Die russische App Prisma für iOS und Android hat einige Furore gemacht. Nicht nur, weil man hier aus seinen digitalen Vorlagen relativ leicht hochkarätige Bilder nach berühmten Künstlern gestalten kann. Sondern auch, weil diese Umsetzung auf künstlicher Intelligenz und neuronalen Netzwerken basiert. Dabei ist die Rechenintensität so hoch, dass sie auf die entsprechenden Server der Anbieter derartiger Apps verlagert wird, darunter auch etwa Artisto . Als weiterer Nachteil zu sehen, dass man sich den Anbietern dadurch mit seinen Bildern und Daten weitgehend ausliefert.
Kandinsky & Co. auf ”Allerweltsfoto”
Dies will Mac-Entwickler Ben Slaney von Mac Daddy gezielt anders machen – er bietet sein Programm Style für den Mac an (ab OS X 10.10, 64 Bit), alle Rechenarbeiten finden lokal auf dem Apple-Computer statt. Bekannt ist der Entwickler etwa von Mac-Tools wie Mac Backup Guru oder Mac Data Recovery Guru .

Auch Style 1.6, das sich laut Entwickler noch in der Beta-Phase befindet, aber schon frei herunterzuladen und einsatzfähig ist, bietet ebenfalls eine ganze Reihe von Filtern nach berühmten Künstlern oder Kunstrichtungen an, darunter etwa Kandinsky, Hundertwasser, Kubismus, Seurat (Pointillismus) oder auch “Starrynight”. Ein paar Beispiele zeigt Ben Slaney direkt auf seiner Website zum Programm, darunter die Konvertierung eines berühmten Musikvideos (Gangnam Style), von der Golden Gate Bridge sowie die Entstehung des Programmlogos.
Wir haben uns das Programm auf unseren iMac von 2010 (i3-Intel-Prozessor, OS X 10.11, 512 MB VRAM und 12 GB RAM Arbeitsspeicher) geholt. Auf das kleine, äußerst überschaubare Programmfenster zieht man einfach ein beliebiges Foto und wählt den gewünschten Filter, eine Vorschau gibt es freilich bisher nicht. Man muss sich also auf die mehr oder weniger bekannten Namen der Kunstrichtungen verlassen. Wahlweise kann man auch sämtliche Stile auf dasselbe Foto automatisch nacheinander anwenden lassen. Nach einem Klick auf Start geht es los – und kann dann gefühlt ewig dauern. Denn, wie gesagt solche Simulationen neuronaler Netzwerke sind äußerst rechenintensiv, obwohl die Filter den entsprechenden Lernprozess bereits hinter sich haben. Dieser Prozess beruht auf einer riesigen Datenbank mit tausenden von Fotos und Stilen. Legt man dann dem entsprechenden Programm ein Foto vor, wird dieses auf seine Details hin analysiert und der Filter darauf angewandt. Dabei sind einige Filter wie insbesondere Hundertwasser oder auch Cubist dem Entwickler zufolge für niedrige auflösende Fotos nicht geeignet und dauern entsprechend länger.

Ich will mehr: Gier nach RAM und Hertz
Auf unserem Rechner hat das Programm zudem fast den gesamten Arbeitsspeicher übernommen und diesen virtuell noch einmal auf phasenweise über 32 GB RAM erhöht. Zeitweise lief auch unserem Mac daher nichts anderes mehr. Auf einem anderen Apple-Rechner klappte es besser: ein Macbook Pro, ebenfalls von 2010, dafür aber mit Intel Core i5, 256 MB VRAM und 8 GB RAM Arbeitsspeicher schaffte den Durchlauf mit allen elf Filtern in ”nur” 40 Minuten. Ganz offenbar spielt also für die Arbeitsgeschwindigkeit eher die Prozessorperformance eine Rolle, RAM oder auch erst recht die GPU sind dafür nebensächlich. Und selbstverständlich kommt es auch auf die Bildvorlage an. Ben Slaney räumt aber ein, dass er seinen Rechner gelegentlich die ganze Nacht laufen lässt, um ein großes Bild passend zu rendern, insbesondere aber Videos wie das erwähnte mit dem Gangnam-Musikclip.
