Wie der Zufall es so will, habe ich mir kurz vor der Heimreise aus dem Urlaub in Kanada noch ein iPad Air 2 gekauft. Meine Idee war es, einen nützlichen Helfer und zusätzlichen Bildschirm neben meinem Macbook zu besitzen. Kurz nach der Landung dann die Überraschung, der Bildschirm meines Macbooks ging nicht mehr an. Alle Tricks und Tastenkombinationen halfen nichts : Das Macbook musste zur Reparatur.
Meinem Hauptberuf als Programmierer zum Dank habe ich zum Glück ein Macbook an der Arbeitsstelle, sodass ich mir um mein täglich Brot keine Gedanken machen musste. Aber wie wäre es, wenn der Lohn- und Brotrechner ausfällt, klappt der Umstieg vom Macbook auf das iPad oder würde ich etwas vermissen? Es ist an der Zeit, um zu überlegen, ob ein privater Mac überhaupt noch nötig ist.
Mein persönliches Setup
Um in der digitalen Welt über die Runden zu kommen, bediene ich mich ein paar zentraler Anwendungen, die mir helfen, mein Leben etwas zu organisieren. Dazu gehören die To-Do-Software OmniFocus , und für meine privaten Finanzen YNAB . Blogs und andere Websites verfolge ich meist via RSS-Feeds, sodass ich mich für Reeder als passende Apps entschieden habe. Mit der Anwendung Pinner greife ich auf meine Pinboard-Artikel zu. Tweetbot darf bei alldem natürlich auch nicht fehlen.
Für den Multimedia-Teil habe ich Casts für meine Podcasts im Einsatz, und sogar der VLC Playe r macht einen hervorragenden Eindruck auf dem iPad. Neben den Apps von Drittherstellern sind Apples eigene Anwendungen hervorragend auf dem kleineren Bildschirm zu bedienen. Numbers macht auf dem Tablet fast noch mehr Spaß als am Macbook, und iBooks fühlt sich auf dem iPad wie Zuhause.

Anfangs belächelte ich den Versuch, alle Webseiten und Anwendungen im App Store zu suchen, und die kleinere Version auf das iPad herunter zu laden. 50 Apps und zahlreiche Filme und Musik später, fand ich mich auf der Couch wieder und konnte das Gerät gar nicht mehr aus der Hand legen.
Der perfekte Media-Konsum
Lesen, Videos anschauen, Nachrichten verfolgen – selbst nach wochenlangem Einsatz ist es immer noch ein Genuss. Morgens beim Kaffee vermisse ich mein MacbBook kein Stück, und auch Abends nach der Arbeit fühlt sich das iPad wesentlich integrierter an als noch einmal sein Notebook aufzuklappen um ein paar Artikel zu lesen.
Dies habe ich mir zum Anlass genommen um die iCloud noch ein wenig mehr auszureizen. Der kostenlose Speicherplatz von 5 GB ist schnell verbraucht, 50 GB sind mit einer Gebühr von einem Euro pro Monat aber nicht so teuer, 23 GB davon belegen nun Fotos, die ich von Google in Apples Wolke umgezogen habe. Durch iOS 10 ist die Darstellung dort noch um ein vielfaches besser geworden. Man erwischt sich nicht selten dabei, einfach aus Freude nach alten Bildern und Momenten zu suchen.
Ein soziales Gerät
Anders als ein Macbook fügt sich das iPad nahtlos in den Tagesablauf ein. Beim Benutzen versteckt sich der Gegenüber nicht hinter einem Bildschirm und Tastatur, sondern bietet freie Sicht auf sein Selbst, wenn er das Tablet in der Hand hält. Zudem macht das iPad gerne die Runde beim Zeigen von Bildern oder beim Besprechen von Routen für den nächsten Trip.
Durch das schnellere Einloggen dank Fingerabdruck kann dieses iOS-Gerät auch viel einfacher in der Familie oder mit der oder dem Liebsten geteilt werden. Das Hinzufügen eines Fingerabdrucks ist einfacher, als sich ein Passwort zu merken. Schon alleine dieser Vorgang macht das iPad weniger privat und geheimnisvoll als das Einloggen auf einem fremden Mac.
Verschwendeter Spielraum
Das iPad mittlerer Größe muss mit seinem 9,7”-Screen haushalten. Ein Macbook mit 13,3 Zoll hat hier schon wesentlich mehr Fläche zum Darstellen von Inhalten. Was zunächst als Nachteil für das iPad klingt, ist für geschätzte 90 Prozent der Aufgaben völlig irrelevant. Websites können den linken und rechten Teil der Fläche kaum zu ihrem Vorteil nutzen, deshalb bleibt der Rand oft weiß und leer. Mit einem Doppel-Tipp im Safari lässt sich der Inhalt zwar heran zoomen, doch komfortabel lesen lässt sich so auf Dauer nicht.
Durch die oft maßgeschneiderten Apps machen die Hersteller das beste aus der gebotenen Große. Weiße Ränder und leere Flächen sind eine Seltenheit, und auch Webseiten und Bücher lassen sich so hervorragend lesen. Selbst beim Schreiben dieses Artikels (das zugegeben auf einem Macbook geschieht – dazu später mehr) habe ich die gleiche Fassung auf dem iPad geladen. Der Beweis: Mehr Bildschirmgröße bedeutet nicht unbedingt eine höhere Produktivität. Die Augen bewegen sich sowieso immer nur um einen kleinen Fleck.

