Die WWDC war derart vollgepackt mit Updates für Software und Vor- wie Neuankündigung von Hardware, sodass Apple einige Themen außerhalb der Entwicklerkonferenz abhandelte. So gab der Mac-Hersteller etwa in der Woche vor der Keynote bekannt, dass man mittlerweile 70 Milliarden US-Dollar über den App Store an Entwickler ausgezahlt habe und dass Nachwuchsprogrammierer mit Swift Playgrounds nun auch einige Roboter und Drohnen von Drittherstellern steuern könnten. Ganz ohne eine eigene Pressemitteilung ließ Apple jedoch das Update auf Garageband 10.2 auf die Nutzer los. Dabei hat die neue Fassung allerhand in sich.
Neuer dezenter Look
Beim Start fällt bereits auf, dass sich Apple in der Neufassung des Einsteigerprogramms vom Skeuomorphismus verabschiedet, ein Prozess, der mit iOS 7 und OS X 10.9 Mavericks im Jahr 2013 begonnen hat und der immer noch nicht abgeschlossen ist. Der Startbildschirm, über den man vor allem neue, mit einigen Spuren vorkonfigurierte Projekte öffnet, zeigt jetzt nur noch Symbole von Instrumenten, Verstärkern und Mikrophonen und nicht mehr Abbildungen in 3D-Anmutung. Das neue Flatdesign zeigt sich auch anderswo im Erscheinungsbild von Garageband 10.2, wenn auch nicht immer so konsequent, siehe folgende Screenshots:




Optisch wenig verändert, dafür aber funktional erweitert, präsentieren sich die Smart Controls für echte und Software-Instrumente. Die virtuellen Verstärker, ihre Effekte und Einstellmöglichkeiten für die Kabinette bleiben unverändert, doch ist nun die Spureinstellung in diesen Bereich hinzugekommen, mit der man die Aufnahmequelle wie -lautstärke, Pegelsteuerung und Noisegate konfiguriert. Eine sinnvolle Ergänzung ist das allemal. Mehr Optionen bietet auch das Projektfenster oben an der Menüleiste. Bisher hatte man die Wahl, sich entweder die verstrichenen Takte oder die abgelaufene Zeit anzeigen zu lassen, kann man auf Wunsch auch beides im Blick behalten. Wir wollen ja unbedingt die Drei-Minuten-Grenze für unseren ESC-Beitrag einhalten, benötigen aber die Zählzeiten stets vor Augen…

Hilfreiche Touchbar
Von einer wesentlichen Neuerung in Garageband 10.2 profitieren bislang nur Nutzer des Macbook Pro von 2016 oder 2017: der Touchbar-Unterstützung. Gleich in vierfacher Weise dient die berührungsempfindliche Leiste dem Nutzer. Zum einen lässt sich per Fingerwisch schnell durch das Projekt gleiten, was zwar auch per Maus oder Trackpad möglich wäre, so aber präziser geht. In einem zweiten “Tab” der Touchbar kann man Parameter der Spur und des Sounds des darauf abgelegten Instruments steuern, hier erfordert es wohl ein wenig Gewohnheit, damit man diesen Zugang zu den Einstellungen wirklich schätzen lernt. Eine dritte Option bringt wesentliche Steuerelemente wie Pause/Play oder Aufnahme auf die Leiste, schnell schätzen Soloarbeiter die kürzeren Wege vom Computer zum (virtuellen) Instrument als sie mit der Maus möglich sind.
Der Knüller ist jedoch die vierte Option, die Touchbar bietet eine virtuelle Klaviatur. Gewiss, halbwegs anspruchsvolle Parts kann man nur mit einer externen Musiktastatur einspielen, die Musiktastatur war schon immer unzureichend. Und was die Klaviatur betrifft, ist die Lösung auf der Touchbar nicht optimal. Wir sehen zwar endlich weiße und schwarze Tasten und müssen nicht immer umdenken, welcher Buchstabe auf der Tastatur des Mac welchem Ton zugeordnet war, sondern können gleich loslegen. Nur sind die Tasten natürlich nicht besonders hoch und der Umfang von einer Dezime ist völlig unzureichend. Aber die Touchbar spielt ihre volle Stärke bei der Bedienung von Softwareinstrumenten der Art Drums und Percussion aus. Denn zuvor konnte man nur raten, welche Taste nun welche Trommel oder welches Becken ansteuert, die Touchbar zeigt mit kleinen Symbolen auf einen Blick das Schlagwerk an. Für Drummer, die ihre Rhythmen auch mit vier Fingern statt mit vier Gliedmaßen zu spielen vermögen, ein echtes Plus. Und für den weniger begabten Instrumentalisten immerhin die beste Möglichkeit, einen Grundbeat mit den richtigen Instrumenten einzuspielen, den man dann später in der Midi-Region noch bearbeiten kann. So macht die Touchbar Spaß!

