kann es auch schon los gehen: Stellen Sie zum Beispiel das iPad als Webcam auf und verbinden Sie sich mit dem iPhone. Das ist auch problemlos per Internet möglich. Praktisch: Die App verhindert, dass das als Webcam verwendete Gerät in den Sleep-Modus wechselt, ermöglicht aber gleichzeitig das Abschalten des Bildschirms, wodurch ein diskreter Betrieb möglich ist. Daher sollten Sie aber auch nicht vergessen, den Strom anzuschließen. Presence verdient sein Geld mit Security-Packs, also dem Verkauf einer Heimüberwachungs-Infrastruktur aus Webcams, Sensoren und so weiter, wodurch die App gratis ist und bleibt. Die iOS-Überwachung ist sozusagen nur eine Nebenfunktion des eigentlichen Produkts.

Puristisch: Instant-Webcam
Der Vorteil einer Lösung mit Benutzerkonto ist die umstandslose Erreichbarkeit von unterwegs, allerdings dürfte vielen Anwendern nicht ganz wohl dabei sein, denn theoretisch könnte der Anbieter natürlich auf die Kamera-Daten zugreifen. Besser sind daher im Zweifel Lösungen, deren Daten im heimischen Netzwerk bleiben. Besonders einfach und effektiv ist hier die App Instant-Webcam , die allerdings 2,29 Euro kostet: Die müssen Sie nur auf dem iPhone oder iPad installieren und anschließend starten. Instant-Webcam zeigt die Netzwerk-Adresse des iPads an, auf die Sie sich dann mit jedem anderen Gerät im Browser verbinden können: Das Bild der iPad/iPhone-Kamera wird sofort angezeigt, Ton inkusive. Damit eignet sich die App perfekt, um ein iOS-Gerät schnell in eine WLAN-Webcam für den hausinternen Gebrauch zu verwenden. Und per VPN-Verbindung klappt das sogar von außerhalb. Allerdings hat Instant-Webcam einen Nachteil: Die Verbindung ist nicht geschützt, wodurch jeder User im Netzwerk auf den Stream zugreifen kann.

Preiswert: Wi-Fi Camera
Eine preiswerte Alternative zu Instant-Webcam ist die App WiFi Camera für 0,49 Euro: Eigentlich als Fernauslöser-App gedacht, mit der sich zum Beispiel ein iPhone via iPad auslösen lässt, hat sie auch gleich eine Video-Funktion integriert. Das bedeutet: Das eine Endgerät sieht, was das andere sieht, ganz einfach. Die kleine App muss dafür nur auf beiden Geräten installiert und gestartet werden, anschließend finden sich die Geräte gegenseitig. Bei Bedarf können dann natürlich auch hochauflösende Standbilder geschossen werden. Praktisch: Die Verbindung ist auf kurze Strecke sogar via Bluetooth möglich, was natürlich hauptsächlich für die Kernfunktion der App, den Fernauslöser, sinnvoll ist.


Vollwertige Überwachungslösung: AirBeam Pro
Natürlich geht es auch weit komplexer: Die App AirBeam HD bietet im Grunde alles, was für den Einsatz eines iOS-Geräts als Webcam nötig ist: Die 4,49 Euro teure App streamt das Videobild wahlweise zwischen zwei iOS-Geräten oder per IP-Verbindung auf einen beliebigen Browser und verbindet damit die Vorteile von Instant-Webcam und Wi-Fi-Cam. Doch AirBeam Pro kann weitaus mehr: Neben einer Bewegungserkennung erlaubt die App zum Beispiel auch das Abschalten des iOS-Bildschirms. Eine Gegensprechanlage ist ebenfalls integriert – perfekt, um zum Beispiel den Hund daran zu hindern, auf’s Sofa zu klettern.
Die App erlaubt zahlreiche manuelle Einstellungen, darunter praktische Kleinigkeiten wie das Ein- und Ausschalten des Autofokus oder eine Bewegungserkennung. Der Stream lässt sich optional per Passwort schützen und kann ganz einfach von anderen Geräten im heimischen Netzwerk aus im Browser aufgerufen werden. Die Aufnahmequalität von Ton und Bild sind steuerbar und bei Bedarf können Aufnahmen bequem in der Dropbox gespeichert werden. Der Clou: Die App ist auch für MacOS zu haben – und verwandelt damit auch den Mac in eine Überwachungs-Lösung.