Professionelles Arbeiten
Die Fotografie entdeckt das iPad so langsam für sich, die Kamera muss zwar hinter der des iPhone zurückstecken, kann sich aber sehen lassen. Auch kleinere Videoschnittprogramme sind auf Apples Tablet verfügbar. Doch hier betreten wir einen kritischen Bereich. Viele Professionen benötigen Dateizugriff, Mauszeiger und viel Bildschirmfläche. Dies wird sich wahrscheinlich auch kaum ändern. Für einen Entwickler ist das iPad nicht einmal ansatzweise ein Ersatz.
Was aber auch an den fehlenden Apps liegen könnte. Das Wichtigste beim Arbeiten mit dem iPad ist das Umlernen von Abläufen. Es ergibt wenig Sinn, die Arbeitsschritte vom Macbook zu kopieren und einfach auf das kleinere Display abzubilden. Unternehmen wie Literature and Latte, die für die berühmte Schreibsoftware Scrivener verantwortlich sind, haben sich deshalb viel Zeit für ihre erste iOS-App gelassen. Herausgekommen ist aber keine Ergänzungslösung zum Mac, sondern eine vollwertige Umsetzung, mit der sich wunderbar arbeiten lässt.

Auch Adobe ist auf den mobilen Zug aufgesprungen und hat mit Photoshop, Lightroom und vielen anderen Apps die fast komplette Produktpalette auch auf das iPad gebracht. Lightroom alleine lässt einen fast den Mac vergessen, und selbst HDR Bilder unterwegs oder Zuhause bearbeiten . Auch hier sieht man: Bei der richtigen Umsetzung kann ein Touchscreen sogar ein Vorteil sein. Mitsamt dem SD-Karten-Adapter dient das iPad hervorragend Fotografen als Begleiter, um schnell Bilder auf einen größeren Bildschirm zu betrachten oder diese in den sozialen Medien zu teilen.
Mau sieht es bislang im Programmierumfeld aus. Auch wegen des kleinen Bildschirms wir das iPad wohl nie (jedenfalls nicht im 9,7” Format) ein Ersatz für ein Macbook ergeben. Mit kleineren Anwendungen lässt sich jedenfalls hervorragend auf entfernte Server zugreifen und kleinere Codeschnipsel ändern. Für kleinere Anpassungen unterwegs also hervorragend.
Als Journalist, Autor oder jegliche andere Form von Schreiberling ist das iPad schon wesentlich interessanter. Logitech ist bekannt für exzellente mobile Tastaturen, und auch Apple stellt eine eigene Anfertigung für die Pro Version des iPads zur Verfügung. Nach etwas Eingewöhnung können so auch längere Passagen problemlos verfasst werden. Der Bildschirm ist kleiner, aber wie Sie auf dem Bild weiter unten sehen können: Vieles von einem Word oder Pages Dokument wird von leeren Flächen verschwendet. Das iPad nutzt hier den Platz wesentlich besser.

Fazit
Mein Fazit fällt gemischt aus. Als vollwertigen Hauptrechner kann ich mir das iPad als Entwickler auf keinen Fall vorstellen. Besteht jedoch die Chance, beruflich an der Arbeitsstelle ein Macbook zu nutzen, kann das iPad für das digitale Privatleben ausreichen. Das Schöne bei diesem Gerät ist wirklich, mehr als 80 Prozent der Aufgaben wie Nachrichten lesen, Organisieren und Banking sogar einfacher und schneller, und dabei komfortabler, erledigen zu können als am Macbook unter macOS Sierra.
Bei so dünnen Macbooks jedoch wie in der neuen Generation, stellt sich die Frage, warum das überhaupt ein Grund sein sollte sein Notebook ganz aufzugeben. Datei-Downloads sind immer noch einfacher am Mac zu regeln, und größere Dateimengen sind wesentlich leichter zu organisieren als auf dem iPad. Ein iPad kann also den Mac im Rucksack lassen, und stört vor allem morgens und Abends nicht so sehr auf der Couch wie ein Macbook.
Auch auf Reisen und bei der Verwandtschaft, um Bilder zu zeigen: Das iPad sticht dort in vielen Fällen das Macbook aus. Ich persönlich werde wohl bald mein iPad Pro ersetzen und mir die Speicherausstattung von 256 GB gönnen. Mit all den Büchern, Filmen und Bildern ist es für mich die perfekte Lern- und Entertainmentmaschine. Das Macbook kommt zurück – aber nur zum Programmieren.