Drums and Percussion in nie gekannter Harmonie
Die seit ein paar Jahren in Garageband (und auch in Logic) etablierten virtuellen Drummer sind für all diejenigen ein Gewinn, die bei der Eingabe von Schlagwerk sich ein wenig ungeschickter anstellen und die Möglichkeiten des Softwareinstruments bei weitem nicht ausschöpfen. Garageband bietet in den Drummerspuren Samples von 28 Drummern aus sechs Musikrichtungen, die in Klang (also Auswahl des Drumkits) und Stil anpassbar sind. Das geschieht aber nicht mit exakten Umstellungen von MIDI-Signalen, das wäre viel zu aufwändig. Stattdessen legt man mit Hilfe von Schiebereglern fest, wie komplex oder wie laut die ausgewählte Region der Drummerspur gespielt werden soll und welche Trommeln oder Becken respektive Percussioninstrumente auf welche Weise zum Einsatz kommen. Das ist schön und macht aus musikalischen Ideen, aus Licks und Riffs überhaupt erst vollwertige Songs. In Garageband setzt Apple aber noch eines drauf, Samples von drei Percussionisten der Stile Latin, Pop und Songwriter, die sich ebenso wie die anderen virtuellen Schlagzeuger konfigurieren lassen.

Diese Neuerung, die Apple mittlerweile auch in Logic Pro X integriert hat, erfreut den Hobbymusiker wohl am meisten. Denn den bisherigen Drummern fehlte einfach noch dieser letzte Kick für die selbst produzierten Stücke. Nach wie vor lassen sich in Garageband nur zwei Spuren für Drums und/oder Percussion anlegen, aber wo sich die Spuren der Schlagzeuger unterschiedlicher Stilrichtungen bisher störten und allenfalls in unterschiedlichen Songteilen abwechselnd zum Einsatz kommen konnten, harmonieren Drummer und Percussionist nun perfekt. Musiker können nun bei der Aufnahme auf Schlagzeuger verzichten, die benötigen immer zu viel Platz im Heimstudio und zu viele Spuren im Projekt und müssen zu laut spielen, damit sie nach etwas klingen. Auf der Bühne gibt es freilich keinen Ersatz für Schlagwerker aus Fleisch und Blut.
Die Grenzen der Musik …
Garageband bleibt auch in Version 10.2 ein Werkzeug für den Einstieg. Das muss nicht bedeuten, dass nicht auch Profis das Tool nutzen können, vor allem unterwegs. Insbesondere die hier nicht näher betrachtete Version für iOS kann ein hilfreiches Werkzeug sein, um Songideen festzuhalten und weiter zu entwickeln. In einem Beispiel-Workflow nimmt man etwa ein kurzes Akkordschema der akustischen Gitarre mit dem iPhone und der App Musicmemos auf, importiert diese Idee – eventuell schon mit Bass und Drums automatisiert angereichert – in Garageband für iOS und fügt etwa auf dem iPad erste Piano- oder Synthiespuren – Harmonien und Melodien – hinzu, denn auf Smartphone und vor allem Tablet hat man eine deutlich größere virtuelle Klaviatur vor sich. Bearbeiten lassen sich derartige Softwareinstrumente vermutlich aber besser auf dem Mac mit Maus und Tastatur, also importieren wir unser iOS-Projekt in Richtung Garageband für macOS – der Weg zurück ist seit Garageband 10.2 nur noch teilweise verbaut, dazu gleich mehr. Zwar könnten wir auch schon auf dem iPad oder iPhone die E-Gitarre einspielen, etwa mithilfe der iRig-Adapter von IK Multimedia, mit dem Mac, neben dem auch ein analoger Gitarrenverstärker und ein Mikrophon stehen, fühlen wir uns aber etwas wohler.

