Fast jeder kennt das Problem: den Vatikan oder die Pyramiden, das Rathaus oder andere Sehenswürdigkeiten hübsch fotografiert, aber die vielen Menschen und Touristen davor versperren einfach den klaren Blick darauf. Es wirkt mit den Leuten im Bild vielleicht lebhafter, aber man möchte lieber genauer das aufgenommene Objekt ungestört im Blick haben. Normalerweise geht es jetzt mit Lasso und anderen Auswahlwerkzeugen, Klonen und Stempel daran, die störenden Bildteile im Vordergrund zu entfernen. Das ist mühsam, und meistens bemerkt man die Manipulation doch deutlich, wenn man nicht sehr viel Profiwissen und Zeit investiert hat. Ein Programm wie das von uns getestete Snapheal Pro von Macphun hilft hier in gewissen Grenzen weiter. Doch in komplexeren Fällen befriedigt das Ergebnis ebenfalls nicht.

Eins, zwei, drei, aus 5 mach 1 …
Hier kommt Neat Projects Professional 1.12 ins Spiel, von der deutschen Entwicklerschmiede Franzis. Dieses verspricht praktisch perfekte Ergebnisse: Die Software entfernt demnach automatisch alle störenden Menschen, Tiere und Fahrzeuge aus dem Bild. Und das soll ganz einfach gehen, indem man mehrere Aufnahmen vom gewünschten Objekt hintereinander anfertigt, sogar ohne Stativ, das heißt die Aufnahmen müssen nicht deckungsgleich sein. Dennoch würden alle bewegten Objekte und Personen wie von Zauberhand automatisch, blitzschnell und mit perfektem Ergebnis aus der Aufnahme entfernt.

Das klingt gut und erfreulich, und wir haben das intensiv überprüft. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Es funktioniert tatsächlich. Das Resultat kann äußerst beeindruckend sein. Voraussetzung ist aber, dass man tatsächlich verschiedene Aufnahmen aus einem vergleichbaren, jedoch nur leicht verschobenen Winkel aufnimmt. Ein einzelnes Foto nutzt hier nichts. Fünf sind optimal, ab drei Aufnahmen kann man es immerhin versuchen. Und ganz so freihändig darf man dann doch nicht knipsen, sonst wirkt das Ergebnis unscharf und verschwommen. Das haben wir schnell festgestellt, nachdem wir eine ganze Reihe von Serienfotos in der Stadt geschossen und auf den Mac geladen haben.

Zwar ließen sich die Passanten tatsächlich mit einem einzigen Befehl (im Programm heißt dieser ”Bewegung entfernen (Multipass)”, es gibt auch weitere Optionen) entfernen. Doch wenn wir es mit den verschiedenen Blickwinkeln übertrieben haben, war das Bild am Ende nicht völlig deckungsgleich und scharf. Ansonsten ist es klar, warum das Programm mehrere unterschiedliche Blickwinkel verlangt – auf diese Weise hat es ziemlich sicher von jedem Fleckchen des Gebäudes mindestens ein paar Pixel eingefangen, wenn gerade mal kein Fußgänger davor steht. Und so lässt sich das Gebäude trefflich rekonstruieren, ohne vage Anleihen bei Nachbarpixeln und Ähnlichem nehmen zu müssen.

Von Drillingen und Hundeklonen
Unser Pressekontakt zu Franzis, Heiko Wenzel, hat seinerseits ein paar kurze Videos zur Verfügung gestellt, die auf Youtube übersichtlich zeigen, welche Möglichkeiten Neat Projects bietet. Außer der Hauptanwendung der Software, nämlich ”Störenfriede entfernen” , zeigt Heiko Wenzel auf eine etwas launige, dabei sehr instruktive Weise, wie man mit dem Programm aus einer Einzelperson Drillinge macht oder verschiedene Aufnahmen eines über ein Feld springenden Hundes zu einer einzigen verschmilzt, in der das Tier zugleich mehrfach an verschiedenen Positionen des Fotos zu sehen ist . So etwas ist auch für actionreiche Sportaufnahmen interessant. Die beiden letzten Effekte erreicht man über den Menüpunkt ”Bewegung addieren”. Wir haben uns die Originalfotos schicken lassen und es selbst ausprobiert, die Ergebnisse sind genauso wie in den Videos – in diesem Fall perfekt.

Bei unseren eigenen Versuchen haben wir aber doch manchmal ”Rückstände” von Passanten im Sinne von ”Geistererscheinungen” zurückbehalten – es kommt auf die Bewegungsmuster an und wohl auch auf gleichbleibende Lichtverhältnisse. Schon unter der Sonne durchziehende Wolken haben hier einen mindernden Einfluss.
Ansonsten bietet Neat Projects Professional eine ähnliche Oberfläche wie das von uns ebenfalls getestete Color Projects von Franzis – mit denselben Vorteilen wie beeindruckender Vielfalt der Funktionen, aber auch den Nachteilen, wie den doch recht eigenwilligen und schlecht erkennbaren zusätzlichen Werkzeugsymbolen, in die man sich erst einmal einarbeiten muss.
Systemvoraussetzungen und Verfügbarkeit
Neat Projects Professional gibt es für Apple- und Windows-Rechner. Auf Macs ist mindestens OS X 10.7 erforderlich, der Preis liegt bei 99 Euro. Bei dem etwas günstigeren Neat Projects (59 Euro) verzichtet man auf einige Funktionen, aber wie die Vergleichstabelle zeigt , dürfte das für viele Nutzer völlig ausreichen.
Fazit und Empfehlung
Keine Frage, auch Neat Projects (Professional) ist ein mächtiges Werkzeug, das auf Mausklick beziehungsweise schon beim Import der Bilder die wichtigste Funktion direkt umsetzt, nämlich störende Objekte, insbesondere Passanten auf Bildern rückstandsfrei zu entfernen, sofern die Vorlagen einigermaßen gelungen sind. Ein Stativ benötigt man tatsächlich nicht dafür, aber auf vergleichbare Perspektiven und gleichartige Bewegungsmuster sollte man bei den Aufnahmen achten. Insbesondere das günstigere Neat Projects für knapp 60 Euro ist zu empfehlen, wenn man genau diese Funktion öfter benötigt.