Den Mac zur Heimüberwachung nutzen
Um den Mac als Überwachungskamera zu verwenden, müssen Sie nur kleines Geld investieren: Mit der App SafeHomeCamera können Sie die Webcam des Macs zur Heim-Überwachung oder zum Beobachten von Haustieren oder Kindern verwenden: Die Mac-App ist kostenlos, um diese jedoch effektiv zu nutzen, müssen Sie noch auf Ihrem iDevice den zugehörigen SafeHomeViewer für 1,09 Euro installieren. Dann kann es auch schon los gehen: Das iPhone verbindet sich via IP oder QR-Code mit der Kamera, anschließend haben Sie das Bild der Mac-Webcam im Blick. Allerdings kann die App den Rechner nicht aus der Ferne aufwecken – er muss also so eingestellt sein, dass er nicht in den Sleep-Modus geht.


Mit Facetime nach dem Rechten sehen
Es gibt übrigens noch eine deutlich effektivere, kostenlose Methode ohne Apps, um den Mac in eine Überwachungskamera zu verwandeln: Sie müssen dafür Facetime „hacken“, wobei der Begriff wohl zu streng gefasst ist. Eine geheime Einstellung der Videotelefonie-Software erlaubt nämlich das automatische Annehmen von Anrufen bestimmter Apple-IDs auf dem Mac. Konkret bedeutet das, dass Sie Ihren Mac ganz einfach von unterwegs per Facetime anrufen können, um auf das Webcam-Bild zuzugreifen. Zunächst müssen Sie dafür die automatische Anrufannahme aktivieren. Öffnen Sie dafür ein Terminal-Fenster und geben Sie hierdefaults write com.apple.FaceTime AutoAcceptInvites -bool YES
ein. Bestätigen Sie mit der Eingabetaste.
Anschließend müssen Sie Facetime noch sagen, dass es nur auf bestimmte Anrufe auf diese Weise reagieren soll. Geben Sie daherdefaults write com.apple.FaceTime AutoAcceptInvitesFrom -array-add apple@id.com
ein, wobei Sie „apple@id.com” durch Ihre Apple-ID ersetzen.
Wenn Sie sich jetzt selbst per Facetime anrufen, klingelt es auf dem Mac – der sofort selber ran geht. Sie sehen anschließend, was die Webcam des Macs sieht, auch von unterwegs, denn Facetime funktioniert praktischerweise auch im Mobilfunknetz. Leider reagieren nur neuere Macbook Pro ab Modelljahr 2015 auf die Anrufe, wenn sie im Sleep-Mode sind – andere Macs müssen anders geweckt werden.
Was tun gegen den lausigen Sleep-Mode?
Zum Glück gibt es Mittel und Wege, das Problem zu umgehen und den Mac zu wecken, sobald Facetime oder eine App wie SafeHomeCamera anklopfen. Wie? Nun: Die einfachste Variante ist wie gesagt, ein halbwegs aktuelles Macbook Pro zu besitzen. Die sogenannten Enhanced Notifications von Apple können das Gerät bei Bedarf aus bei eingehenden Anrufen aus dem Tiefschlaf wecken . Wenn Sie einen älteren Mac oder ein anderes Modell haben, gibt es aber auch hier Möglichkeiten: Falls Sie eine Airport-Station als WLAN-Quelle verwenden, kann diese dank des Bonjour Sleep Proxys den Mac ebenfalls für Facetime wecken. Dafür müssen Sie in den Systemeinstellungen unter „Energie sparen“ im Tab „Netzteil“ den Haken „Ruhezustand bei WLAN-Zugriffen beenden“ aktivieren. Das geht allerdings nur bei angeschlossenem Netzteil und wie gesagt, wenn eine Airport-Station im Spiel ist. Der klassische Wake-on-LAN-Modus funktioniert natürlich auch, aber nur, wenn der Mac per Ethernet am Router angeschlossen ist.
Unter iOS muss die Webcam-App dafür sorgen, dass das iPhone, iPad oder der iPod Touch wach bleibt, alternativ können Sie unter Einstellungen -> Anzeige und Helligkeit die „Automatische Sperre“ auf „Nie“ setzen.