Nach Hinzufügen von virtuellen Drummern (die bei einer späteren Bearbeitung der Produktion wunderbar als Zugspur dienen könnten, nach der sich andere Instrumente im Studio richten) und Polieren von Synthie-, Bass-, Gitarren- und Klavierspuren muss das Projekt noch nicht fertig sein, ein professioneller Producer könnte es nun in Logic Pro X unter Beibehaltung aller Sounds und Einstellungen importieren und weiter ausbauen. An dieser Stelle ist seit Logic Pro X 10.3 ein Pfad zurück in die Welt von iOS geöffnet, den es nun auch in Garageband gibt. Erstellt man von einem Logic- oder Garageband-Projekt einen (vorläufigen) Mixdown, kann man diesen mit Garageband für iOS teilen und auf iPhone oder iPad noch weitere Spuren hinzufügen, die so zurück in Logic Pro X importiert werden. Man denke etwa an Naturgeräusche oder an analoge Instrumente, die man an Orten mit besonderer Akustik aufnehmen will. Öffnet man in Logic Pro X oder Garageband 10.2 das Projekt erneut, wird die zusätzlich unterwegs erstellte Spur automatisch importiert, ohne dass sich das restliche Arrangement ändern würde.

Was Garageband nach wie vor nicht kann, sind Takt- oder Tonartwechsel innerhalb eines Stückes, Zwiefache können wir also ebenso wenig aufnehmen wie das Hauptthema von “Tubular Bells” mit seinem steten Wechsel von 7/8 zu 9/8. Wenigstens lässt sich letzterer Takt als eigene Vorgabe definieren. Logic Pro X bietet aber gegenüber Garageband noch weitere Vorteile, etwa die Spuralternativen oder die auswahlbasierte Verarbeitung.
… und was sonst noch fehlt
Was wir als Hobbymusiker nicht vermissen, aber den Freunden der Podcast-Produktion dafür umso schmerzlicher fehlt, sind eben Funktionen für Podcaster, worauf etwa unser Macworld-Kollege Dan Moren hinweist. Die neue, zurückhaltende Oberfläche mache es noch weniger klar, welche vorkonfigurierten Projekte sich für Podcasts und andere Sprachaufnahmen lohnen, doch hatte Apple das Thema Podcast-Produktion schon zuvor deutlich zurück gefahren. Mit Garageband 3.0 im Jahr 2006 waren speziell für Podcaster Effekte und Funktionen hinzugekommen, die man heute oft vergeblich sucht. Dabei wäre es für Apple an sich leicht, eine Lösung für Kreative zu bringen, die Podcasts von der Erstellung über die Publikation und die Analyse begleitet, zumal das iPhone eine der wichtigsten, da weit verbreitetsten Geräte zum Anhören solcher Audiobeiträge ist. So warten wir weiter auf eine vernünftige Podcast-App von Apple oder entsprechende Funktionen in Garageband. Logic Pro X ist dafür vermutlich ein bisschen zu umfangreich.