Style und Safari mögen sich nicht
Auf beiden Testrechnern stellten wir übrigens fest, dass Safari beim Betrieb der Kunst-App regelmäßig einfror. Dabei dürfte es sich um einen Bug der frühen Version handeln. Ohnehin ist es besser, Style erst in Betrieb zu nehmen, nachdem man möglichst viele andere Programme beendet hat, oder am besten nach einem Neustart. Die Ergebnisse jedenfalls können sich durchaus sehen lassen – die fertigen Bilder werden im Bilderordner in einem neuen Ordner namens ”Style” automatisch abgelegt. Und die Ergebnisse können sich sehen lassen, wenn man auf derartige kunstvolle Verfremdung digitaler Vorlagen ”steht”.
Das allerdings nicht übermäßig auffällige Wasserzeichen in der unteren rechten Ecke der fertigen Bilder (”Style App”) lässt sich per In-App-Kauf für 20 US-Dollar im Mac App Store entfernen, über die von der Website heruntergeladene App klappt der Vorgang noch nicht.
Fazit
Einen kostenlosen Blick ist die Bilder-App allemal wert, insbesondere, wenn man über etwas mehr Rechenpower auf einem aktuelleren Mac verfügt. Wir sind gespannt darauf, wie sich Style weiterentwickelt – in Richtung mehr Filter-Auswahl, Vorschaubilder für die Stile und bessere Performance auf älteren Rechnern und für Videos. Ansonsten ist Style ein vielversprechender Ansatz für digitale Kunstfreaks auch auf dem Mac.
Style 1.7: Performance-Update
Entwickler Ben Slaney hat auf unseren Test hin rasch nachgelegt und eine neue Version von Style sowohl auf seiner Homepage als auch im Mac App Store freigegeben. Style 1.7 läuft in der Tat deutlich flotter, die Belastung für den Arbeitsspeicher ist zudem spürbar geringer, wie ein Blick in die Aktivitätsanzeige beweist. Wir befinden uns dort zwar immer noch im Bereich von bis zu 10 GB RAM, den sich Style reserviert. Doch die Werte gingen vorher ja bis über 30 GB RAM. Deutlich besser lässt sich nun auch wieder der Mac bedienen, während Style im Hintergrund die Bilder rendert. Auch Safari verhält sich freundlicher – vorübergehend ist der Apple-Browser aber dennoch eingefroren, erholt sich dann aber wieder.
Freilich beruht diese günstige Entwicklung auf einem kleinen Trick – in den Voreinstellungen des Programms ist nun die Größe des zu bearbeiteten Bildes standardmäßig auf 1,1 Megapixel begrenzt. Das bedeutet, auch die Ausgabegröße der fertigen Bilder ist deutlich geringer und liegt bei – je nach Filter – unter oder um die 1 MB. Für hochqualitative Ausdrucke ist das natürlich nicht mehr geeignet. Wer über einen entsprechend flotten Rechner verfügt, kann dies jedoch selbst erhöhen, um Bilder in höherer Auflösung zu erhalten.
Einen weiteren Bug mussten wir freilich registrieren – das Wasserzeichen ist trotz der Freischaltung wieder da, und auch über die Funktion in den Voreinstellungen, “Restore previous purchases“, öffnet sich zwar das Log-in-Fenster zum Mac App Store, nach Eingabe des Passwortes passiert jedoch nichts weiter. Der Entwickler hat bereits zugesagt, an diesem Problem zu arbeiten. Immerhin ist das Style-App-Logo als Wasserzeichen nicht allzu auffällig oder ärgerlich, sodass man dies vorübergehend verschmerzen kann, wenn man ein Bild nicht für offiziellere oder gar berufliche Zwecke benötigt.
Insgesamt hat Style schon weiter gewonnen – wir hoffen, dass sich die Performance bald auch ohne Beschränkung der Eingabegröße verbessern lässt.